• 04.11.2024 – Haben Vor-Ort-Apotheken noch eine Zukunft?

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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |

Haben Vor-Ort-Apotheken noch eine Zukunft?

 

Rasanter Rückgang, Kostenlast und Online-Druck gefährden die Versorgung vor Ort

Deutschland droht eine massive Versorgungslücke, denn die Zahl der Vor-Ort-Apotheken schrumpft rasant und hat den niedrigsten Stand seit Jahren erreicht. Nur noch knapp über 17.000 Apotheken stehen der Bevölkerung zur Verfügung – ein dramatischer Rückgang, der besonders in ländlichen Gebieten zu spüren ist. Steigende Kosten, ein starres Vergütungssystem und der Druck durch Online-Konkurrenz setzen die Apotheken vor Ort unter enormen Druck. Die ABDA fordert dringend politische Unterstützung, um die Schließungswelle zu stoppen und die Gesundheitsversorgung zu sichern. Doch die entscheidende Frage bleibt: Haben die Vor-Ort-Apotheken noch eine Zukunft?


Die Zukunft der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland steht zunehmend in Frage, da die Zahl der Apotheken weiter drastisch sinkt. Die jüngsten Erhebungen der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände) zeichnen ein alarmierendes Bild: Ende September 2024 gab es bundesweit nur noch 17.187 Apotheken. Im Vergleich zu Jahresbeginn sind das 384 Apotheken weniger – ein Rückgang, der in nur neun Monaten so stark ausfiel wie seit Jahren nicht. Zum ersten Mal nähert sich die Zahl der Apotheken der kritischen Marke von 17.000, und die Abwärtsspirale beschleunigt sich zunehmend.

Für viele Apothekerinnen und Apotheker ist die wirtschaftliche Situation angesichts der gestiegenen Betriebskosten und der seit Jahren stagnierenden Vergütung kaum noch tragbar. ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening sieht die Versorgungssicherheit bedroht und mahnt politische Entscheidungsträger zum Handeln. „Jede Apotheke, die schließen muss, verschlechtert die Versorgung für tausende Patientinnen und Patienten“, warnte Overwiening. In ländlichen Gebieten ist die Situation besonders angespannt: Viele Bewohner müssen zunehmend weite Strecken zurücklegen, um ihre Rezepte einzulösen und auf Beratung zurückzugreifen. Für ältere und mobil eingeschränkte Menschen wird der Zugang zu medizinischer Versorgung so stark erschwert.

Eine der zentralen Forderungen der ABDA ist eine längst überfällige Erhöhung der Apothekenvergütung, die seit Jahren unverändert geblieben ist. Angesichts steigender Kosten für Miete, Personal und Digitalisierung sei der bestehende Vergütungssatz nicht mehr tragfähig. „Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Apotheken müssen dringend verbessert werden“, betonte Overwiening. In der aktuellen Lage können sich viele Apotheken keine kostspieligen Digitalisierungsmaßnahmen leisten, obwohl sie notwendig wären, um die Effizienz zu steigern und moderne Services wie das E-Rezept oder die elektronische Medikamentenverwaltung anzubieten.

Die digitale Transformation des Gesundheitssystems eröffnet zwar Chancen, bringt aber auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Viele Apotheken sehen sich gezwungen, beträchtliche Investitionen zu tätigen, um mit Online-Apotheken und digitalen Gesundheitsplattformen konkurrieren zu können. Doch diese Umstellung ist mit hohen Kosten verbunden, die zahlreiche Betreiber zusätzlich belasten. Der schleppende Ausbau des E-Rezepts hat bisher kaum Entlastung gebracht. Stattdessen blicken Apothekeninhaber auf ein komplexes System voller neuer Anforderungen und Verwaltungspflichten, die den Arbeitsaufwand weiter erhöhen.

Ein weiteres drängendes Problem ist der gravierende Fachkräftemangel, der die Personalressourcen der Apotheken an ihre Grenzen bringt. Gerade in ländlichen Gebieten ist es für Apothekenbetreiber kaum noch möglich, ausreichend qualifiziertes Personal zu finden, um die notwendigen Öffnungszeiten und Beratungsleistungen sicherzustellen. Diese Engpässe führen dazu, dass viele Apotheken ihre Dienstleistungen einschränken müssen, was die Versorgungslage zusätzlich verschärft. Ausbildungsinitiativen und attraktive Anreize für Fachkräfte sind dringend erforderlich, um diese Lücke zu schließen, doch auch hierfür fehlt vielen Apotheken die finanzielle Grundlage.

In diesem angespannten Marktumfeld stellt sich immer häufiger die Frage: Haben die Vor-Ort-Apotheken noch eine Zukunft? Viele Experten warnen davor, dass sich die Apotheke vor Ort zu einem Luxusangebot entwickeln könnte, das sich nur noch wenige leisten können, sollte die Politik nicht gegensteuern. Apotheken sind nicht nur Lieferanten von Medikamenten, sondern auch wichtige Beratungsstellen, die persönliche und kompetente Unterstützung in Gesundheitsfragen bieten. Diese Rolle kann durch den digitalen Handel nicht vollständig ersetzt werden, wie Overwiening betont: „Eine Apotheke vor Ort ist unverzichtbar für eine sichere, flächendeckende Versorgung.“

Für die Apotheken selbst ergeben sich aus dieser Situation wesentliche Aufgaben: Sie müssen Wege finden, sich trotz der Widrigkeiten wirtschaftlich zu behaupten und gleichzeitig ihre Dienstleistungen zu erweitern. Viele setzen mittlerweile auf kostenpflichtige Zusatzleistungen oder entwickeln Kooperationen, um ihre Standorte zu sichern. Doch ohne langfristige politische und finanzielle Unterstützung droht vielen Apotheken die Schließung – mit gravierenden Folgen für die Patientenversorgung in Deutschland.

 
Kommentar:

Die Krise der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland ist kein Randthema mehr, sondern ein alarmierendes Zeichen für die strukturellen Schwächen im Gesundheitswesen. Seit Jahren wird die Apotheke am Ort als selbstverständlich angesehen, als ein Ort, an dem Rat, Medikamente und Gesundheitsdienste stets erreichbar sind. Doch dieser Standard, der für viele Menschen unverzichtbar ist, gerät zunehmend in Gefahr. Die aktuelle Entwicklung zeigt deutlich: Das Apothekenwesen kämpft ums Überleben – und ohne grundlegende Veränderungen in der Vergütungsstruktur und politischen Unterstützung könnte die „Apotheke um die Ecke“ bald der Vergangenheit angehören.

Der Rückgang der Apotheken hat vielschichtige Ursachen, die weit über wirtschaftliche Engpässe hinausreichen. Zum einen ist die starre Vergütungspolitik ein Problem: Die Honorare wurden seit Jahren nicht an die steigenden Kosten angepasst. Apothekenbetreiber müssen die wachsenden Betriebsausgaben – von Mieten und Personalkosten bis hin zu technischen Modernisierungen – aus einem gleichbleibenden Budget decken, das die Inflation und neue Anforderungen nicht berücksichtigt. Diese Überforderung zwingt viele Inhaber zum Aufgeben.

Die Digitalisierung, die als Retter im Gesundheitswesen gehandelt wird, stellt für viele Apotheken eher eine Belastung als eine Entlastung dar. Anstatt von Effizienzsteigerungen zu profitieren, sehen sich Betreiber mit hohen Investitionskosten und administrativen Herausforderungen konfrontiert, die ohne zusätzliche Finanzierung kaum zu bewältigen sind. Der schleppende Fortschritt beim E-Rezept ist nur ein Beispiel dafür, wie schwer sich die Branche mit der technologischen Transformation tut, wenn keine ausreichende Unterstützung vorhanden ist.

Hinzu kommt der Fachkräftemangel, der sich wie ein Mühlstein um den Hals der Apothekenbetreiber legt. Die Branche leidet nicht nur unter einem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern, sondern auch unter dem Problem, diese Fachkräfte langfristig zu halten. Die Arbeit in Apotheken ist anspruchsvoll, und gerade in ländlichen Gegenden sind Anreize wie flexible Arbeitszeiten, Weiterbildungsmöglichkeiten und faire Bezahlung notwendig, um Mitarbeiter zu gewinnen und zu binden. Doch dies alles kostet Geld, das vielen Apotheken schlicht fehlt.

Ohne eine Kehrtwende in der politischen Haltung könnte der Niedergang der Vor-Ort-Apotheken in Deutschland unaufhaltsam sein. Es braucht mehr als nur symbolische Lippenbekenntnisse zur Bedeutung der Apotheken: Was jetzt notwendig ist, sind konkrete Maßnahmen zur finanziellen Unterstützung, flexible Vergütungssysteme und ein klares Bekenntnis zur Aufrechterhaltung einer flächendeckenden, persönlichen Gesundheitsversorgung. Die „Apotheke vor Ort“ darf nicht als Relikt vergangener Zeiten verschwinden, sondern muss als moderner, unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens gestärkt werden – denn der Verlust dieser Institution hätte weitreichende Konsequenzen, die nicht nur Patienten, sondern das gesamte Gesundheitssystem betreffen würden.

Von Engin Günder, Fachjournalist

 

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