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Steuer & Recht |
Belässt der Grundstückskäufer ohne angemessene Vergütung dem Verkäufer (oder einem Dritten) Nutzungsrechte an dem Grundstück (Nießbrauchs- und Wohnungsrechte), liegt darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingibt und der deshalb in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist.
Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 zu einem Kaufpreis von 133.000 Euro (inklusive Inventar in Höhe von 30.000 Euro) zwei Flurstücke, von denen eines mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Die Klägerin war seit 1995 Mieterin einer Wohnung in dem Gebäude, an dem für den Bruder der Veräußerin, Herrn C, bereits im Jahr 2003 ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt worden war. Für das zweite Flurstück bestand ein Nießbrauchsrecht des C. Das Wohnungsrecht wurde von C am 4. Mai 2021 zur Eintragung im Grundbuch angemeldet und am 4. Juni 2021 eingetragen. Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 werden das Wohnungsrecht und das Nießbrauchsrecht als bestehende Belastung aufgeführt. Der Gesamtwert des übernommenen Wohnungsrechts beträgt unstreitig 146.328 Euro.
Das beklagte FA setzte mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 2. Juli 2021 die Grunderwerbsteuer in Höhe von 12.466 Euro fest. Als Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer berücksichtigte das FA den um den Wert des Inventars gekürzten Kaufpreis (103.000 Euro) und erhöhte ihn um den Wert des Wohnungsrechts (146.328 Euro). Die Klägerin war anders als das FA der Auffassung, das Wohnungsrecht dürfe die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer nicht erhöhen. Der Kaufpreis entspreche dem Verkehrswert des Grundstücks. Das dingliche Wohnungsrecht diene allein dazu, das vermächtnisweise erworbene Nutzungsrecht von C abzusichern.
Das Finanzgericht bestätigte die Auffassung des FA und wies die Klage ab.
Dem Grunderwerbsteuergesetz liege in §§ 8 und 9 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) ein eigenständiger, über das bürgerlich-rechtliche Verständnis hinausgehender Gegenleistungsbegriff zugrunde, der darauf abziele, die Gegenleistung so umfassend wie möglich zu erfassen. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG gelte als Gegenleistung bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nutzungen seien gemäß § 100 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) u. a. die Vorteile, welche der Gebrauch der Sache oder des Rechts gewähre. Sie gebührten nach § 446 Satz 2 BGB von der Übergabe der Sache an dem Käufer. Der Verkäufer sei grundsätzlich verpflichtet, eine Sache frei von Rechtsmängeln (§§ 433 Abs. 1, 435 BGB) zu übergeben. Werde die Norm vertraglich abbedungen, belasse der Grundstückskäufer also die Nutzungen dem Verkäufer (oder einem Dritten) über diesen Zeitpunkt hinaus, liege darin ein geldwerter Vorteil, den der Käufer für den Erwerb der Sache hingebe. Dies rechtfertige die Einbeziehung der dem Verkäufer bzw. einem Dritten vorbehaltenen Nutzungen in die Gegenleistung. Erfasst seien Nutzungen aller Art, namentlich Nießbrauchs- und Wohnungsrechte. Sie könnten entweder neu begründet werden oder bereits bestehen. Unerheblich sei auch, wenn diese gegenüber einem Dritten eingeräumt würden.
Wenn jedoch der Grundstücksverkäufer die vorbehaltenen Nutzungen angemessen vergüte, liege in der Nutzungsüberlassung keine Gegenleistung für das Grundstück i. S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Ob sich der Verkäufer Nutzungen ohne angemessenes Entgelt vorbehalten habe, sei durch Auslegung des Kaufvertrags zu ermitteln.
Nach diesen Maßstäben seien die dem C vorbehaltenen Nutzungen in die Bemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG einzubeziehen. Im Kaufvertrag vom 26. Mai 2021 hätten die Beteiligten das Wohnungsrecht ausdrücklich festgehalten. Zudem sei es auch bei den Rechtsmängeln (§ 435 BGB) angeführt. Diese Vereinbarungen könnten nicht anders verstanden werden, als dass mit Zustimmung der Klägerin das Wohnrecht des C bestehen bleibe und sie von ihrem Recht nach § 446 S. 2 BGB keinen Gebrauch gemacht habe. Der Notar habe insbesondere daraufhin hingewiesen, dass im Übrigen ein lastenfreier Übergang geschuldet werde. Eine Vergütung für die vorbehaltenen Nutzungen sei nicht geleistet worden. Es sei zwar richtig, dass das dingliche Wohnungsrecht vorliegend noch nicht zur Eintragung gelangt sei. Allerdings belege der Umstand, dass die Klägerin den Kaufvertrag mit der Kenntnis, dass dieses zur Eintragung gelangen werde, unterzeichnet habe, dass sie auch weiterhin an der Nutzung durch Herrn C festhalten wollte. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin mit C in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebe.
Dass das Wohnungsrecht von C (schuldrechtlich) nicht neu begründet worden sei, sondern fortbestehe, sei unerheblich. Entscheidend sei vielmehr, dass die Klägerin auf ihren Anspruch einer rechtsmängelfreien Übertragung verzichtet und damit einen geldwerten Vorteil geleistet habe (§ 446 Satz 2 BGB). Sie habe es gerade bei der bisherigen Belastung belassen und diese übernommen. Daher komme es auch nicht darauf an, ob die dingliche Belastung durch Eintragung in das Grundbuch bereits bestanden habe oder neu begründet worden sei. Im zu entscheidenden Fall habe die Klägerin auf die Nutzungen aus dem Grundstück verzichtet. Erst unter Berücksichtigung des Wohnungsrechts habe die Veräußerin einen angemessenen Kaufpreis (ca. 260.000 Euro) erhalten.
Die Revision wurde mit Blick auf ein beim Bundesfinanzhof anhängiges Verfahren (Az. II R 5/22, vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. März 2021 12 K 12271/19) zugelassen.
Urteil 5 K 2500/21 vom 08.07.2022 (nrkr - BFH-Az.: II R 32/22)
Quelle: Finanzgericht Baden-Württemberg, Newsletter 3/2022
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