Für Sie gelesen
Sehr geehrte Ärzte,
hier ist der vollständige Text für Sie:
Berlin - Bundesjustizministerin
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Bundesgesundheitsminister Daniel
Bahr haben heute in Berlin ihren gemeinsamen Entwurf für ein
Patientenrechtegesetz vorgelegt.
"Die Patientenrechte werden greifbar", erläutert
Leutheusser-Schnarrenberger den Gesetzentwurf. "Sechs von zehn Patienten
kennen laut einer Studie ihre Rechte gar nicht oder unvollständig. Das
neue Gesetz gleicht das Informationsgefälle zwischen Arzt und Patient
aus. Auch für die Behandlungsseite bringt das Gesetz Klarheit und
Verlässlichkeit. Bald können die wichtigsten Rechte und Pflichten im
Gesetz selbst nachgelesen werden. Patienten müssen über die Behandlung
umfassend informiert werden. Alle wesentlichen Fakten von Diagnose bis
Therapie müssen verständlich erklärt werden. Bei Streitigkeiten ist die
Patientenakte das wichtigste Dokument. Wir regeln, was alles in die
Patientenakte gehört und stellen sicher, dass Patienten dort Einsicht
nehmen können. Die sinnvollen Beweiserleichterungen, die für Patienten
von der Rechtsprechung entwickelt wurden, sichern wir gesetzlich ab und
machen sie für jeden nachvollziehbar. Zum Beispiel muss bei groben
Behandlungsfehlern der Arzt beweisen, dass die Behandlung auch ohne den
Fehler schief gelaufen wäre."
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr erklärt dazu: "Die Rechte von
Patientinnen und Patienten in Deutschland werden erstmalig in einem
einheitlichen Gesetz gebündelt und gestärkt. Nach den Eckpunkten vom
März 2011 wird nun mit dem Gesetzentwurf in der seit vielen Jahren
laufenden Diskussion eine konkrete Lösung vorgelegt. Sie sorgt nicht nur
im Arzt-Patienten-Verhältnis für einen angemessenen Ausgleich. Die
Rechte der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung werden
verbessert."
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung Wolfgang Zöller begrüßt den
Gesetzentwurf: "Der vorgelegte Referentenentwurf stärkt die Patienten.
Das gegenseitige Vertrauen der Patienten, Krankenkassen und Ärzte erhält
damit ein neues und zeitgemäßes Fundament.
Die Rechte der Patienten werden maßgeblich weiterentwickelt, erstmals
zusammenhängend geregelt und für jedermann unkompliziert nachlesbar. Der
Referentenentwurf ist unter Einbindung aller beteiligten Gruppen
entstanden. Er stellt keine Gruppen gegenüber und lässt niemanden außen
vor."
Zum Hintergrund:
Das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für
Gesundheit haben gemeinsam ein Patientenrechtegesetz vorbereitet. Der
Entwurf umfasst folgende Regelungsbereiche:
* Der Behandlungsvertrag wird ausdrücklich im Gesetz geregelt. Die
Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch erfasst die Vertragsbeziehung
zwischen Patienten und Ärzten, aber auch anderen Heilberufen wie
Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten. Es wird
geregelt, dass Patienten verständlich und umfassend informiert werden
müssen, etwa über erforderliche Untersuchungen, Diagnosen und
beabsichtigte Therapien. Die Patienten sind gesondert auf Kosten für
solche Leistungen hinzuweisen, die nicht von den Leistungsträgern
übernommen werden.
* Die Aufklärungspflichten werden ausdrücklich gesetzlich geregelt. Vor
jedem Eingriff müssen alle Patienten umfassend über die konkrete
Behandlung und die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden.
Dazu muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden,
damit sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen kann. Eine bloß
schriftliche Aufklärung reicht nicht.
* Auch die Dokumentationspflichten bei der Behandlung sollen im Gesetz
festgelegt werden. Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu
führen. Patienten bekommen nunmehr ein gesetzliches Recht auf
Akteneinsicht. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird
im Prozess zu Lasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht
dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist.
Für Haftungsfälle wird es mehr Transparenz geben. Die von der
Rechtsprechung entwickelten Beweiserleichterungen sollen ausdrücklich
gesetzlich geregelt werden. Dann kann jeder im Gesetz nachlesen, wer im
Prozess was beweisen muss. Bei sogenannten "einfachen"
Behandlungsfehlern verbleibt es dabei, dass der Patient den
Behandlungsfehler sowie die Ursächlichkeit dieses Fehlers für die
eingetretene Gesundheitsschädigung nachweisen muss. Für bestimmte
Fallgruppen wie den "groben" Behandlungsfehlern sind
Beweiserleichterungen zugunsten des Patienten vorgesehen. Hierbei
handelt es sich um gravierende Fälle, die aus objektiver medizinischer
Sicht schlechterdings nicht mehr verständlich erscheinen. Dann muss sich
der Behandelnde seinerseits entlasten und beweisen, dass der
nachgewiesene Behandlungsfehler nicht generell geeignet war, eine
Gesundheitsschädigung der eingetretenen Art herbeizuführen. Weitere
Beweiserleichterungen betreffen etwa das sogenannte voll beherrschbare
Risiko. So wird die Vermutung für einen Behandlungsfehler angenommen,
wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht, das der
Behandelnde voll beherrscht - führt z.B. ein defektes Narkosegerät
während einer Operation des Patienten zu einer Sauerstoffunterversorgung
und dadurch bedingt zu Hirnschädigungen, so wird die Verantwortlichkeit
des Behandelnden für diesen Fehler vermutet.
* Es werden Sanktionen bei Verletzung von Verfahrensvorschriften, wie
beispielsweise einer nicht fristgemäßen Entscheidung bei Leistungen der
gesetzlichen Krankenversicherung, eingeführt: Die Versicherten können
sich die Leistung selbst beschaffen und erhalten die entstandenen Kosten
erstattet, wenn die Krankenkassen ohne hinreichenden Grund über einen
Antrag auf eine Leistung nicht innerhalb von drei Wochen nach
Antragseingang bzw. innerhalb
von fünf Wochen, wenn von der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme des MDK eingeholt wird, entscheiden.
* Bei Behandlungsfehlern sind die Kranken- und Pflegekassen künftig
verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von
Schadensersatzansprüchen zu unterstützen. Dies kann etwa durch
Unterstützungsleistungen, mit denen die Beweisführung der Versicherten
erleichtert wird, z.B. medizinischen Gutachten, geschehen.
* Im Gesetzentwurf ist die Förderung einer Fehlervermeidungskultur in
der medizinischen Versorgung vorgesehen: Behandlungsfehlern möglichst
frühzeitig vorzubeugen, hat höchste Priorität. Ein sachgerechtes
Qualitätsmanagement im stationären Bereich umfasst zukünftig
verpflichtend auch ein Beschwerdemanagement für die Belange insbesondere
von Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, das entsprechend
patientenorientiert auszugestalten ist.
* Die Patientenbeteiligung wird weiter ausgebaut.
Patientenorganisationen werden insbesondere bei der Bedarfsplanung
stärker einbezogen.
* Um insgesamt mehr Transparenz über geltende Rechte von Patientinnen
und Patienten herzustellen, erstellt der Patientenbeauftragte der
Bundesregierung künftig eine umfassende Übersicht der Patientenrechte
und hält sie zur Information der Bevölkerung bereit.
Ab heute haben Länder und Verbände Gelegenheit, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Der Referentenentwurf steht unter http://www.bundesgesundheitsministerium.de zur Verfügung.
Kontakt
Bundesministerium für Gesundheit
Friedrichstraße 108
10117 Berlin (Mitte)
Tel +49 (0)1888 441-2225
Fax +49 (0)1888 441-1245
pressestelle@bmg.bund.de
http://www.bmg.bund.de
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