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Steuer & Recht |
Ausgelöst durch eine europäische Richtlinie kommt es nun zu einer Reform, die es Unternehmen ermöglicht, grenzüberschreitende Verschmelzungs- oder Spaltungsvorgänge und auch Sitzverlegungen rechtssicher und einfacher anzustoßen. In diesem Zug wird auch das nationale Umwandlungsrecht reformiert.
Seit der Einführung des Umwandlungsgesetzes (UmwG) im Jahre 1995 wurde das Umwandlungsrecht zwar in vielen Details, aber insgesamt nur geringfügig reformiert. Nun aber kommt es zu einer bedeutenden Reform, die bis zum 31.01.2023 umgesetzt sein soll. Hierzu hatte das Bundesjustizministerium (BMJ) mit dem Ziel, die sogenannte Mobilitätsrichtlinie (vgl. dazu Heckschen, NotBZ 2020, 241) umzusetzen, zunächst einen Referentenentwurf verabschiedet (hierzu u.a. J. Schmidt, NZG 2022, 579; Heckschen/Knaier, GmbHR 2022, 501; dies., GmbHR 2022, 613). Am 06. Juli 2022 beschloss dann das Bundeskabinett den Gesetzentwurf zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (vgl. dazu Bungert/Strothotte, DB 2022, 1818, Brandi/Schmidt, DB 2022, 1880; Heckschen/Knaier, ZIP 2022, 2205). Insgesamt gesehen handelt es sich bei dem Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) um eine sehr bedeutende Reform. Der Referentenentwurf wurde durch eine Sachverständigenkommission seit 2019 vorbereitet und wird durch den Regierungsentwurf fast vollständig übernommen. Am 7. November 2022 fand noch eine Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages statt. Das UmRUG soll noch im Dezember verkündet werden.
Der Anlass dieser Reform ist europäisch geprägt und wurde durch die Vorgaben der Mobilitätsrichtlinie (ABl. EU 2019 L 321, 1) ausgelöst. Mit der Reform werden im grenzüberschreitenden Bereich das Recht der Verschmelzung reformiert und erstmals die Spaltung zur Neugründung über Grenzen hinweg sowie der grenzüberschreitende Formwechsel (Sitzverlegung) gesetzlich geregelt. Die Reform wird aber nicht dabei stehenbleiben, nur Änderungen bei grenzüberschreitenden Umwandlungen vorzusehen beziehungsweise neue Formen einer grenzüberschreitenden Umwandlung einzuführen. Der Gesetzgeber musste sich darüber hinaus bewusst machen, dass eine auf grenzüberschreitende Umstrukturierungen beschränkte Gesetzesreform zu kurz greift, da es den Unternehmen ohne weiteres möglich ist, auch einen nationalen Umwandlungsvorgang in eine grenzüberschreitende Umstrukturierung umzugestalten.
Wird beispielsweise eine deutsche GmbH (A) mit einer anderen deutschen GmbH (B) verschmolzen, so ließe sich aus diesem Vorgang unter Einbeziehung einer kurz zuvor in Österreich oder den Niederlanden gegründeten Kapitalgesellschaft auch ein grenzüberschreitender Vorgang konstruieren. Beispielsfälle gibt es hierzu bereits [vgl. Court of Appeal (England and Wales) v. 18.01.2018 – [2018] EWCA Civ 10, EWiR 2018, 137 (m. Anm. Stiegler]. Bei nicht wenigen Fällen, die nun für die grenzüberschreitenden Vorgänge zwingend einer Neuregelung bedürfen, ist es also sinnvoll zu überprüfen, inwieweit diese Neuregelungen auch für das nationale Umwandlungsrecht sinnvoll sind. Genau diesen Weg verfolgt die Gesetzesreform, die – soweit ersichtlich – bisher große Zustimmung gefunden hat.
Die Reform bezieht sich zunächst nur auf Kapitalgesellschaften aus der Europäischen Union (EU) und dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Anderen Gesellschaften oder Unternehmen aus Drittstaaten wird die Anwendung der neuen Regeln versagt. Das ist bedauerlich, weil sich alle Gesellschaftsformen aus der EU und des EWR kraft der Niederlassungsfreiheit ohne jeden Zweifel ebenfalls über die Grenze hinweg umstrukturieren dürfen. Auch hinsichtlich der Unternehmen aus Drittstaaten fragt man sich, warum diese ihren Sitz nicht grenzüberschreitend nach Deutschland verlegen dürfen, wenn sie die deutschen Gründungsvorschriften beachten wollen.
Mit der Reform werden die Regeln der grenzüberschreitenden Verschmelzung nach §§ 122a ff. UmwG reformiert und erstmals die grenzüberschreitende Spaltung zur Neugründung – leider nicht zur Aufnahme – sowie der grenzüberschreitende Formwechsel innerhalb der EU und des EWR geregelt, sofern die vorgenannten Kapitalgesellschaften betroffen sind. Im Gesetz finden sich Neuregelungen dazu in den §§ 305 ff. UmwG.
Das Verfahren orientiert sich an den bisherigen Grundsätzen, die eine Dreistufigkeit vorsehen:
Diese Aufteilung ist aus dem bisherigen Umwandlungsrecht bekannt. Bei der Vorbereitung einer Umwandlung werden die Regelungen zum Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselbericht neu und detaillierter gefasst und darüber hinaus zusätzliche Pflichten eingeführt. Viele der Neuregelungen werden auch für das nationale Umwandlungsrecht mit übernommen. Im Verschmelzungs-, Spaltungs- beziehungsweise Formwechselplan ergeben sich ebenfalls Änderungen zum bisherigen Recht, die nicht in vollem Umfang überzeugen, aber europäisch bedingt sind. So muss etwa bei einer grenzüberschreitenden Spaltung und beim Formwechsel ein sogenannter indikativer Zeitplan aufgestellt werden, dessen Sinn sich nicht ohne Weiteres erschließt. Neu ist, dass der Bericht der Unternehmensorgane den Arbeitnehmern und deren Vertretungen nicht nur zugestellt werden muss, sondern ihnen auch die Möglichkeit zur Stellungnahme einzuräumen ist.
Im Rahmen der Beschlussphase sind die Neuregelungen der §§ 14, 15 UmwG besonders beachtlich. Es ist nunmehr sinnvollerweise nicht nur für grenzüberschreitende Umstrukturierungen, sondern auch für nationale Umwandlungen vorgesehen, dass sowohl die Anteilseigner des Ausgangsrechtsträgers sowie die des Zielrechtsträgers die Umwandlungsmaßnahme nicht mit dem Argument angreifen können, das Umtauschverhältnis sei unrichtig oder die dazu erteilten Informationen wären unrichtig oder unvollständig. Sie alle werden auf das Spruchverfahren verwiesen. Der Gesetzesentwurf erkennt, dass infolgedessen zusätzliche Zahlungspflichten für die Unternehmen am Ende eines Spruchverfahrens stehen können. Bezogen auf die Aktiengesellschaften wird nunmehr eine zusätzliche Option eingeführt. Sie ermöglicht es den Unternehmen, anstatt einer baren Zuzahlung einen Ausgleich in Aktien zu schaffen. Es wird kritisiert, dass bereits im Umwandlungsplan erklärt werden muss, ob man diese Option ausnutzt. Von Seiten der Unternehmen wird zudem gefordert, weitergehende Ersetzungsbefugnisse zu schaffen. Es wird kritisiert, dass bereits im Umwandlungsplan erklärt werden muss, ob man diese Option ausnutzt. Die Richtlinie würde dies zwar erlauben, jedoch mit der Folge, dass Aktionärsschützer dagegen vorgingen.
In der Vollzugsphase gibt der europäische Richtliniengeber vor, dass der Schutz der Gläubiger noch stärker ausgeprägt werden soll. Im Ausgangsstaat darf das Handelsregister oder eine vergleichbare Institution nur dann die Rechtmäßigkeit des Vorgangs bescheinigen, wenn Gläubigern, die plausibel machen, dass sie eine nicht fällige Forderung haben, ausreichend Sicherheit geleistet wurde. Kommt es zum Streit über diese Frage, sieht der Regierungsentwurf vor, dass dieser vom „zuständigen Gericht“ entschieden wird. Es muss eine beschwerdefähige Entscheidung ergehen. Insoweit wird befürchtet, dass dadurch Verschmelzungs-, Spaltungs- und Formwechselvorgänge enorm behindert werden könnten, ja sogar die Gefahr erhöht werden würde, die von sogenannten räuberischen Gläubigern ausgehe. Die derzeit vorgesehenen Regelungen sind verbesserungsbedürftig (ausführlich Heckschen/Knaier, ZIP 2022, 2205).
Im Rahmen einer sogenannten Missbrauchskontrolle muss das Handelsregister oder eine vergleichbare Institution im Ausland beim Ausgangsrechtsträger prüfen, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Umwandlungsmaßnahme aus missbräuchlichen Motiven durchgeführt werden soll. Hier ist neben dem Gläubigerschutz auch der Arbeitnehmerschutz zu berücksichtigen. Einzelheiten regelt weder die Richtlinie noch der deutsche Gesetzgeber. Letzterer verschließt Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten den Zugang zu grenzüberschreitenden Vorgängen nicht, im Rahmen der Missbrauchskontrolle werden aber zusätzliche Angaben gefordert. Die Entscheidung im Ausgangsstaat ist dann für den Zielstaat verbindlich. Die Maßnahme wird schließlich durch Eintragung im Zielstaat beendet. Im Rahmen der Reform wird der Gesetzgeber auch Unstimmigkeiten im nationalen Umwandlungsrecht, insbesondere im Rahmen von § 125 UmwG, bei der Ausgliederung – hier wird klargestellt, dass auf Anteilsgewährung verzichtet werden kann – und im Rahmen einer Spaltung nach § 142 UmwG beseitigen. Letztendlich wird auch noch das Spruchverfahrensgesetz geändert. Leider verpasst der Gesetzgeber bei dieser Gelegenheit die Chance, endlich auch Freiberuflern in einer Einzelkanzlei die Möglichkeit zur Umwandlung zu geben.
Insgesamt handelt es sich um ein gelungenes Gesetzeswerk, das eventuell durch den Rechtsausschuss noch ein wenig nachgebessert wird. Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nehmen seit Jahren ständig zu und werden in Zukunft in dem dann geregelten Rahmen noch an Bedeutung gewinnen. Nicht selten werden über diese Maßnahmen Konzernstrukturen vereinfacht, teilweise die Unternehmensnachfolge vorbereitet und Anpassungen an geänderte Rahmenbedingungen durchgeführt. Ich selbst habe in diesem wirtschaftlich nicht einfachen Jahr so viele grenzüberschreitende Sitzverlegungen und Verschmelzungen zu betreuen, wie dies bisher noch nicht der Fall war.
Bild: pch.vector von Freepik
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