Apotheken brauchen Signaturklarheit, Praxen brauchen Übergänge, Prozesse brauchen Belege
Die Umstellung der qualifizierten Signatur von RSA auf ECC zum 1. Januar 2026 ist kein Randdetail, sondern ein potenzieller Bruchtest für etablierte Routinen. Wenn über 50 000 eHBA im Feld noch RSA-only sind, entsteht ein reales Risiko für E-Rezept, eAU und Arztbriefe in der ersten Kalenderwoche 2026. Mehr als 500 Millionen E-Rezepte pro Jahr sind zur Alltagsbaseline geworden, und jeder Ausfalltag multipliziert sich entlang der Versorgungskette. Ohne eine explizite Übergangsregel sinkt die digitale Betriebssicherheit auf Abteilungsebene, während Hotline- und Supportzeiten in Stunden und Tagen steigen. Entscheidend wird, dass Zuständigkeiten und Fristen nicht im Flurfunk kursieren, sondern in belastbaren Mitteilungen mit Datum, Uhrzeit und Geltungsbereich fixiert sind.
Technik migriert nicht im Lehrbuchtempo, sondern in Lieferketten mit Karten, Terminals, Konnektoren und PVS-Updates, die in Sequenzen greifen. Wenn Karten erst nach Kalenderwoche 50 eintreffen, aber Montage-Slots und Praxistermine bis 31. Dezember vergeben sind, verlagert sich der kritische Pfad in die erste Januarhälfte 2026. Jede Praxis, die noch mit RSA-only signiert, bräuchte dann eine explizite Nichtbeanstandung auf Zeit, sonst wird aus „Switch-over“ ein „Stop-over“. Gleichzeitig darf eine Übergangsfrist kein Einfallstor für Schatten-Standards werden: Stichtage, Hash-Längen und Zertifikatsketten benötigen dokumentierte Prüfprotokolle mit Version, Prüfsumme und Verantwortlichen. Nur so bleiben Logfiles gerichtsfest und Ausnahmen echt zeitlich befristet.
Für die Prozesskette zählt, dass Signaturfähigkeit vor Produktivität kommt: Erst die QES-Erzeugung sicherstellen, dann die Taktung der Sprechstunden, schließlich die Übergaben an Krankenkassen und Archivsysteme. Fällt die QES streckenweise aus, kippt das E-Rezept in Papierpfade zurück, inklusive Mehrlaufzeiten an Scanner-Plätzen und in Postwegen mit 24–48 Stunden Verzögerung. Aus Minuten werden schnell Tage, aus Einzelfällen hunderte Belege pro KV-Region. Wer Fristen setzt, muss daher auch Puffer quantifizieren: Wie viele Karten pro Woche, wie viele Terminal-Rollouts pro Bezirk, wie viele Hotline-Ressourcen in Peak-Zeiten. Zahlen sind hier keine Zierde, sondern der Unterschied zwischen Plan und Hoffnung.
Die Parallelbaustelle ePA erhöht den Druck: Ohne gültige E-Signatur sinkt der Nutzen der Medikationsliste, weil neue Verordnungen nicht automatisiert einlaufen. In Quartal I / 2026 ist daher die Integrität der Datenflüsse genauso prüfbar zu machen wie die Krypto-Kette. Auditierbare Zwischenstände – zum Beispiel wöchentlich zum Montag 08:00 Uhr mit Zählwerten zu ausgegebenen ECC-eHBA, aktivierten Zertifikaten und erfolgreichen QES-Transaktionen – schaffen Vergleichbarkeit. Wer dabei die Differenz zwischen „ausgegeben“, „aktiviert“ und „produktiv eingebunden“ sauber trennt, reduziert Blindflug. Drei Ziffern reichen oft: Kartenbestand, Aktivierungsquote in Prozentpunkten, Fehlerrate pro 1 000 Signaturen.
Für Apotheken ergibt sich eine klare Abhängigkeitskette, auch wenn sie die Karten nicht selbst bestellen: Ohne signierende Verordner stocken E-Rezepte, und mit jedem Prozent Rückfall auf Papier steigen Laufwege, Rückfragen und Korrekturschleifen. Ein Tag mit 20 Prozent Papieranteil erzeugt messbar mehr Telefonate, mehr Rückläufer und mehr Wartezeiten an der Kasse. Stabil bleibt die Fläche, wenn vier Anker gleichzeitig sitzen: eine datierte Übergangszusage, eine sichtbare Rollout-Kurve, eine getestete Fallback-Routine und eine adressierte Verantwortlichkeit pro Einrichtung. Erst dann wird aus dem Stichtag ein kontrollierter Übergang – mit belegten Prozessen statt improvisierten Notpfaden.
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