ABDA-Stellungnahme zur Reform, fehlende Honoraranpassung und Leitung, Apothekenversorgung unter Druck
Die ABDA hat ihre Kritik an den aktuellen Referentenentwürfen geschärft und zugleich Gesprächsbereitschaft signalisiert, weil aus ihrer Sicht ohne eine tragfähige wirtschaftliche Grundlage die Versorgungsqualität leidet. Zentraler Anker ist die seit 2013 ausgebliebene Honoraranpassung, die inflations- und lohnseitige Kostenpfade sichtbar ignoriert und damit die betriebliche Resilienz schwächt. In der politischen Kommunikation verweist die Standesvertretung auf das Koalitionsversprechen einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken und verlangt eine Reform, die nicht nur Aufgaben erweitert, sondern Finanzierung, Personal und Haftungsrahmen synchronisiert. Dass die Leitungskompetenz der Apothekerinnen und Apotheker teilweise flexibilisiert werden soll, bewertet sie als Risiko für Patientensicherheit, Prozessqualität und das Berufsbild. Hinter all dem steht eine nüchterne Systemfrage: Wie werden zusätzliche Leistungen in Euro, Minuten und Verantwortung abgebildet, wenn gleichzeitig Personalmarkt, Energiepreise und Mieten Druck erzeugen.
Ökonomisch verdichtet sich die Lage auf drei Variablen, die seit Jahren auseinanderlaufen: Fixkosten steigen in wiederkehrenden Sprüngen, die Nachschub- und Engpasswellen verlängern Beratung und Dokumentation, und der Fixbetrag bleibt strukturell entkoppelt. Eine verlässliche Anpassungslogik, die an Indizes wie Nominallohnentwicklung und Verbraucherpreisindex anbindet, würde Planungssicherheit schaffen, ohne jedes Jahr die Grundsatzfrage neu zu eröffnen. Für die Fläche zählt nicht der Durchschnitt, sondern die Breite: Quartilsverschiebungen entscheiden darüber, ob ein Standort mit Notdiensten, Rezepturaufwand und Lieferengpässen durch den Winter kommt. Wo Honorierung, Dokumentationspflichten und Austauschregeln nach § 129 SGB V zusammenpassen, sinken Retax-Risiken und Klärfälle – das ist messbar in geringeren Nacharbeiten pro Abrechnungslauf. Eine Reform, die diese Mechanik ignoriert, produziert Nebenwirkungen, die später teuer korrigiert werden müssen.
Ordnungsrechtlich liegt der Streitpunkt bei Präsenz, Leitung und Verantwortungsdurchgriff, weil sich daran Haftung, Qualität und Akzeptanz entscheiden. Die Idee, die Präsenzpflicht des approbierten Personals weiter zu lockern, steht quer zu komplexen Therapiesituationen mit Polymedikation, Interaktionen und individuellen Risiken. Die ABDA argumentiert, dass ohne ständige fachliche Leitung die Apotheke zur bloßen Abgabestelle verkomme, während gerade die letzten Jahre gezeigt haben, wie sehr niedrigschwellige Beratung, Medikationsanalyse und Impfangebote die Versorgung stabilisieren. Wenn der Gesetzgeber Aufgaben erweitert – von Prävention über pDL bis zu strukturierten Checks –, muss die Qualifikationsseite mitwachsen; andernfalls entstehen Lücken, die in Reklamationen, Wartezeiten und Vertrauensverlusten sichtbar werden. Rechtliche Klarheit schützt hier auch die Politik, weil sie gerichtsfeste Leitplanken statt interpretationsanfälliger Spielräume schafft.
Versorgungspolitisch ist die Gleichpreisigkeit ein Fundament, das Anreize bündelt und Steuerungssprünge verhindert. Regionale Zuschlagsmodelle, die nur Landlagen adressieren, lösen urbane Kantenlagen nicht und drohen die Preislogik zu fragmentieren; die ABDA skizziert deshalb Alternativen wie eine dauerhafte, zielgenau finanzierte Notdienstpauschale oder Fondsmodelle für strukturschwache Räume. Entscheidend ist, dass keine versteckten Steuerungssignale entstehen, die Patientinnen und Patienten indirekt lenken und damit den Sachleistungscharakter aushöhlen. Eine ständige gemeinsame Schiedsstelle könnte Verfahren beschleunigen, Normen praxistauglicher machen und die Akzeptanz erhöhen. Jede Stunde weniger Verfahrensdauer, jeder klar definierte Parameter und jede entlastete Nachweislast spart operativ Zeit – und genau diese Zeit fehlt derzeit im Tagesgeschäft.
Schließlich verlangt die Debatte um Kompetenzen eine verlässliche Perspektive für Berufsbiografien: Wenn der Markt PTA stärker in pDL-Prozesse einbindet, braucht es klare Weiterbildungs- und Übergangspfade bis hin zu verkürzten Studienwegen mit anrechenbaren Praxisanteilen. So entsteht Aufstieg über Qualifikation statt über die Aushöhlung des Berufsvorbehalts. Die Alternative, eine dauerhafte PTA-Vertretung ohne präsente fachliche Leitung zu normalisieren, öffnet Tür und Tor für Modelle, die Fremdbesitz über die Hintertür betriebswirtschaftlich attraktiv machen und die heilberufliche Verantwortung verdünnen. Reformen, die Versorgung wirklich stärken, definieren Übergangsfristen mit Datum, evaluierbare Ziele mit Metriken und klären, wie zusätzliche Leistungen finanziert, gemessen und verantwortet werden. Wer diesen Dreiklang aus Ökonomie, Ordnungsrecht und Versorgungslogik zusammenführt, stabilisiert das Netz – nicht auf dem Papier, sondern dort, wo Wege kurz, Entscheidungen nachvollziehbar und Risiken begrenzt werden.
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