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Steuern & Recht
Stellt es eine Irreführung bzw. eine Verschleierung dar, wenn Angebotsschreiben zur Eintragung in ein Branchenbuch nach der äußeren Gestaltung den Eindruck erwecken, es solle kein (neuer) Vertrag abgeschlossen, sondern lediglich im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnis eine Aktualisierung vorgenommen werden? Der Bundesgerichtshof (BGH) beantwortet dieses Frage mit einem „JA " (BGH, Urteil vom 30. Juni 2011, Az. I ZR 157/10).
Der Fall:
Die Klägerin gibt bundesweit das Branchenbuch "Gelbe Seiten" heraus. Die Beklagte stellt im Internet Branchenverzeichnisse für eine Vielzahl von Städten zur Verfügung. Im Juli 2008 warb sie mit einem ausschließlich an Gewerbetreibende gerichteten Anschreiben, in dem zunächst der Titel mit "Branchenbuch Berg" fett überschrieben und darüber hinaus noch gelb unterlegt war. Des Weiteren heißt es darin auszugsweise: "Zur Aufnahme in unser regionales Branchenverzeichnis im Internet bitten wir Sie, bei Annahme dieses Angebotes Ihre Unternehmensdaten zu überprüfen und uns den Eintragungsauftrag bis spätestens 20.08.2008 zurück zu senden". Anschließend liest sich tabellenartig: "Ausgabejahr 2008/2009, Preis p.M. 89 €, Eintragungsart: Standard Business Eintrag". Darunter befindet sich ein Kasten, in dem "auf Wunsch" die Adressdaten eingetragen werden können; hierfür wurde Platz gelassen. Lediglich die Branchenbezeichnung war bereits voreingetragen. Oberhalb der zuletzt einzutragenden Unterschrift befindet sich ein Hinweis auf geltende Vertragsbedingungen, in denen es auszugsweise heißt: "Die Annahme dieses Angebotes erfolgt durch die Unterschrift. [...] die Aufnahme in das Branchenverzeichnis auf dem Internetportal branchenbuch.ag zum Preis von 89,- Euro netto pro Monat [...]". Auf der zweiten Seite des Schreibens befinden sich die "Allgemeinen Geschäftsbedingungen". Hierin heißt es unter anderem: "Der umseitig angebotene Standard Business Eintrag kostet 89,- Euro im Monat bzw. 1068,- Euro netto pro Jahr." Weiter unten heißt es weiter: "Als Vorschuss auf die zu erwartenden Kosten für Webmarketing, redaktionelle Kosten, Lizenzgebühren, Programmierung und den Erwerb von Hochleistungsservern sowie Miete für Rechenzentren ist NBAG berechtigt, die Vertragssumme in Höhe von 1068,- Euro pro Jahr plus der aktuellen gesetzlichen Mehrwertsteuer im Voraus zu verlangen".
Gegen dieses Schreiben richtet sich die Klägerin mit einer Unterlassungsklage. Darüber hinaus begehrt sie Ersatz ihrer Rechtsverfolgungskosten.
Die Entscheidung:
Das Gericht hat dem Klageantrag entsprochen und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
Das Gericht geht zunächst davon aus, dass sich ein Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 4 Nr. 3, 5 Abs. 1 UWG ergibt, da die
"Beklagte den Werbecharakter ihrer an Gewerbetreibende gerichteten Anschreibens verschleiert." (BGH, a.a.O.). "Für die Frage, wie die Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers maßgebend." (BGH, a.a.O.).
Maßgebend war damit im vorliegenden Fall, wie Gewerbetreibende oder Freiberufler das Schreiben verstehen konnten. Wie auch das Berufungsgericht geht der BGH vorliegend davon aus, dass
"gerade Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter nicht selten unter Zeitdruck stünden und deshalb den Inhalt von Schreiben der hier in Rede stehenden Art oft selbst dann nicht mit der an sich gebotenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis nähmen, wenn ihnen eine Einverständniserklärung in Form einer Unterschrift abverlangt werde." (BGH, a.a.O.).
Aufgrund der gelben Hinterlegung der Überschrift könne das Schreiben, so der BGH, zunächst bei einem Teil der Empfänger zu der Fehlvorstellung geführt haben, es handele sich um ein solches des bekannten Branchenverzeichnisses "Gelbe Seiten", so dass es damit schon "seine Richtigkeit haben werde." (BGH, a.a.O.).
Darüber hinaus habe die Beklagte den Werbecharakter durch die Aufmachung des Schreibens im Allgemeinen verschleiert.
"Eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG und damit auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen. An einer hinreichend klaren und eindeutigen Erkennbarkeit fehlt es, wenn der Werbeadressat zur Annahme eines vom Unternehmer unterbreiteten Angebots verleitet werden soll, dessen werbender Charakter dadurch getarnt wird, dass der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt." (BGH, a.a.O.).
Nach Auffassung des Gerichts habe das Schreiben, die für eine Werbung typische Anpreisung der Ware oder Dienstleistung vermissen lassen. Vielmehr sei es so gewesen, dass diejenigen Empfänger, die das Angebot "durchschaut" haben, einen Vertragsschluss aufgrund des Preises nicht ernsthaft in Betracht haben ziehen können. Die beabsichtigte Absatzförderung ließe sich damit nur erreichen, wenn
"ein Teil der Adressaten - mag es sich auch nur im einen kleinen Teil handeln - den Inhalt des Schreibens bloß flüchtig zur Kenntnis nimmt." (BGH, a.a.O.).
Hieran habe auch der Verweis auf die Internetseite, sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten nichts geändert. Insbesondere bei ersterem bliebe es
"allein dem Adressaten der Werbung überlassen, ob er die beworbene Leistung näher zur Kenntnis nimmt oder nicht." (BGH, a.a.O.).
Darüber hinaus sei der Hinweis an unauffälliger Stelle angebracht gewesen.
Die Verschleierung sei auch geeignet gewesen, die Adressaten zu einem Vertragsschluss zu veranlassen, so dass das Verhalten geschäftlich relevant im Sinne des § 4 Nr. 3 UWG sei. Gleichzeitig stelle dies aber auch eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG dar, weil hierdurch
"über die Bedingungen irregeführt wird, unter denen die Dienstleistung erbracht wird." (BGH, a.a.O.).
Bewertung:
Die Entscheidung des BGH stellt zunächst, im Ergebnis auch richtig, klar, dass das Anschreiben im vorliegenden Falle geeignet und wohl auch dazu bestimmt war, den werbenden Charakter zu verschleiern. Dies ergibt sich nach oben Gesagtem insbesondere aus der Preisangabe, die die wahren Kosten zunächst verheimlicht, sowie aus der äußeren Gestaltung, die an den "Branchenriesen" "Gelbe Seiten" erinnert. Erstaunlich ist aber, dass das Gericht hierbei, im tatsächlichen Ergebnis bestimmt auch zutreffend, davon ausgeht, dass von Unternehmern, denen grds. ein höherer Kenntnis und Sorgfaltsstand zugeschrieben wird, aufgrund des Arbeits- und Zeitdrucks ein Weniger an Sorgfalt erwartet werden kann. Dieses Ergebnis überrascht schon - zwar steht diese Feststellung der Absicht des Beklagten keinesfalls entgegen eine solche Belastungssituation zu seinen Gunsten wettbewerbswidrig auszunutzen. Dass aber im vorliegenden Fall, in dem zumindest m.E. nach durchaus an sichtbarer und frühzeitiger Stelle von "der Annahme des Vertrages" gesprochen wurde, zwingend von einer Verschleierung ausgegangen werden musste, da das Schreiben den Eindruck erweckt habe, es bestünde bereits ein Vertragsverhältnis, drängt sich nach meinem Dafürhalten nicht unbedingt auf.
Dr. Robert Kazemi
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