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Sehr geehrte Ärzte,
hier ist der vollständige Text für Sie:
APOTHEKE | Systemblick |
Apotheken-News: Kommentar der Woche
Kommentar von Seyfettin Günder zu den heutigen Apotheken-News über juristische Grenzverschiebungen, strukturelle Marktverzerrung und die ethisch-politische Verantwortung hinter der digitalen Versorgungspolitik.
Es ist ein seltsames Paradox: Je weiter sich der Gesundheitsmarkt digitalisiert, desto weiter entfernen wir uns von einem Gesundheitssystem, das sich dem Patienten verpflichtet fühlt. Stattdessen entfaltet sich eine Logik der Dissoziation – von Verantwortung, von Präsenz, von Transparenz. Die Versandapotheke als Geschäftsmodell steht längst nicht mehr nur für eine alternative Bezugsquelle, sondern für eine ideologische Verschiebung: vom heilberuflich geführten Raum hin zur transnationalen Plattformökonomie. Was einst Beratung, Rezeptur und Labor bedeutete, heißt heute Fulfillment, Trackingnummer und Customer Journey. Die Apotheke vor Ort war lange Teil der Daseinsvorsorge. Der Versandhandel ist Teil eines Marktexperiments. Doch wer schützt die Patienten, wenn aus Versorgung ein Geschäftsmodell wird – ohne Gegenleistung in Ethik, Kontrolle und Haftung?
Der Bundesgerichtshof verhandelt am 6. November in einem Verfahren, das juristisch als Einzelfall erscheint, tatsächlich aber strukturelle Weichen stellt. Die Klage von DocMorris auf 18 Millionen Euro Schadensersatz gegen die Apothekerkammer Nordrhein steht exemplarisch für die systemische Verkehrung heilberuflicher Schutzmechanismen: Nicht derjenige, der das Gemeinwohl schützt, wird belohnt – sondern derjenige, der Marktmechanismen forciert, wird als benachteiligt verklagt. Das Rechtsmittel wird zur strategischen Waffe. Und damit zur Legitimation eines Zustandes, den man nicht nur rechtlich, sondern kulturell als bedrohlich begreifen muss: Der Apothekenbegriff verflüchtigt sich, die Preisbindung verliert Geltung, das Arzneimittel wird zur Ware.
Das eigentliche Drama liegt dabei nicht in der Verhandlung selbst, sondern in der Bereitschaft vieler Institutionen, diesen Strukturwandel zu tolerieren. Temperaturpflicht? GDP? Beratungspflicht? Für die Vor-Ort-Apotheke tägliche Realität, für EU-Versandhändler eher rhetorisches Beiwerk. Und doch duldet die Politik diese Asymmetrie – unter dem Vorwand europarechtlicher Gleichbehandlung, tatsächlich aber aus Rückzug, Unentschlossenheit, manchmal sogar aus ideologischer Verklärung. Dass Ministerin Warken zwar von Gleichbehandlung spricht, aber keine gesetzgeberischen Maßnahmen zur Re-Legitimierung heilberuflicher Standards einleitet, zeigt: Die Politik hat sich von ihrer Schutzfunktion distanziert. Und genau darin liegt die neue Qualität des Problems – es ist kein Versehen, sondern ein Kurs.
Wer jedoch glaubt, es handle sich lediglich um eine wirtschaftliche oder juristische Kollision, unterschätzt die kulturelle Dimension. Die Apotheke ist mehr als ein Dispensierort. Sie ist ein Raum der Sicherheit, der sozialen Nähe, der niedrigschwelligen Orientierung. Wer diesen Raum durch eine Plattform ersetzt, ersetzt auch die Möglichkeit, zwischenmenschliche Signale zu deuten – sei es bei Medikationsfehlern, bei psychischer Krisenlage oder bei Fragen, die jenseits der Packungsbeilage liegen. Ein Algorithmus erkennt keine Mimik, kein Zögern, keine Sprachlosigkeit. Er optimiert – aber er schützt nicht.
Im Zentrum dieser Debatte steht ein irritierender Begriff: Erlaubnis. Was erlaubt ist, wird nicht mehr nach Wirkung, sondern nach Machbarkeit beurteilt. Wer temperaturpflichtige Medikamente ohne Monitoring verschickt, handelt formal korrekt – solange die Gesetzeslage nicht explizit dagegenhält. Wer Boni auf Rezeptausstellungen gewährt, verletzt den Geist der Preisbindung – aber nicht immer den Buchstaben. Diese Form der „legitimen Grenzverletzung“ erzeugt einen neuen Zustand: Unsicherheit. Nicht bei den Versendern. Sondern bei denen, die sich an Regeln halten. Es ist eine Form von Inversionsgerechtigkeit – und sie hat gravierende Folgen für die Berufsidentität der Apothekerinnen und Apotheker.
Besonders deutlich wird diese Schieflage im Umgang mit der Medikationsverantwortung. Die Einführung von eMP und eML hat das Potenzial, Transparenz zu schaffen – aber auch, Verantwortlichkeiten zu verwischen. Wer haftet bei einer Interaktion, die algorithmisch übersehen wurde? Wer ist zuständig, wenn OTC-Präparate und BtM nicht korrekt erfasst wurden? Wer klärt die Patienten auf, wenn der Medikationsplan formal korrekt, aber medizinisch fahrlässig ist? Die Versender setzen auf Automatisierung. Die Apotheken auf heilberufliche Intervention. Das Problem: Beide Modelle konkurrieren auf einem Markt – aber nur eines wird in seiner Regulierungsdichte durchgesetzt. Das andere genießt Narrenfreiheit.
Und dennoch: Die Preisbindung, so angegriffen sie auch sein mag, steht noch. Sie ist das letzte Bollwerk eines Systems, das sich dem Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet fühlt. Die Umgehungspraktiken der Versandapotheken – von Boni über Gutscheinaktionen bis zur Plattformlenkung – stellen dieses Bollwerk täglich in Frage. Doch der Schaden ist nicht nur juristisch, sondern psychologisch: Die Bevölkerung verliert Vertrauen. In die Preislogik. In die Beratungsqualität. In die Integrität des Gesundheitssystems. Wenn dieselbe Leistung unterschiedlich entlohnt wird, verliert der Beruf seine Autorität. Und der Patient seine Sicherheit.
Dieser Kommentar ist kein Weckruf. Weckrufe hat es genug gegeben. Dies ist ein Mahnmal in Textform – ein Versuch, sichtbar zu machen, was im politischen Nebel verschwindet: Dass die Apothekenlandschaft nicht nur wirtschaftlich, sondern kulturell entkernt wird. Dass Regulierung nicht Gleichheit schafft, sondern ihre Aushöhlung verschleiert. Und dass es eine Gesellschaft gibt, die nicht gefragt wurde, ob sie diesen Wandel überhaupt will.
Die Entscheidung fällt nicht im BGH. Sie fällt dort, wo Patienten sich entscheiden, wem sie vertrauen. Und wem nicht.
SG
Prokurist | Publizist | Verantwortungsträger im Versorgungsdiskurs
Kontakt: sg@docsecur.de
Wer das für Formalie hält, unterschätzt die Verantwortung, die Sprache heute tragen muss.
Ein Kommentar ist keine Meinung. Er ist Verpflichtung zur Deutung – dort, wo Systeme entgleiten und Strukturen entkoppeln.
Ich schreibe nicht, um zu erklären, was gesagt wurde. Ich schreibe, weil gesagt werden muss, was sonst nur wirkt, wenn es zu spät ist.
Denn wenn das Recht nur noch erlaubt, aber nicht mehr schützt, darf der Text nicht schweigen.
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