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Die anhaltend hohen Energiepreise, die steigende Inflation und die damit verbundenen Kaufkraftverluste belasten weiterhin die Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Laut Umfragen liegen sowohl die Geschäftserwartungen der Unternehmen als auch das Konsumklima nach wie vor auf Tiefständen. Demgegenüber stehen aber auch einige Erfolge: So ist es der Industrie gelungen, seit Jahresbeginn gut 20 % ihres Gasverbrauchs einzusparen und unabhängiger von russischem Erdgas zu werden. Ein Großteil dieser Einsparungen ist auf gesteigerte Effizienz zurückzuführen, da sich die Wirtschaftsleistung vergleichsweise stabil hält. Zudem haben Unternehmen in ihrer Produktion Gas teilweise durch alternative Energiequellen substituieren können. Die Gasspeicher sind seit Anfang November zu über 99 % gefüllt. Zudem ist die Wirtschaft laut der Schnellmeldung des Statistischen Bundesamts vom 28. Oktober im dritten Quartal entgegen den Erwartungen um preisbereinigt +0,3 % gegenüber dem Vorquartal gewachsen.
Die weiteren Aussichten sind dennoch stark eingetrübt. Die Industrieproduktion insgesamt ist zwar am aktuellen Rand stabil, im Berichtsmonat September wuchs sie um 0,7 %. Deutliche Rückgänge waren aber bereits seit Jahresanfang in den energieintensiven Bereichen des Verarbeitenden Gewerbes zu verzeichnen – sie liegen rund zehn Prozent unter dem Niveau vom Jahresanfang. Zudem waren die Auftragseingänge auch im September stark rückläufig (-4,0 %) und sprechen für eine weiter abkühlende Nachfrage. Auch der Ausblick für den Außenhandel bleibt pessimistisch: Im September lagen sowohl Ausfuhren als auch Einfuhren im Minus. Der Anstieg der Verbraucherpreise erreichte derweil im Oktober einen neuen Höchstwert von +10,4 % gegenüber Vorjahr. Dies ist der höchste Wert seit über 70 Jahren.
Unter dem Strich bestätigt sich das Bild der Herbstprojektion vom 12. Oktober, nach der die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr noch ein Wachstum von 1,4 Prozent aufweisen dürfte, welches vor allem auf die positive Entwicklung in den ersten drei Quartalen zurückzuführen ist. Im Winterhalbjahr 2022 / 2023 dürfte die deutsche Wirtschaft dann in eine Rezession rutschen. Für das Jahr 2023 erwartet die Bundesregierung als Folge im Jahresdurchschnitt einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,4 % im Vorjahresvergleich.
Aktuelle Indikatoren zeigen eine insgesamt robuste Entwicklung des globalen Umfeldes. Die weltweite Industrieproduktion verbesserte sich im August mit +0,5 % leicht gegenüber dem Vormonat und auch der Welthandel legte im August gegenüber dem Vormonat mit +0,7 % etwas zu. Auch die Stimmungsindikatoren am aktuellen Rand signalisieren eine Stabilisierung der weltwirtschaftlichen Lage auf niedrigem Niveau. Der Index von S&P Global (ehemals IHS Markit) lag im September zwar weiter unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, konnte allerdings gegenüber dem Vormonat geringfügig zulegen. Die Zuwächse im Dienstleistungsbereich konnten einen Rückgang im Bereich des Verarbeitenden Gewerbes ausgleichen. Für die kommenden Monate rechnen die Umfrageteilnehmer allerdings mit einem schwierigen weltwirtschaftlichen Umfeld.
Sowohl die nominalen Einfuhren als auch die nominalen Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen lagen im September saisonbereinigt mit -2,6 % bzw. -0,3 % gegenüber dem Vormonat im Minus. Der Rückgang der nominalen Werte liegt vor allem an den stark rückläufigen Preisen der Im- und Exporte (-0,9 % bzw. -0,6 % ggü. Vormonat). Real dürfte der Rückgang deswegen deutlich schwächer gewesen sein. Infolge des starken Preisrückgangs von importierten Energieträgern, insbesondere Gas, haben sich auch die Terms of Trade verbessert. So erholte sich der Handelsbilanzüberschuss im September deutlich und lag bei +2,6 Mrd. Euro (August: -1,3 Mrd. Euro). Allerdings ist dieser vor allem aufgrund der Energiepreiskrise immer noch auf einem sehr niedrigen Niveau, im September des Vorjahres lag er mit +12,0 Mrd. Euro fast zehnmal so hoch.
Der Ausblick für den Außenhandel bleibt pessimistisch, hat sich aber leicht verbessert. Die ifo-Exporterwartungen haben sich mit -5,3 Saldenpunkten im Oktober leicht erhöht, liegen aber weiterhin auf einem Niveau, das mit dem Frühjahr 2020 vergleichbar ist. Die Erholung von den Lieferengpässen setzt sich, nach dem Rücksetzer im September, im Oktober weiter fort. Laut ifo-Umfrage berichten im Oktober 64 % der Unternehmen von Engpässen in der Beschaffung. Die Auflösung von Staus vor wichtigen Häfen sowie sinkende Containerfrachtraten dürften die Situation verbessert haben.
Die Produktion im Produzierenden Gewerbe ist im September gegenüber dem Vormonat um 0,6 % gestiegen. Während der Ausstoß in der Industrie um 0,7 % zunahm, kam es im Baugewerbe zu einem Rückgang um 0,3 %. Der Bereich Energie verzeichnete einen Zuwachs um 1,7 %.
In den einzelnen Industriebranchen kam es zu unterschiedlichen Entwicklungen: Im gewichtigen Bereich Kfz und Kfz-Teile gab es ein kräftiges Plus von 9,3 % im Vormonatsvergleich. Auch pharmazeutische Erzeugnisse (+10,9 %), Kokerei und Mineralölverarbeitung (+10,5 %), Datenverarbeitungsgeräte, elektrische und optische Erzeugnisse (+3,8 %), Papier und Pappe (+1,2 %) sowie Metallerzeugnisse (+0,9 %) meldeten Zuwächse. Andere Wirtschaftszweige indes, wie die energieintensiven chemischen Erzeugnisse (-2,9 %) sowie Glas, Glaswaren und Keramik (-1,3 %), aber auch der Maschinenbau (-1,7 %), verzeichneten Abnahmen ihrer Produktion.
Die Auftragseingänge sind im September gegenüber dem Vormonat um 4,0 % gesunken. Bereits im August waren sie um 2,0 % gefallen. Insgesamt lagen die Bestellungen zuletzt 10,8 % unterhalb des Vorjahresniveaus. Der Rückgang im Vormonatsvergleich war auf einen Einbruch der Auslandsnachfrage zurückzuführen: Während die inländischen Bestellungen noch leicht im Plus lagen, sanken die Auftragseingänge aus dem Ausland um 6,3 % (Nicht-Euroraum) bzw. sogar 8,0 % (Euroraum). Auf Branchenebene schlugen kräftige Rückgänge in den beiden größten Industriebereichen Kfz (-9,0 %) und Maschinenbau (-8,1 %) auf den Gesamtindex durch. Der Höhenflug der Auftragseingänge, der sich nach der Corona-Pandemie im Zuge von Nachholeffekten eingestellt hatte, scheint beendet zu sein. Die Auftragseingänge liegen nun wieder auf einem Niveau wie vor der Corona-Krise.
Für die Industriekonjunktur bleibt der Ausblick auf die kommenden Monate eingetrübt, auch wenn die Industrieproduktion am Ende des dritten Quartals noch einmal zulegte und es im Quartalsvergleich zu einem beachtlichen Plus um 0,5 % gekommen ist. So ist die Nachfrage merklich rückläufig und die Stimmung in den Unternehmen deutlich unterkühlt.
Die Umsätze im Einzelhandel ohne Kfz haben sich im September gegenüber dem Vormonat um 0,9 % erhöht. Dabei ist zu beachten, dass der Tankstellen-Umsatz mit einem Minus von 15,7 % so stark wie noch nie seit Beginn der Erhebung der Zeitreihe zurückgegangen ist. Ende August ist der Tankrabatt ausgelaufen und die Verbraucher haben zuvor offensichtlich noch einmal kräftig ihre Vorräte aufgefüllt. Im Vergleich zum September 2021 meldete der Einzelhandel ein (reales) Umsatzminus von 0,9 %, was zu einem beträchtlichen Teil auch auf die hohen Preissteigerungen im Einzelhandel zurückzuführen ist. So kam es in nominaler Rechnung, also ohne Preisbereinigung, binnen Jahresfrist zu einem Umsatzplus von 9,9 %. Der Handel mit Lebensmitteln verzeichnete im September im Vergleich zum Vormonat eine Zunahme des realen Umsatzes von 2,6 % (ggü. Vorjahresmonat -2,4 %). Der Handel mit Textilien, Bekleidung, Schuhen und Lederwaren meldete ein Umsatzplus 9,9 % (ggü. Vorjahresmonat +11,8 %). Der Internet- und Versandhandel verbuchte im September einen Anstieg um 5,8 % (ggü. Vorjahresmonat -1,0 %). Die Neuzulassungen von Pkw durch private Halter haben im Oktober um 5,3 % abgenommen, nachdem es allerdings in den fünf Monaten zuvor zu teilweise kräftigen Steigerungen gekommen war.
Die Talfahrt bei der Stimmung in den privaten Haushalten ist laut dem GfK Konsumklima erst einmal gestoppt. Für November wird ein leichter Anstieg prognostiziert, gleichwohl liegt das Konsumklima aber nach wie vor auf einem äußerst niedrigen Niveau. Die ifo Geschäftserwartungen im Einzelhandel hingegen trübten sich im Oktober erneut ein. Der Saldo der Meldungen liegt hier inzwischen auf einem sehr niedrigen Niveau. Die Beurteilung der Geschäftslage im Einzelhandel erweist sich jedoch gemäß ifo als vergleichsweise stabil und hat sich zuletzt sogar wieder leicht verbessert.
Die Inflationsrate, gemessen am Anstieg des Verbraucherpreisniveaus binnen Jahresfrist, hat sich im Oktober weiter auf 10,4 % erhöht. Dieser Wert entspricht dem höchsten Stand seit Dezember 1951. Damals hatte ein knappes Güterangebot kurz nach der Währungsreform für hohe Inflationsraten gesorgt. Damit stieg die Rate im Oktober 2022 um 0,4 Prozentpunkte gegenüber dem Vormonat (September: +10,0 %). Die Kerninflationsrate (ohne Nahrungsmittel und Energie) lag mit +5,0 % (September: +4,6 %) erneut nicht einmal halb so hoch wie die Gesamtrate, allerdings auf dem höchsten Stand seit Dezember 1993.
Die Teuerung der Energieträger fiel erneut sehr kräftig aus (+43,0 %; September: + 43,9 %). Der Anstieg der Preise für Nahrungsmittel verzeichnete mit +20,3 % ein neues Allzeithoch seit der Wiedervereinigung (September: +18,7 %). Insbesondere hier wirkten sich Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen preiserhöhend aus. Im September stiegen die Erzeugerpreise binnen Jahresfrist mit +45,8 % so stark wie im Vormonat, als bereits ein trauriger Rekord seit Beginn der Erhebung im Jahr 1949 aufgestellt wurde. Die Importpreise verteuerten sich im September um +29,8 % gegenüber dem Vorjahr, gingen aber gegenüber dem Vormonat leicht zurück (-0,9 %). Der Anstieg der Großhandelsverkaufspreise fiel im September ebenfalls erneut stärker aus (gegenüber September 2021: +19,9 %; gegenüber August 2022: +1,6 %).
Preisdämpfend dürfte sich die Mehrwertsteuersenkung für Erdgaslieferungen und Fernwärme von 19 % auf 7 % aus dem dritten Entlastungspaket auf die Inflationsrate ausgewirkt haben. Dennoch stiegen die Preise hier deutlich gegenüber dem Vorjahresmonat (Gas: +109,8 %; Fernwärme: +35,6 %). Auch für die nächsten Monate werden hohe Inflationsraten erwartet. Die Bundesregierung geht in ihrer Herbstprojektion von Mitte Oktober für den Jahresdurchschnitt 2022 von einem Anstieg um 8,0 % aus. 2023 wird dank der Gas- und Strompreisbremsen mit einer Dämpfung gerechnet (+7,0 %). Diese Einschätzung wird auch von dem Sachverständigenrat in seinem jüngsten Jahresgutachten geteilt (+8,0 % bzw. +7,4 %).
Im Oktober zeigt sich der Arbeitsmarkt weiterhin robust, aber Spuren der schlechten konjunkturellen Aussichten werden erkennbar. So fällt die typische Herbstbelebung etwas schwächer aus als gewöhnlich. Insgesamt kam es zu einer Seitwärtsbewegung der Beschäftigtenzahlen. Der Anstieg der registrierten Arbeitslosigkeit hat weiter nachgelassen und lag im Oktober bei 8.000 Personen. Die Fluchtmigration aus der Ukraine wirkte sich darin nicht mehr erhöhend aus, sondern ist nun in der Unterbeschäftigung sichtbar, wo Menschen in Sprachkursen und anderen Maßnahmen erfasst werden. Die Zahl der Unterbeschäftigten lag im Oktober saisonbereinigt um 29.000 Personen über dem Vormonat. Die Erwerbstätigkeit stagnierte im September auf einem Höchststand, wobei der August aufwärts revidiert wurde (+12.000 Personen). In der Erstmeldung war ein Rückgang berichtet worden. Bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gab es im August nach saisonbereinigter Rechnung ein merkliches Plus (+31.000 Personen). Die Inanspruchnahme der Kurzarbeit lag im August bei rund 0,1 Mio. Personen und war damit etwas aufwärtsgerichtet. Die Anzeigen deuten auf einen weiteren leichten Anstieg hin. Betrachtet nach Wirtschaftszweigen sind die besonders energieintensiven Branchen bislang unauffällig. Die Frühindikatoren sind weiter gesunken und sprechen für eine Abkühlung beim Beschäftigungsaufbau. Insgesamt aber versuchen die Unternehmen, angesichts der bestehenden Engpässe am Arbeitsmarkt ihre Beschäftigten zu halten.
Die rückläufige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen der vergangenen beiden Jahre hält weiterhin an und die Zahlen bleiben auch im Jahr 2022 bisher weiterhin unter Vorjahresniveau. Nach endgültigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes meldeten die deutschen Amtsgerichte von Januar bis August 2022 mit insgesamt 9.414 beantragten Unternehmensinsolvenzen 2,3 % weniger Anträge als im entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Als Frühindikator gibt die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen Hinweise auf die künftige Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen. Nach einem deutlichen Rückgang der Regelinsolvenzen im September von 20,6 % ggü. dem Vormonat gab es im Oktober mit 18,4 % mehr beantragten Verfahren ggü. dem Vormonat eine Gegenbewegung. Experten des IW Halle gehen von steigenden Insolvenzzahlen in den nächsten Monaten aus; eine „Insolvenzwelle“ wird derzeit jedoch nicht erwartet. Allerdings stellen die Folgen des Kriegs in der Ukraine und die drastisch gestiegenen Energiepreise für viele Unternehmen Belastungen dar, deren Auswirkungen auf das Insolvenzgeschehen in den nächsten Monaten nur schwer abzuschätzen sind.
Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz
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