Die Eigentümerin eines über hundert Jahre alten Mehrfamilienhauses verletzt ihre Verkehrssicherungspflicht nicht, wenn sich vor der Haustür ein Gitterrost-Fußabtreter befindet, der Öffnungen mit einer Größe von jeweils 4 cm x 7,3 cm aufweist, und eine Besucherin mit dem schmalen Absatz ihres Schuhs im Gitterrost hängenbleibt. Das hat der 11. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts kürzlich entschieden und eine Schadensersatzverpflichtung der Eigentümerin gegenüber einer Besucherin verneint.
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte ist Eigentümerin eines im Jahre 1906 erbauten Mietshauses, in dem die Tochter der Klägerin wohnt. Vor der Haustür befindet sich seit Jahrzehnten ein Gitterrost aus Metall, das als Fußabtreter dient. Das Gitterrost hat rautenförmige Öffnungen, die jeweils 4 cm x 7,3 cm groß sind. Nach einem Besuch bei ihrer Tochter verließ die Klägerin an einem Morgen vor Beginn der Dämmerung das Haus. Sie trug dabei Schuhe, deren Absätze in Querrichtung 2,5 cm und in Längsrichtung 1,5 cm breit waren. Sie behauptet, mit dem Absatz ihres rechten Schuhs im Gitterrost hängen geblieben und gestürzt zu sein. Sie verlangt nun die Feststellung, dass die Beklagte ihr den entstandenen Schaden ersetzen muss, weil das Gitterrost verkehrswidrig sei. Das Landgericht Kiel hat der Klage in erster Instanz stattgegeben. Die von der Beklagten eingelegte Berufung hatte Erfolg. Der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten nicht festzustellen sei.
Aus den Gründen:
Zwar weicht das Gitterrost mit den verhältnismäßig großen Öffnungen zwischen den einzelnen Gitterstäben von der Gestaltung üblicher, insbesondere neuerer Gitterroste ab. Durch diese Abweichung wurde aber die Gefahr, dass ein Damenschuh mit hohem Absatz hängenbleibt, nicht wesentlich erhöht. Vielmehr begründet jedes Gitterrost die Gefahr, mit solchen Damenschuhen, wie sie die Klägerin trug, hängen zu bleiben. Die Bewohner und Besucher des Hauses mussten auch mit einem derartigen Fußabtreter-Gitterrost vor der Haustür rechnen, denn derartige Fußabtreter-Gitterroste sind vor Wohnhäusern älterer Art üblich. Deshalb durfte die Beklagte auch darauf vertrauen, dass Trägerinnen von Schuhen mit hohen Absätzen angemessen auf diese erkennbare Gefahr reagieren, indem sie auf Gitterroste solcher Art besonders achten und entweder seitlich daran vorbeigehen oder aber den Schritt auf das Gitterrost nicht mit dem Absatz, sondern mit dem Ballen setzen. Das gilt auch, wenn der Eingangsbereich nicht ausgeleuchtet war, zumal vor der Haustür keine vollständige Dunkelheit geherrscht haben kann.
Soweit in dem "Merkblatt für Metallroste" für Gitterroste eine Weite von nur höchstens 1 cm empfohlen wird, gilt dies nur für öffentliche Verkehrswege. Für den Eingangsbereich eines privaten Wohnhauses gelten aber auch dann, wenn das Haus vermietet ist, nicht die gleichen strengen Sicherheitsanforderungen wie für öffentliche Verkehrswege.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil 11 U 65/15 vom 06.04.2017