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Steuer & Recht |
Körperschaftsteuererhöhungspotenzial
Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass § 38 Abs. 5 und 6 in Verbindung mit § 34 Abs. 16 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 vom 20. Dezember 2007 (JStG 2008) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar ist.
Die Regelung ist Teil der Übergangsvorschriften für den Systemwechsel vom körperschaftsteuerrechtlichen Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Während der Geltung des Anrechnungsverfahrens wurde das verwendbare Eigenkapital einer Gesellschaft entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene „Eigenkapitaltöpfe“ (EK) gegliedert. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden unter anderem im sog. EK 02 erfasst. Im Falle der Ausschüttung dieses Eigenkapitals wurde es bei Verlassen der steuerbefreiten Sphäre auf der Ebene der Körperschaft mit (zuletzt) 30 % nachbelastet. Beim Anteilseigner wurde die Ausschüttung – unter Anrechnung der von der Kapitalgesellschaft entrichteten Körperschaftsteuer – mit dessen individuellem Einkommensteuersatz besteuert. Unter dem Halbeinkünfteverfahren erfolgt im Falle der Ausschüttung keine Nachbelastung der von der Körperschaft steuerfrei erwirtschafteten Gewinne; beim Anteilseigner unterliegt die Ausschüttung nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60 %) der Einkommensteuer.
Nach der ursprünglichen Übergangsregelung zur Einführung des Halbeinkünfteverfahrens durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (StSenkG) sollte das alte EK 02 nur noch bis zum Ablauf eines 15-jährigen (später auf 18 Jahre erweiterten) Übergangszeitraums im Falle seiner Ausschüttung mit 30 % nachbelastet werden. Durch das Jahressteuergesetz 2008 wurde mit § 38 Abs. 5 und 6 KStG stattdessen eine pauschale ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des noch vorhandenen EK 02 mit 3 % Körperschaftsteuer eingeführt. Gemäß § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) konnten sich bestimmte Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft und steuerbefreite Körperschaften auf Antrag unter Fortgeltung der bisherigen Rechtslage von der Anwendung dieser Regelung befreien lassen. Das hat zur Folge, dass es für diese Unternehmen nur im Falle einer Ausschüttung während des 18-jährigen Übergangszeitraums zu einer Nachbelastung des EK 02 kommt, während der EK 02-Bestand anderer Körperschaften zwingend – das heißt unabhängig davon, ob er ausgeschüttet wird oder nicht – gemäß § 38 Abs. 5 und 6 KStG nachbelastet wird.
Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG ist zwar für sich genommen sowohl mit dem allgemeinen Gleichheitssatz als auch mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes sowie dem Schutz des Eigentums und der allgemeinen Handlungsfreiheit vereinbar. Sie verstößt jedoch in Verbindung mit dem in § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG vorgesehenen Antragswahlrecht bestimmter Körperschaften gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Ausnahmeregelung bewirkt eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung von Körperschaften, die nicht gerechtfertigt ist.
Nach dem bis Ende 2000 geltenden Anrechnungsverfahren wurden nicht ausgeschüttete steuerbare Gewinne von Körperschaften mit (zuletzt) 40 % Körperschaftsteuer belastet (Tarifbelastung). Kam es später zu Gewinnausschüttungen, reduzierte sich der Steuersatz auf (zuletzt) 30 % (Ausschüttungsbelastung). Für die Körperschaft entstand so ein Körperschaftsteuerminderungspotenzial in Höhe der Differenz zwischen Tarif- und Ausschüttungsbelastung. Das verwendbare Eigenkapital der Gesellschaft wurde entsprechend seiner Vorbelastung mit Körperschaftsteuer in verschiedene „Eigenkapitaltöpfe“ (EK) gegliedert. Eine Belastung des einbehaltenen Gewinns mit 40 % wurde im sog. EK 40 vermerkt. Steuerfreie Vermögensmehrungen wurden im „EK 0“ erfasst. Dieses unterteilte sich in die nach Doppelbesteuerungsabkommen steuerfreien ausländischen Gewinne und Verluste (EK 01), Altrücklagen aus den Jahren vor 1977 (EK 03), offene und verdeckte Einlagen der Gesellschafter (EK 04) sowie sonstige der Körperschaftsteuer nicht unterliegende Vermögensmehrungen (EK 02). Das EK 02 und das EK 03 wurden beim Verlassen der steuerbefreiten Sphäre mit dem Ausschüttungssteuersatz von 30 % nachbelastet, sie enthielten also ein Körperschaftsteuererhöhungspotenzial.
Den Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete der Gesetzgeber durch die mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (StSenkG) neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügten §§ 36 bis 40 KStG. Gemäß § 36 KStG wurden die unterschiedlich mit Körperschaftsteuer belasteten Teilbeträge des Eigenkapitals in mehreren Umrechnungsschritten zusammengefasst, umgegliedert und die so ermittelten Endbestände gesondert festgestellt. Diese Feststellung bildete die Grundlage für die Ermittlung des Körperschaftsteuerguthabens nach § 37 Abs. 1 KStG einerseits und der Nachbelastung mit Körperschaftsteuer gemäß § 38 KStG andererseits.
Wurde ein positiver EK 02-Endbetrag festgestellt, so war dieser gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 KStG (in der Fassung des StSenkG) zum Schluss der folgenden Wirtschaftsjahre fortzuschreiben und gesondert festzustellen. Er verringerte sich in den Folgejahren gemäß § 38 Abs. 1 Satz 4 KStG (in der Fassung des StSenkG), soweit er gemäß § 38 Abs. 1 Satz 5 KStG (in der Fassung des StSenkG) als für Gewinnausschüttungen verwendet galt. Die Körperschaftsteuer erhöhte sich gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 und 3 KStG (in der Fassung des StSenkG) im Übergangszeitraum von 15 (später 18) Jahren um 3/7 des Betrags einer Gewinnausschüttung, für die ein Teilbetrag aus dem EK 02 als verwendet galt.
Mit dem JStG 2008 wurden die verfahrensgegenständlichen Vorschriften des § 38 Abs. 5 und 6 KStG zur ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung von EK 02 eingeführt. Danach wird der am 31. Dezember 2006 noch vorhandene Bestand des EK 02 mit 3 % verwendungsunabhängig besteuert. Das entspricht einer Besteuerung von 10 % des restlichen EK 02-Bestandes mit der früheren Ausschüttungsbelastung von 30 %. Der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag ist begrenzt auf den Betrag, der sich ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr gesamtes laut Steuerbilanz bestehendes Eigenkapital für eine Ausschüttung verwenden würde. Die sich daraus ergebende Körperschaftsteuererhöhung war in den Jahren 2008 bis 2017 in zehn gleichen Jahresbeträgen zu entrichten.
Die Vorgängerregelung des § 38 KStG (in der Fassung des StSenkG) war auf Antrag weiter anzuwenden für bestimmte Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft, insbesondere solche, an denen die öffentliche Hand mit mindestens 50 % (auch mittelbar) beteiligt ist, sowie für steuerbefreite Körperschaften (§ 34 Abs. 16 KStG). Das hat zur Folge, dass der EK 02-Bestand dieser Unternehmen auf entsprechenden Antrag abweichend von § 38 Abs. 5 und 6 KStG nur im Falle einer Ausschüttung nachbelastet wird.
Die Beschwerdeführerin, ein nicht von § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) erfasstes Wohnungsunternehmen, begehrte unter Bezugnahme auf diese Vorschrift, von der ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung ihres EK 02-Bestandes abzusehen. Dies lehnte das Finanzamt ab und stellte zugleich einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag fest. Die hiergegen vor den Fachgerichten erhobene Klage der Beschwerdeführerin blieb erfolglos. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG), des Rückwirkungsverbots (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG) sowie der Freiheit von Abgaben (Art. 2 Abs. 1 GG) beziehungsweise der Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 GG) durch die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags.
Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist teilweise begründet.
I. Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG (in der Fassung des JStG 2008) ist – für sich betrachtet – mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.
1. Es ist schon fraglich, ob die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung thesaurierter Gewinne der Körperschaft, die diese steuerfrei vereinnahmt hat und die deshalb im EK 02 abgebildet sind, durch das Übergangsrecht eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung bedeutet. Zwar weicht sie von der Besteuerung solcher Gewinne sowohl unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens als auch unter der Geltung des Halb- beziehungsweise (seit 2009) des Teileinkünfteverfahrens ab. Ob und welche Bindungswirkung den neuen und/oder den alten Grundentscheidungen des Gesetzgebers für die Körperschaftbesteuerung nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1 GG für das Übergangsrecht zukommt, insbesondere ob und inwieweit sich dieses mit Blick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Umstrukturierung komplexer Regelungssysteme von beiden lösen darf, ohne dass dies eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung darstellt, kann jedoch offenbleiben.
2. Denn jedenfalls ist die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 gerechtfertigt. Prüfungsmaßstab ist insoweit allein das Willkürverbot. Für die Regelung bestehen sachliche Gründe.
a) Der Gesetzgeber hat die Umstellung der Realisierung des Körperschaftsteuererhöhungspotenzials von dem ursprünglich ausschüttungsabhängigen auf ein ausschüttungsunabhängiges System nachvollziehbar damit gerechtfertigt, dass das ausschüttungsabhängige System sehr aufwendig sei. Einen nennenswerten Vereinfachungseffekt hatte § 38 KStG (in der Fassung des JStG 2008) bei grenzüberschreitenden Sachverhalten, die der Gesetzgeber insbesondere im Blick hatte. Die Vereinfachung ergab sich daraus, dass durch die pauschale Nachbelastung des EK 02 komplizierte Sonderregelungen für diese Fälle obsolet wurden.
b) Ein sachlicher Grund für die pauschalierte Nachbelastung des EK 02 ist ferner die vom Gesetzgeber angestrebte Behebung einer faktischen Ausschüttungssperre. In der zum JStG 2008 durchgeführten Sachverständigenanhörung vor dem Finanzausschuss ist der ausschüttungsabhängigen Nachbelastung wegen der Beschränkung auf einen Übergangszeitraum von 18 Jahren eine „weitestgehend prohibitive Wirkung“ attestiert worden. Zu deren Beseitigung wurde die pauschalierte Nachbelastung als richtiger Weg bezeichnet und auch der Steuersatz von 3 % überwiegend als angemessen erachtet.
c) Schließlich trägt auch der Gedanke einer Gestaltung des gesamten Übergangsrechts nach Maßgabe einer fiktiven Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung. Der Gesetzgeber hat der Gestaltung der Übergangsregelungen der §§ 36 ff. KStG insgesamt den Gedanken einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels zugrunde gelegt. Das ist, auch soweit dies zu einer Körperschaftsteuererhöhung führt, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Steuerpflichtigen hatten schon unter dem Anrechnungsverfahren – jedenfalls dem Grunde nach – spätestens für den Zeitpunkt der Liquidation mit einer Nachbelastung des EK 02 rechnen müssen. Die Fortdauer der Nachbelastung des EK 02 unter dem Übergangsrecht trotz Wegfalls der Anrechnung beim Anteilseigner trägt vor diesem Hintergrund dem berechtigten Interesse des Gesetzgebers an einer Gegenfinanzierung des von ihm angestrebten und gemäß Art. 14 Abs. 1 GG gebotenen weitgehenden Erhalts des Körperschaftsteuerminderungspotenzials durch das Übergangsrecht Rechnung.
Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung ist danach jedenfalls insoweit gerechtfertigt, als es – wie im Fall der Beschwerdeführerin – bei einer Vollausschüttung im Zeitpunkt des Systemwechsels zu einer Verwendung des EK 02 gekommen wäre. Der Gesetzgeber hat die Nachbelastung liquiditätsschonend vorgenommen, indem er die Entrichtung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags auf zehn Jahre verteilt hat. Möglichen Verlusten seit der Feststellung der Endbestände des verwendbaren Einkommens gemäß § 36 KStG (in der Fassung des StSenkG) hat er typisierend dadurch Rechnung getragen, dass er rechnerisch nur 10 % des verbliebenen EK 02-Bestandes der Ausschüttungsbelastung von 30 % unterworfen und zudem die Körperschaftsteuererhöhung auf den Betrag begrenzt hat, der sich bei einer Vollausschüttung des Eigenkapitals laut Steuerbilanz am 31. Dezember 2006 ergeben hätte.
II. Die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG (in der Fassung des JStG 2008) ist für sich genommen auch mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar.
1. Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den grundrechtlich geschützten Interessen der Betroffenen sowie den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Allgemeiner Vertrauensschutz ist nicht nur objektivrechtlich durch das Rechtsstaatsprinzip garantiert, sondern zugleich eine Dimension der subjektivrechtlichen Grundrechtsverbürgung.
Eine echte Rückwirkung, bei der die Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon für vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen“), ist grundsätzlich verfassungsrechtlich unzulässig. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung“), liegt eine unechte Rückwirkung vor, die nicht grundsätzlich unzulässig ist. Der Gesetzgeber muss aber dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein.
2. a) Nach diesen Maßstäben ordnet § 38 Abs. 5 und 6 KStG (in der Fassung des JStG 2008) eine unechte Rückwirkung mit belastender Wirkung an. Die Regelung knüpft an den gemäß § 36 Abs. 7 KStG (in der Fassung des StSenkG) festgestellten und gemäß § 38 Abs. 1 KStG (in der Fassung des UntStFG) fortgeschriebenen Endbetrag des EK 02 für die Zukunft andere, potenziell belastendere Rechtsfolgen als der bis dahin geltende § 38 Abs. 2 KStG (in der Fassung des StVergAbG). Sie belastet jedenfalls solche Unternehmen, die in dem maßgeblichen Zeitraum zwischen den Jahren 2007 und 2019 weniger als 10 % des verbliebenen EK 02-Bestandes ausschütten wollten oder konnten.
b) Die unechte Rückwirkung der Umstellung auf die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung ist jedoch gerechtfertigt.
aa) Zwar trat § 38 KStG (in der Fassung des JStG 2008) an die Stelle einer Regelung, die während des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren nur eine ausschüttungsabhängige Nachbelastung begrenzt auf einen bestimmten Übergangszeitraum vorsah. Die Änderung einer befristeten Übergangsvorschrift unterliegt aber unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur dann besonderen Anforderungen, wenn sie ihrerseits aus Vertrauensschutzgründen erlassen worden ist; mit einer solchen Regelung schafft der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand. Das war hier indes nicht der Fall. Dass der Zeitraum, in dem noch eine Nachbelastung stattfinden sollte, auf zunächst 15 und später 18 Jahre beschränkt worden ist, war keine vertrauensschützende Maßnahme, sondern dem Umstand geschuldet, dass für die Körperschaftsteuerminderung und die Körperschaftsteuererhöhung ein einheitlicher Übergangszeitraum gelten sollte.
bb) Andere Umstände, die eine besondere Schutzwürdigkeit des Vertrauens der Steuerpflichtigen, nur im Falle einer Ausschüttung und längstens bis zum Ablauf des Übergangszeitraums mit der Nachbelastung des EK 02 rechnen zu müssen, begründen könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Gegenüber dieser allgemeinen Erwartung überwiegt das Änderungsinteresse des Gesetzgebers. Bei einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe ist hier die Grenze der Zumutbarkeit für die Steuerpflichtigen gewahrt.
III. Aus den zuvor genannten Gründen verletzt die ausschüttungsunabhängige Nachbelastung des EK 02 durch § 38 Abs. 5 und 6 KStG (in der Fassung des JStG 2008) auch weder das aus Art. 14 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot einer übermäßigen Steuerbelastung noch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit der betroffenen steuerpflichtigen Körperschaften.
IV. § 38 Abs. 5 und 6 KStG verstößt jedoch in Verbindung mit dem in § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG vorgesehenen Antragswahlrecht bestimmter Körperschaften gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Während durch § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft sowie steuerbefreiten Körperschaften das Recht auf Fortgeltung der bisherigen Rechtslage eingeräumt wird mit der Folge, dass es nur im Falle einer Ausschüttung zu einer Nachbelastung des EK 02 kommt, sind die nicht von der Regelung erfassten Unternehmen zwingend von der pauschalen Nachbelastung nach § 38 Abs. 5 KStG betroffen.
Da diese Ungleichbehandlung insbesondere im Verhältnis zwischen nicht privilegierten privaten Wohnungsunternehmen einerseits und privilegierten Wohnungsunternehmen andererseits nach Zahl und – je nachdem, in welcher Höhe sie im Übergangszeitraum jeweils tatsächlich Ausschüttungen vorgenommen hätten – auch nach dem Umfang erheblich ist, stellt sie die lastengleiche Besteuerung insgesamt in Frage. Sie ist deshalb für die Besteuerung der nicht von der begünstigenden Regelung betroffenen steuerpflichtigen Körperschaften rechtfertigungsbedürftig.
2. Die Ungleichbehandlung zwischen den durch § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG privilegierten Körperschaften und den von der Begünstigung ausgeschlossenen Körperschaften ist nicht gerechtfertigt.
a) Geboten ist eine über die reine Willkürprüfung hinausgehende Verhältnismäßigkeitskontrolle, weil die Ungleichbehandlung sich auf die Ausübung der nach Art. 12 Abs. 1 GG (in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG) gewährleisteten Berufsfreiheit der betroffenen Unternehmen auswirkt. Die Erhebung von Steuern und sonstigen Abgaben greift in den Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG ein, wenn sie in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs steht und objektiv deutlich eine berufsregelnde Tendenz erkennen lässt. Das ist bei § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) der Fall.
Die Verschonungsregelung beschränkt den Kreis der Körperschaftsteuerpflichtigen, die der ausschüttungsunabhängigen Nachbelastung durch einen Antrag auf Fortgeltung der ausschüttungsabhängigen Nachbelastung entgehen können, soweit sie Wohnungsunternehmen betrifft, anhand eines Tätigkeitskatalogs. Sie begünstigt Unternehmen, die ihre Umsatzerlöse überwiegend durch Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, durch Betreuung von Wohnbauten oder durch die Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen oder Eigentumswohnungen erzielen. Damit knüpft sie für die steuerrechtliche Privilegierung unmittelbar an bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten an und greift gerade nicht ungeachtet der jeweiligen Art der beruflichen Betätigung.
Die Regelung dient erkennbar der Förderung wohnungswirtschaftlicher Belange. Indem sie die Förderung auf bestimmte Wohnungsunternehmen, insbesondere solche, an denen die öffentliche Hand oder gemeinnützige Körperschaften mit mindestens 50 % (auch mittelbar) beteiligt sind, und Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften beschränkt, kommt ihr ebenso wie einer direkten Subventionierung nur eines begrenzten Kreises von Unternehmen eine objektiv berufsregelnde Tendenz zu.
b) Der Gesetzgeber verfolgt mit § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG grundsätzlich ein legitimes Ziel. Er beabsichtigte, solchen Unternehmen ein Wahlrecht zwischen der pauschalen Nachbelastung und einer Fortgeltung der bisherigen Rechtslage einzuräumen, die regelmäßig einem öffentlichen oder gesetzlich festgelegten besonderen Zweck dienen, der auch strukturelle Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das Ausschüttungsverhalten hat. Ziel war danach die Differenzierung anhand der Ausschüttungsneigung von Körperschaften, die noch über EK 02-Bestände verfügen. Das ist vor dem Hintergrund der mit § 38 KStG intendierten Vereinfachung und Behebung einer faktischen Ausschüttungssperre verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
c) Die vom Gesetzgeber in § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) gewählten Differenzierungskriterien sind jedoch ungeeignet, Unternehmen, die grundsätzlich ausschüttungsgeneigt sind, von solchen Unternehmen abzugrenzen, von denen keine oder nur geringe Ausschüttungen zu erwarten sind. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers. Mit den gewählten Kriterien kann ein typischer Fall nicht realitätsgerecht erfasst werden.
aa) Feststellungen zu einer unterschiedlichen Ausschüttungsneigung der privilegierten Körperschaften einerseits und der nicht privilegierten Körperschaften, insbesondere der privaten Wohnungsunternehmen, andererseits sind im Gesetzgebungsverfahren, soweit ersichtlich, nicht getroffen worden. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Eignung der gewählten Differenzierungskriterien sind auch im vorliegenden Verfahren nicht vorgetragen worden.
bb) Hinreichende normative Anknüpfungspunkte für die vom Gesetzgeber vorgenommene Typisierung liegen ebenfalls nicht vor.
(1) Nach dem Vortrag der Bundesregierung ist das verbindende Element der beiden in § 34 Abs. 16 Satz 1 Nr. 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) genannten Gruppen von Wohnungsunternehmen (Körperschaften, an denen unmittelbar oder mittelbar die öffentliche Hand oder gemeinnützige Körperschaften zu mindestens 50 % beteiligt sind) deren spezifische Gemeinwohlbindung. Daraus lässt sich jedoch unter Berücksichtigung der normativen Bindungen, denen ein wirtschaftliches Handeln dieser Rechtsträger unterliegt, nicht ableiten, dass sie mit der Hingabe von Eigenkapital für eine wohnungswirtschaftliche Betätigung anders als andere Anteilseigner in erster Linie die Verwirklichung des gemeinen Wohls in Form der Bereitstellung von Wohnraum und nicht die Erwirtschaftung einer Rendite bezwecken.
(a) Für die Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts an Wohnungsunternehmen ergibt sich dies insbesondere nicht aus den Gemeindeordnungen der Länder. Zwar greifen die landesrechtlichen Regelungen über gemeindliche Wirtschaftstätigkeit nicht nur für Gemeinden selbst, sondern auch für rechtlich verselbständigte Unternehmen, sofern die Gemeinde das Unternehmen beherrscht und somit die Vorgaben des öffentlichen Rechts faktisch durchsetzen kann. Dafür bedarf es allerdings eines über 50 % liegenden Anteils. Demgegenüber verlangt § 34 Abs. 16 Satz 1 Nr. 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) lediglich eine Mindestbeteiligung von genau 50 %. Bei einer Beteiligung von 50 % kann der Gesellschafter zwar auf ein bestimmtes Verhalten hinwirken, ihm stehen jedoch für dessen Durchsetzung mangels Mehrheitsbeteiligung in der Regel keine gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten zur Verfügung.
Des Weiteren sind die landesrechtlichen Bestimmungen, denen Gemeinden bei der Beteiligung an privatrechtlichen Wohnungsunternehmen unterworfen sind, heterogen. Teilweise gelten Einrichtungen, die der Wohnraumversorgung dienen, als nichtwirtschaftliche Unternehmen, sodass sie nicht an die Normen über die gemeindliche wirtschaftliche Betätigung gebunden sind. Soweit diese Normen Anwendung finden, hängt die Antwort auf die Frage, ob überhaupt Ausschüttungen vorgenommen werden können und wie hoch diese ausfallen, im Wesentlichen davon ab, inwieweit die Unternehmen die Entgelte für ihre Dienstleistungen über eine reine Kostendeckung hinaus kalkulieren dürfen. Dies wird maßgeblich von dem Rechtsrahmen für die Erwirtschaftung von Gewinnen durch die Unternehmen mit einer Beteiligung der öffentlichen Hand geprägt, dessen Inhalt bislang nicht annähernd geklärt ist. Jedenfalls sind die landesrechtlichen Bestimmungen für die Gewinnerzielung ganz unterschiedlich ausgestaltet. Daher lässt sich eine regelmäßige rechtliche Auswirkung des öffentlichen Zwecks auf die sich an die Gewinnerzielung anschließende Ausschüttung nicht feststellen.
(b) Auch bei der Beteiligung von gemeinnützigen Körperschaften bestehen nach dem gesetzlichen Rahmen keine Auswirkungen auf die Ausschüttungsmöglichkeit oder das Ausschüttungsverhalten. Zwar dienen gemeinnützige Körperschaften einem gesetzlich festgelegten besonderen Zweck im Sinne von § 52 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und sind selbst nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO gehindert, Ausschüttungen an ihre Mitglieder vorzunehmen. Das hindert Ausschüttungen eines Wohnungsunternehmens, an dem die steuerbefreite Körperschaft (mit mindestens 50 %) beteiligt ist, jedoch nicht.
(2) Der gesetzlich festgelegte besondere Zweck, dem Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG (in der Fassung des JStG 2008) dienen, hat ebenfalls keine nennenswerten Auswirkungen auf die Ausschüttungsmöglichkeit und das Ausschüttungsverhalten dieser Körperschaften. Der für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften geltende § 1 Abs. 1 GenG ordnet an, dass deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Zweckbetrieb zu fördern. Zugleich stellt der Förderzweck das charakteristische Merkmal der Rechtsform der Genossenschaft dar. Zwar widerspricht deshalb eine als Selbstzweck verfolgte Gewinnerzielungsabsicht den genossenschaftlichen Grundprinzipien. Allerdings steht dem eine Beteiligung der Mitglieder am wirtschaftlichen Erfolg durch Gewinnausschüttungen oder durch Gewährung sonstiger geldwerter Vorteile nicht entgegen.
(3) Bei den nach § 34 Abs. 16 Satz 1 (am Ende) KStG (in der Fassung des JStG 2008) unabhängig von einer wohnungswirtschaftlichen Tätigkeit privilegierten steuerbefreiten Körperschaften ist angesichts der Heterogenität der Steuerbefreiungen nach § 5 KStG schon ein (einheitlicher) gesetzlich festgelegter besonderer Zweck nicht feststellbar. Zwar beruhen die unterschiedlichen Steuerbefreiungstatbestände jeweils auf staats-, sozial- oder wirtschaftspolitischen Gründen, die im weiteren Sinne übereinstimmend in Gemeinwohlzwecken dienendem, selbstlosem bürgerschaftlichen Handeln gründen. Jedoch enthält § 5 Abs. 1 KStG 2002 ein Nebeneinander von im Einzelnen höchst unterschiedlichen sachlichen oder persönlichen Steuerbefreiungstatbeständen ohne klare teleologische Leitlinie, die überdies wechselnde lenkungspolitische Ziele verfolgen. Angesichts der verschiedenartigen Ziele der von der Steuerbefreiung erfassten Körperschaftsteuersubjekte ist für den in den Gesetzesmaterialien zum JStG 2008 angenommenen einheitlichen besonderen gesetzlichen Zweck, der Auswirkungen auf die Ausschüttungen dieser Steuerpflichtigen haben soll, nichts ersichtlich.
V. Wegen der Unvereinbarkeit von § 38 Abs. 5 und 6 KStG (in der Fassung des JStG 2008) in Verbindung mit § 34 Abs. 16 Satz 1 KStG (in der Fassung des JStG 2008) mit dem allgemeinen Gleichheitssatz verletzen auch der angegriffene Bescheid des Finanzamts über die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags nach § 38 Abs. 5 und 6 KStG sowie die angegriffenen fachgerichtlichen Urteile die Beschwerdeführerin in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.
VI. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31. Dezember 2023 rückwirkend zu beseitigen. Diese Verpflichtung erfasst alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf den für verfassungswidrig erklärten Vorschriften beruhen. Bis zu einer Neuregelung dürfen Gerichte und Verwaltungsbehörden die Normen im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit nicht mehr anwenden, laufende Verfahren sind auszusetzen.
Beschluss 2 BvR 988/16 vom 07.12.2022
Quelle: Bundesverfassungsgericht
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