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DocSecur® Nachrichten - APOTHEKE:
APOTHEKE | Wochenspiegel & Presse |
Apotheken-Nachrichten der Woche sind Fixum auf Wiedervorlage, PTA-Streit, E-Rezept-Hygiene
Basis eingefroren, Aufgaben wachsen – Indexpfad + strenge Korridore + IT-Tacho jetzt setzen
Apotheken-News: Themen der Woche
Standing Ovations, aber kein Aufbruch: Der Apothekertag zeigte eine Basis, die Versorgung trägt, während das Fundament knirscht. Warken schraubt am Alltag (Skonti, Retax-Stopp, Entbürokratie, Austausch bei Engpässen, strenger Versand), stärkt Kompetenzen (Impfen, pDL, eng geführte Korridore) – friert aber das Fixum ein. Laumann verschiebt auf Strukturhonorierung; Schmitz fordert einen Indexpfad. Die PTA-Leitungsvertretung erweist sich als Sollbruchstelle: Entlastung entsteht über Advanced-Practice mit Supervision, nicht über abgesenkte Leitung. Kassen sehen Effizienz, Ärzte warnen vor Rx ohne Rezept – beruhigt wird das nur mit SOPs, Pflichtdoku, Echtzeit-Rückspiegel zur Praxis und stabiler IT. Weil Beschlüsse nicht mehr bindend sind, muss Führung Gefühl in Roadmaps übersetzen: Sofort-Fixum mit Tunnel in den Index, 2–3 pDL-Module mit Outcome-Vergütung, Digitalzuschlag an E-Rezept-Metriken. Reihenfolge: Basis stabilisieren, Prozesse beruhigen, Leistungen skalieren.
Standing Ovations halten warm, Aufbruch bleibt aus, Regeln müssen tragen
Einen frischen Wind hat dieser Apothekertag nicht gebracht. Er hat vielmehr gezeigt, wie erschöpft und zugleich pflichtbewusst die Basis ist: Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag Versorgung sichern, obwohl der Untergrund knirscht. Thomas Preis’ Lagebericht war kein Feuerwerk, sondern eine Inventur der Dauerlasten: wirtschaftlich ausgedünnte Standorte, eine Schließungswelle ohne erkennbare Talsohle, Lieferengpässe als zermürbender Normalzustand und eine E-Rezept-Infrastruktur, die zu oft Reibung erzeugt, wo sie eigentlich Ruhe bringen sollte. Und doch stand der Saal. Der Applaus galt weniger neuen Ideen als einem Versprechen: Wir bleiben verlässlich, weil die Menschen uns brauchen.
Genau darin liegt das Paradox: Loyalität wärmt, aber sie zahlt keine Rechnungen. Solange die Vergütung an der Packung klebt, wird jede zusätzliche Aufgabe zur Moralfrage statt zur kalkulierbaren Leistung. Wer „Zukunft“ sagt, muss deshalb die Mechanik benennen, die diese Zukunft trägt. Eine planbare, entpolitisierte Anpassung ist kein Luxus, sondern die Voraussetzung, dass Personal, Weiterbildung und digitale Sicherheit bezahlt werden können – nicht irgendwann, sondern im Betriebskalender, Monat für Monat.
Die Außenkanten verschärfen den Druck. Auf der einen Seite Versender, die Boni- und Rabattverbote austesten und Sanktionsrisiken einpreisen; auf der anderen Seite Politik, die zwischen Haushaltslage und Versorgungsnotwendigkeit laviert. Dazwischen die Vor-Ort-Apotheke als niedrigschwelliger Knoten: Sie fängt Formfehler im E-Rezept ab, triagiert Engpässe, erklärt Therapien, betreut Heime und Pflege, macht Notdienst – und schaut am Monatsende auf eine Pauschale, die die Wirklichkeit nicht mehr abbildet. Wer in dieser Lage „Struktur vor Honorar“ fordert, verwechselt Reihenfolge mit Richtung: Ohne Liquidität versandet jede Strukturreform; ohne Struktur verpufft jedes Honorarplus.
Dass Preis „Sie können sich auf die Apotheken verlassen“ sagte, war richtig – und zugleich die Grenze. Ein Treueschwur ersetzt kein Verfahren. Die Betriebe brauchen drei Dinge, bevor Aufbruch mehr ist als Rhetorik: Erstens eine regelgebundene Anpassungslogik, die Lohn- und Sachkosten realistisch spiegelt und in festen Intervallen greift. Zweitens digitale Hygiene, die das E-Rezept von der Fehlerquelle zur Stütze macht, mit messbaren Durchlaufzeiten und klarer Fehlertypisierung. Drittens Durchsetzung gegenüber Akteuren, die Leitplanken missachten, ob beim Versand kühlpflichtiger Ware oder bei formalen Retax-Fallen.
Die Stimmung im Saal – warm, aber angespannt – spiegelt die Lage vor Ort. Viele haben längst die Spielräume ausgereizt, die sich noch ohne neues Geld schaffen lassen: Prozesse gestrafft, Personalpläne gedehnt, Dienste verschoben, Lager optimiert. Doch die betriebswirtschaftliche Elastizität ist endlich. Wenn die Basis knirscht, schrumpfen die Spielräume für alles, was politisch gewünscht ist: mehr Impfungen, mehr Prävention, mehr Lotsenarbeit. Aus guten Ideen wird dann Mehrlast. Genau deshalb entscheidet am Ende nicht das „Ob“, sondern das „Wie“ – und zwar in der richtigen Reihenfolge.
Die gute Nachricht: Es braucht keine Wunder. Eine nüchterne Kombination aus verlässlicher Grundmechanik und wenigen klaren Leistungsbausteinen würde reichen, um das Klima zu drehen. Dann wird Nähe nicht mehr als stillschweigende Pflicht geleistet, sondern als sichtbare, vergütete Qualität. Dann werden Investitionen planbar, Teams bleiben, Nachwuchs kommt. Der Apothekertag hat unbeabsichtigt die Prioritäten sortiert: Emotion bindet, Zahlen entscheiden. Wer die Zahlen ordnet, gewinnt Zeit; wer Zeit gewinnt, kann liefern.
Und doch bleibt nach diesem Auftakt die Frage, ob der politische Teil dieses Versorgungsversprechens die gleiche Disziplin aufbringt: Entlastungen dort, wo der Alltag klemmt; klare Regeln an den Sektorgrenzen; vor allem aber ein offenes Wort zur Basisfinanzierung, ohne die alles Weitere zur Pose gerät – genau daran wird sich das angekündigte Reformpaket der Ministerin messen lassen, das mit einer Mischung aus Zuckerbrot und kalter Haushaltsluft über die Bühne kam.
Zuckerbrot schafft Nähe, Fixum friert, Kompetenzen verlangen Ordnung
Nina Warken trat nicht mit einem großen Wurf auf, sondern mit vielen kleinen Schrauben, die den Alltag sofort berühren: Skonti zurück in die Kalkulation, Retaxationen aus Formfehlern beenden, weniger Bürokratie, eigenverantwortete Öffnungszeiten, Laborarbeiten im Filialverbund bündeln, mehr Austauschmöglichkeiten bei Nichtverfügbarkeit, Zweigapotheken in abgelegenen Regionen, schärfere Leitplanken für den Versand kühlpflichtiger Arzneimittel mit spürbaren Sanktionen bei Boni und Rabatten. Das ist die Sprache der Reibungen: Sand aus dem Getriebe nehmen, bevor es klemmt. Der Saal spürte die Hand am konkreten Problem, und er spürte zugleich die Absicht, der Vor-Ort-Apotheke sichtbar mehr zuzutrauen.
Denn die zweite Ebene zielte auf Rolle und Reichweite: mehr Impfen direkt in der Offizin, pDL ausbauen und perspektivisch direkt mit den Kassen abrechnen, eng definierte und dokumentationspflichtige Abgaben verschreibungspflichtiger Arzneimittel ohne Rezept für Chroniker und klar umrissene Bagatellindikationen, arzt-apothekerliche Kooperation nach ARMIN-Muster, Verordnungsoptionen für pDL. Alles Punkte, die Verantwortung, Sichtbarkeit und Nähe erhöhen – aber auch Prozesslast, Dokumentationsbedarf und Haftungswege. Wer das will, braucht Standards, digitale Ruhe und eine klare Grenzchoreografie zur ärztlichen Seite, sonst wird Aufwertung zur Zumutung.
Genau hier setzte der kälteste Satz des Tages an: Wegen der angespannten Kassenlage bleibt das Fixum vorerst unverändert, Wiedervorlage im kommenden Jahr. Dieser Satz färbt alle Entlastungen ein. Er macht verständliche Freude über Skonti, Retax-Stopp und Öffnungszeiten flexibler, aber er macht auch misstrauisch: Wie weit trägt ein Paket, dessen Fundament nicht mitwächst? Wenn Notdienstmittel dann noch aus dem pDL-Topf geholt werden, ist der kurzfristige Nutzen offensichtlich, der langfristige Preis ebenso: Profilverlust dort, wo Prävention und Medikationsmanagement eigentlich wachsen sollen. Man stopft hier, indem man dort Luft ablässt – fiskalisch plausibel, strategisch riskant.
Die heikelste Schraube ist die vorgeschlagene Leitungsvertretung durch PTAs nach Weiterbildung. Der Personaldruck ist real, deshalb wirkt der Gedanke lebensnah. Dennoch berührt er den Kern des Berufs: Leitung ist nicht bloß Organisation, sondern approbationsgebundene Verantwortung mit tiefer Haftungs- und Arzneimittelrechtsverankerung. Eine Lockerung mag heute Dienste retten und morgen Prüfketten, Versicherungslogik und Glaubwürdigkeit beschädigen – exakt dort, wo die Offizin als Hochsicherheitszone überzeugen muss. Entlastung lässt sich klüger gewinnen: über Advanced-Practice-Pfade für PTAs mit SOPs, Supervision, Prüfungen und eigener Vergütung, die Kompetenzbreite schafft, ohne die Leitplanke zu versetzen.
Was bleibt, ist ein gemischtes Gefühl, das man nur mit Verfahren beruhigt. Entlastungen müssen ohne neue Nebenpflichten durchgreifen. Neue Aufgaben brauchen harte SOPs, klare Eskalationspunkte und eine IT, die nicht telefonische Notlösungen provoziert, sondern Durchlaufzeiten, Fehlertypen und Rückmeldungen messbar macht. Vor allem aber braucht das Paket einen Finanzpfad, damit Betriebe Personal halten, Weiterbildung bezahlen und Technik erneuern können. Ohne planbare Basis wird jede Zusatzrolle zur Wette auf Moral. Mit planbarer Basis wird aus Nähe bezahlte Qualität.
So liest sich Warkens Auftritt als Testfall, ob Politik und Selbstverwaltung Ordnung vor Tempo stellen: zuerst die Grundmechanik des Honorars, dann Prozesse beruhigen, erst darauf aufbauend Kompetenzen skalieren; andernfalls kippt die Balance zwischen Anspruch und Alltag, und das politisch Gemeinte kommt als betriebliche Mehrlast an. Der Apothekertag hat gezeigt, wie schnell die Stimmung kippt, wenn Ankündigungen die Achillesferse Fixum ignorieren – und damit ist der Boden bereitet für die nächste Station dieser Woche, die die Logik wechselt: weg von der reinen Packung, hin zu einer Vergütung, die die tatsächliche Leistung der Offizin sichtbar macht.
Zwischen warmem Applaus und kalter Haushaltsluft sucht die Woche ihren Takt: kleine Schrauben, die Reibung nehmen, ein Fundament, das noch nicht mitwächst, und ein klares Versprechen, Nähe nicht zu verbrauchen, sondern zu ordnen. Dort, wo Verantwortung steigt, braucht das System feste Geländer: eine Basis, die automatisch mitzieht, Verfahren, die Grenzfälle zähmen, und Technik, die verlässlich trägt. So wird aus geforderter Mehrleistung kein Drahtseilakt, sondern eine wiederholbare Bewegung – ruhig, messbar, bezahlbar.
Dies ist kein Schluss, der gelesen werden will — sondern eine Wirkung, die bleibt. Regeln vor Tempo halten die Linie, wenn die Last wächst. Fixe Mechanik statt Wiedervorlage gibt Betrieben Luft. Sichtbare Outcomes machen Nähe zur verlässlichen Größe. Greifen Fixum-Mechanik, SOPs und Outcome-Vergütung ineinander, werden enge Korridore zur Naht statt zur Narbe und das E-Rezept vom Störfaktor zur Stütze. Dann kippt die Erzählung von stiller Pflicht zu sichtbarer Qualität – Nähe wird messbar und damit verlässlich finanzierbar.
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