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Steuer & Recht
In seinem Urteil vom 19.04.2012 (7 U 157/11) hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit der Frage befasst, ob eine Versicherungsgesellschaft eine unvollständige Antwort als Grundlage einer Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder eines Rücktritts vom Versicherungsvertrag nehmen kann, wenn dem Versicherungsnehmer bei Vertragsschluss komplexe Gesundheitsfragen sehr schnell vorgelesen wurden.
Vor dem Abschluss von Versicherungen, wie z. B. Krankenversicherungen, Berufs-unfähigkeitsversicherungen und Lebensversicherungen werden z. T. sehr komplexe Gesundheitsfragen von den Versicherungsgesellschaften gestellt, bei deren Beantwortung man generell sehr sorgfältig sein sollte. Beantwortet man die Gesundheitsfragen nicht zutreffend, so kann dies bis zur Anfechtung des Versicherungsvertrages führen, wenn sich später herausstellt, dass Angaben unvollständig waren oder eine Vorerkrankung nicht angegeben wurde.
Der Fall
In dem konkreten Fall wurde von einer Versicherungsnehmerin eine Rentenversicherung mit Todesfallschutz und Berufsunfähigkeitszusatzversicherung abgeschlossen. Das Antragsformular enthielt unter der Überschrift „Gesundheitserklärung der zu versichernden Person" mehrere Fragen zum Gesundheitszustand. Bei dem Vertragsabschluss wurde der schriftliche Fragenkatalog von einer Versicherungsvermittlerin im Beisein der Versicherungsnehmerin ausgefüllt, nachdem sie die sehr komplexen Gesundheitsfragen schnell vorgelesen hatte.
Bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen wurde von der Versicherungsnehmerin u. a. eine Vorerkrankung (Depression) nicht angegeben, wobei das LG Stuttgart in seinem Urteil vom 30.06.2011 (22 O 627/10) zu dem Ergebnis kam, dass die Versicherung den Vertrag beenden konnte.
Die Entscheidung
Mit ihrer Berufung konnte sich die Versicherungsnehmerin vor dem OLG Stuttgart durchsetzen. Die Versicherung habe gegenüber dem Versicherungsunternehmen vor Vertragsabschluss objektiv weder ihre Erkrankung an einer Depression noch die damit verbundenen Arztbesuche angegeben, wobei allerdings keine arglistige Täuschung vorläge. Der Versicherungsantrag sei im Beisein der Versicherungsnehmerin durch die Versicherungsvertreterin ausgefüllt worden, nachdem diese der Versicherungsnehmerin die Fragen vorgelesen hatte. Unter diesen Umständen habe der Versicherer, der sowohl hinsichtlich der Täuschung als auch hinsichtlich eines arglistigen Handelns des Versicherungsnehmers beweisbelastet sei, den Nachweis zu führen, dass der Versicherungsvertreter dem Antragssteller die Fragen in einer Art und Weise vorgelesen habe, die das Ausfüllen des Formulars durch den Versicherungsvertreter einer eigenverantwortlichen Beantwortung vergleichbar erscheinen lasse. Dieser Beweis sei nicht geführt worden. Dem Senat das OLG war es dabei selber nicht möglich, bei Verlesung der Gesundheitsfragen im Rahmen der Beweisaufnahme den Erklärungsgehalt aller 30 genannten Erkrankungen zu erfassen. Im Ergebnis kommt das OLG zu dem Schluss, dass die Gesundheitsfragen bei dem Vertragsabschluss nicht ausreichend klar vorgelesen wurden, weshalb die Versicherungsnehmerin anhand der konkret gestellten Fragen nicht zur Anzeige der Depressionserkrankung verpflichtet war. Jedenfalls sei ein Verschulden auszuschließen, wobei verbleibende Zweifel sich zu Lasten des Versicherers auswirkten. Im Ergebnis wurde seitens des OLG festgestellt, dass die Rentenversicherung nebst Todesfall und Berufsunfähigkeitsschutz nicht beendet oder geändert wurde, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbestand.
RA Michael Lennartz
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