Rx-Boni und Apothekenwettbewerb, BGH-Remit in Schadensersatzfragen, Reformanker für Preisbindung
Der Rechtsstreit um Rx-Boni zeigt, wie juristische Weichenstellungen Wettbewerbsbedingungen für Apotheken langfristig prägen. Nachdem der EuGH die nationale Preisbindung für ausländische Versender ausgehebelt hatte, nutzten einzelne Anbieter Werbeaktionen, die den Gleichpreis im GKV-System faktisch unterliefen. Die Apothekerkammer Nordrhein setzte dem mit Verfügungen Grenzen, woraufhin ein Versender Schadenersatz in Millionenhöhe reklamierte. Das OLG Düsseldorf hatte dem weitgehend stattgegeben, bevor der Bundesgerichtshof das Urteil teilweise aufhob und zur erneuten Prüfung zurückverwies. In der Sache stehen nun Reichweite, Zulässigkeit und Kausalität der Werbeaktionen erneut auf dem Prüfstand, während drei von fünf Streitpunkten bereits rechtskräftig erledigt sind.
Für Vor-Ort-Apotheken ist die Linie klar: Ein einheitlicher Preis schützt Beratung, Lagerhaltung und Notdienst als Gemeinwohlleistungen vor einer reinen Rabattrallye. Wo Boni selektiv gewährt werden, verschieben sich Nachfrage und Warenströme, ohne dass die flächendeckende Versorgung refinanziert wird. Das führt in strukturschwachen Regionen schneller zu Ausdünnung, weil Fixkosten nicht beliebig variabel sind. Die Diskussion über Schadenersatz blendet häufig aus, dass Werbeaktionen in einem Regelrahmen stattfanden, der zugleich sozialrechtliche Bindungen und europarechtliche Öffnungen kennt. Gerade deshalb braucht es klare Kanten: Welche Werbung ist zulässig, welche Folgen haben Verstöße, und wie wird Gleichpreis unter realen Marktbedingungen gesichert.
Der BGH-Remit zwingt die Instanz nun zu präziserer Begründung: Worin lag die Rechtswidrigkeit einzelner Aktionen, und wie belastbar ist die Kausalitätskette zum geltend gemachten Schaden. Diese Klärung ist mehr als juristische Feinarbeit, weil sie künftige Kampagnen kalibriert und Compliance-Leitplanken setzt. Für Apotheken zählt, dass formale Fehler nicht zu Nullretaxationen oder regressähnlichen Effekten führen, wenn die Versorgung sachlich korrekt war. Gleichzeitig darf ein Wettbewerbervorteil nicht über systemwidrige Boni verfestigt werden, die selektiv steuerbare Kundensegmente binden. Die Instanz wird hier Balance zeigen müssen: Rechtssicherheit schaffen, ohne Schlupflöcher zu normalisieren.
Politisch verlagert sich der Fokus auf die angekündigte Apothekenreform, die die „effektive Durchsetzung“ der Preisbindung ausdrücklich adressieren soll. Dazu gehört ein Instrumentenkasten, der europarechtliche Grenzen respektiert und dennoch Gleichpreiswirkungen herstellt: klare Werberegeln, sanktionsfähige Verbote umgehender Kompensationen, sowie eine Abgrenzung zwischen Serviceleistung und faktischem Preisnachlass. Technisch ließen sich Prüfpfade in Abrechnungsdaten verankern, um auffällige Muster früh zu erkennen, etwa ungewöhnliche Korrelationen zwischen Bestellkanal, Packungszahl und Gutschriften. Ergänzend braucht es transparente Meldewege und einheitliche Prüfmaßstäbe der Kassen, damit Verfahren vorhersehbar sind und Rechtsschutz nicht zum Zufall wird.
Am Ende geht es um die Tragfähigkeit des Versorgungsmodells, das Beratungspflichten, Qualität und Erreichbarkeit finanziert. Ein Preisrahmen ohne wirksame Durchsetzung lädt zu Arbitrage ein und bestraft diejenigen, die Standards vorhalten. Ein repressiver Rahmen ohne Augenmaß gefährdet Innovationen und digitale Bequemlichkeit, die Kundinnen und Kunden erwarten. Der Ausweg liegt in präzisen Definitionen, datenbasiertem Monitoring und verhältnismäßigen Sanktionen, die unerlaubte Boni wirksam unterbinden und zulässige Serviceelemente erkennbar lassen. So entsteht ein Wettbewerb, der auf Leistung, Qualität und Erreichbarkeit basiert – und Apotheken die Stabilität gibt, die sie für Versorgung, Beratung und Notdienste benötigen.
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