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Steuer & Recht |
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat am 22. August 2023 in einem wegweisenden Urteil eine Pkw-Herstellerin wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt. Diese wegweisende Entscheidung des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts stellt die erste Anwendung der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dar und basiert auf der Verwendung eines sogenannten "Thermofensters" (Aktenzeichen: 8 U 86/21 und 8 U 271/21).
Das Gericht folgte dabei den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 21. März 2023 (C-100/21) und des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 2023 (VIa ZR 335/21) und stellte fest, dass die Herstellerin in zwei Fällen fahrlässig eine unzulässige Abschalteinrichtung, nämlich das Thermofenster, verwendet hatte.
Die betroffenen Fahrzeuge waren mit 3.0-Liter-Dieselmotoren der Schadstoffklasse EU 5 ausgestattet, die über ein Thermofenster verfügten. Ein Thermofenster ist ein Temperaturbereich, innerhalb dessen die Rückführung von Abgasen in den Motor uneingeschränkt funktioniert, um die Stickoxidemissionen gemäß der EU 5-Norm zu reduzieren. Außerhalb dieses Temperaturbereichs wurde die Abgasrückführung abgesenkt, was dazu führte, dass die Stickoxidgrenzwerte nicht mehr eingehalten wurden.
In den vorliegenden Fällen reichte das Thermofenster von 17 bzw. 18°C bis 30 bzw. 33/34°C. Die Temperaturen entsprachen jedoch nicht den realen Bedingungen auf der Straße, da die Prüfstandstemperaturen, bei denen die Typgenehmigung gemessen wurde, auf 20 bis 30°C normiert waren.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte bereits in einem früheren Urteil entschieden, dass Thermofenster als unzulässige Abschalteinrichtungen anzusehen sind. Die Herstellerin konnte sich nicht auf den Schutz des Motors berufen (Urteil vom 14. Mai 2021 – 8 U 14/20). Gemäß der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und § 823 Abs. 2 BGB (in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV) genügt nun einfache Fahrlässigkeit, um eine Haftung des Pkw-Herstellers für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu begründen.
Der Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe sah in den vorliegenden Fällen die Fahrlässigkeit der Herstellerin als erwiesen an und wies deren Argumentation zurück, dass sie sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hätte. Die Revision gegen die drei Urteile wurde nicht zugelassen. Die Urteile in den Verfahren 8 U 271/21 und 8 U 236/21 sind somit rechtskräftig. Gegen das Urteil im Verfahren 8 U 86/21 kann hingegen innerhalb eines Monats beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt werden.
In einem vierten Verfahren (8 U 325/21) hat das Oberlandesgericht Karlsruhe die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeordnet, da der Kläger behauptet, dass in seinem Fahrzeug eine prüfstandbezogene Abschalteinrichtung in Form einer Lenkwinkelerkennung eingesetzt wurde. Dies könnte zu weiteren rechtlichen Konsequenzen führen, die über die Haftung für das Thermofenster hinausgehen.
Insgesamt markiert dieses Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe einen wichtigen Schritt in der Rechtsprechung bezüglich unzulässiger Abschalteinrichtungen in Dieselfahrzeugen und könnte weitere rechtliche Konsequenzen für die Automobilindustrie nach sich ziehen.
OLG Karlsruhe, Urteile 8 U 86/21 u. a. vom 22.08.2023
Von Engin Günder
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