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Steuer & Recht |
Ein zeitlich und fachlich beschränktes Vertretungsverbot wegen schwerer Verletzungen des anwaltlichen Berufsrechts ist laut BVerfG mit der Berufsfreiheit vereinbar.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass ein dreijähriges Vertretungsverbot im Familienrecht für eine Anwältin, die diverse anwaltliche Berufspflichten verletzt hat, mit der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit nach Art. 12 Grundgesetz (GG) vereinbar ist. Eine Verfassungsbeschwerde der Anwältin nahm es nicht zur Entscheidung an, weil sie nicht ausreichend begründet und damit unzulässig gewesen sei (Beschl. v. 26.04.2023, Az. 1 BvR 733/23).
Die entsprechende Sanktion hatte der Bayerischen Anwaltsgerichtshofs (BayAGH) ausgesprochen und damit eine vorherige Entscheidung der Rechtsanwaltskammer München abgemildert, die sie von der Rechtsanwaltschaft ausschließen wollte. Hintergrund dieser Sanktion waren viele Pflichtverstöße der seit mehr als 40 Jahren tätigen Anwältin, u. a.:
Trotz dieser gravierenden Verstöße und Vorstrafen sprach der BayAGH mit dem dreijährigen Vertretungsverbot in Familiensachen nur eine berufsrechtliche Strafe im mittleren Bereich aus. Zu ihren Lasten sei zwar berücksichtigen, dass sie eine Vielzahl von Pflichtverletzungen begangen und dabei in mehrfacher Hinsicht gegen Kardinalpflichten verstoßen habe, die das Leitbild des Anwaltsberufs prägten. Zu Gunsten der langjährig tätigen Anwältin hätten jedoch ebenfalls einige Faktoren gesprochen: So lägen die Vorstrafen bereits einige Jahre zurück. Auch hätte sie sich zumindest anlässlich des Gerichtsverfahrens geständig und reumütig gezeigt und um Schadensbegrenzung bemüht. Der Ausschluss sei die schärfste aller berufsrechtlichen Maßnahmen. Er müsse daher erforderlich sein, um einer Gefährdung der Rechtspflege und einer Minderung des Ansehens der Anwaltschaft entgegenzuwirken. Dies sei hier aber nach einer Gesamtwürdigung nicht der Fall gewesen.
Eine Revision zum BGH wurde abgelehnt. Nun hatte auch die Verfassungsbeschwerde zum BVerfG keinen Erfolg. Die Voraussetzungen von § 93a Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) seien nicht erfüllt; insbesondere habe die Anwältin eine Verletzung von Art. 12 GG nicht ausreichend dargelegt. Das BVerfG sah den hier vorliegenden Eingriff in die Berufsfreiheit – basierend auf der Argumentation der Anwältin – als gerechtfertigt an. Das Vertretungsverbot in Familiensachen finde seine rechtliche Grundlage in § 114 Abs. 1 Nr. 4 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) wegen schuldhafter Verletzung von Pflichten aus §§ 43, 43a BRAO. Gegen diese Rechtsgrundlagen bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch in der Anwendung dieser Normen durch den BayAGH konnte das BVerfG keine Grundrechtsverletzung erkennen.
Das Vertretungsverbot in Familiensachen sei keineswegs sachfremd, weil zumindest folgende wesentliche festgestellte Berufspflichtverletzungen im Familienrecht wurzelten: Die unterlassene Weiterleitung von Kindesunterhalt, die Preisgabe sensibler Daten im Internet, die herabwürdigenden Äußerungen über die Richterin. Dass weitere Pflichtverletzungen sich auf andere Rechtsgebiete oder gar den rechtsgebietsunabhängigen Auftritt bezogen, ändere nichts daran, dass die schwerpunktorientierte Wertung des BayAGH vertretbar gewesen sei.
Auch wirke das beschränkte Vertretungsverbot nicht wie ein Berufsverbot. Es stelle zwar eine äußerst spürbare Maßnahme dar – zumal sie laut BayAGH ca. 70 % ihrer Mandate im Familienrecht hat und auch Fachanwältin für dieses Rechtsgebiet ist. Allerdings bearbeite sie eben auch zu etwa 30 % andere Rechtsgebiete. Die Annahme des BayAGH, sie könne diese durch Umorganisation noch ausweiten und somit dennoch weiter als Anwältin arbeiten, sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch ansonsten begründe der BayAGH die Verhältnismäßigkeit des Vertretungsverbots eingehend und unter besonderer Beachtung der beruflichen und persönlichen Situation der Anwältin und der wirtschaftlichen Folgen für diese.
Beschluss 1 BvR 733/23 des BVerfG vom 26.04.2023
Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer
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