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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Apotheken und Unternehmen im Gesundheitswesen stehen am Kipppunkt eines strukturellen Umbruchs, der sich nicht länger als bloßer Trend deuten lässt. Die demografische Entwicklung mit einer alternden, schrumpfenden Bevölkerung trifft auf ein Versorgungssystem, das bereits durch ökonomischen Druck, regulatorische Widersprüche und digitale Fehlsteuerungen überlastet ist. Der Mensch wird zur Mangelressource – in Pflege, Produktion und pharmazeutischer Versorgung. Gleichzeitig drohen wirtschaftliche Risiken aus der Retaxationspraxis der Kassen: Selbst gesetzeskonforme Abgaben, etwa bei notgedrungener Stückelung infolge von Lieferengpässen, werden zunehmend in voller Höhe zurückgefordert. Apotheken geraten in eine paradoxe Lage, in der gesetzliche Verpflichtung und finanzielle Selbstvernichtung Hand in Hand gehen. Hinzu kommt der digitale Umbau der Versorgung über ePA und E-Rezept – groß angekündigt, schlecht implementiert. Technikmängel, Zugriffslücken und rechtliche Unsicherheit verwandeln die geplante Digitalisierung in einen weiteren Risikofaktor. Was als Modernisierung verkauft wird, droht zum Kontrollverlust zu werden – sowohl wirtschaftlich als auch strukturell.
Unternehmerstandort, Altersstruktur, Zukunftsfähigkeit
Wer die Demografie ignoriert, verliert die Grundlage für jeden unternehmerischen Erfolg
Wer heute ein Unternehmen führt, entscheidet in vielerlei Hinsicht längst nicht mehr nur für sich selbst. Besonders in Zeiten zunehmend volatiler Rahmenbedingungen müssen Standortbindung, unternehmerische Verantwortung und strategisches Denken in einem größeren Kontext verstanden werden. Was kurzfristig als Marktfrage erscheint, wird längerfristig zu einer demografischen Herausforderung. Der Mensch bleibt der limitierende Faktor – in der Produktion, in der Pflege, in der Versorgung. Und dieser Mensch wird älter, weniger und verteilungstechnisch zunehmend unausgewogen. Deutschland steht vor einer epochalen Umwälzung, die bislang von Politik und Gesellschaft zwar wahrgenommen, aber nicht im notwendigen Umfang antizipiert oder bearbeitet wird.
Gerade Unternehmer, die in der Regel langfristig an einen Ort gebunden sind, müssen sich der Tragweite dieser Entwicklung bewusst sein. Wer ein Gesundheitszentrum, eine Apotheke oder ein mittelständisches Versorgungsunternehmen betreibt, kann sich nicht allein auf Markttrends oder politische Kompensationen verlassen. Die Realität vor Ort wird zunehmend von dem bestimmt, was sich in der Bevölkerungspyramide abzeichnet: eine alternde Gesellschaft bei gleichzeitig stagnierendem oder schrumpfendem Nachwuchs. Dabei geht es nicht nur um Patienten oder Kunden, sondern auch um Fachkräfte, Versorgungsdichte und letztlich um gesellschaftliche Resilienz.
Die Brisanz dieser Entwicklung zeigt sich exemplarisch in China. Dort hat man über Jahrzehnte eine rigide Ein-Kind-Politik betrieben, die nun in einen demografischen Kater mündet. Ein Land, das wirtschaftlich expandieren wollte, steht nun vor der Aufgabe, seine älter werdende Bevölkerung zu versorgen. Was in urbanen Metropolen wie Peking oder Shanghai noch mit technologischen Mitteln aufgefangen werden kann, droht in den Provinzen zum Systemrisiko zu werden. Experten sprechen von einem gigantischen Altenheim, das sich in wenigen Jahrzehnten formiert haben wird. Und auch in Europa könnte ähnliches drohen, wenn nicht entschlossen gegengesteuert wird.
Zuwanderung wird dabei häufig als Lösung präsentiert, doch ist sie weder politisch unproblematisch noch automatisch funktional. Nur eine gezielte, qualifikationsorientierte und integrationsstarke Zuwanderung kann dem demografischen Trend effektiv begegnen. Was wir stattdessen erleben, ist ein Nebeneinander von politischer Sprachlosigkeit, populistischer Instrumentalisierung und administrativer Überforderung. Die notwendigen Reformen – von Familienpolitik über Bildung bis hin zu Infrastruktur und Gesundheitssystem – werden zwar immer wieder angemahnt, aber kaum systematisch umgesetzt.
Hinzu kommt ein wachsender Medienzirkus, der viele zentrale Fragen mit tagesaktuellen Aufregerthemen überdeckt. Statt den Blick zu schärfen, wird er vernebelt. Gerade Unternehmer sollten sich hiervon nicht ablenken lassen. Denn strategische Entscheidungen verlangen einen kühleren Kopf und eine Sicht jenseits der Schlagzeilen. Wer heute investiert, Mitarbeitende einstellt oder neue Versorgungskonzepte aufstellt, muss sich der realen Bevölkerungsstruktur und deren absehbaren Veränderungen stellen. Wer das ignoriert, handelt riskant – nicht nur für sich selbst, sondern für sein gesamtes Umfeld.
Deutschland erlebt derzeit eine paradoxe Gleichzeitigkeit von Alltagsstress und strategischer Orientierungslosigkeit. Man hat sich an das permanente Reagieren gewöhnt, das strategische Denken delegiert man entweder an ökonomische Modelle oder politische Programme, von denen man hofft, dass sie schon irgendwie greifen werden. Doch genau darin liegt das Problem: Wir verlassen uns auf Mechanismen, die unter den neuen demografischen Bedingungen schlicht nicht mehr funktionieren. Wer die Bevölkerungsstruktur nicht einplant, wird mit voller Wucht von ihr überrollt.
Dass China dabei zum warnenden Vorbild avanciert, ist eine historische Ironie. Jahrzehntelang wurde über die Überbevölkerung in Asien diskutiert, nun sehen wir die negativen Konsequenzen eines radikalen Gegensteuerns. Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie eine solche Entwicklung in einem auf soziale Sicherungssysteme angewiesenen Staat wie Deutschland eskalieren kann. Der Fachkräftemangel ist kein Konjunkturphänomen, sondern das erste Symptom eines grundlegenden Verschiebungsprozesses.
Strategisches Denken bedeutet heute mehr denn je: Demografie mitdenken. Nicht nur abstrakt oder akademisch, sondern konkret, vor Ort, in jeder unternehmerischen Entscheidung. Das betrifft Personal, Investitionen, Standortwahl und Geschäftsmodell gleichermaßen. Es ist kein Zufall, dass gerade im Gesundheitswesen, in der Pflege und bei Dienstleistungen die Engpässe zuerst sichtbar werden. Hier zeigt sich, was passiert, wenn man den Menschen als Ressource übersieht. Maschinen können viel, aber sie ersetzen keine zwischenmenschliche Versorgung, keine Pflege, keine kulturelle Eingebundenheit.
Wer weiterhin nur auf Effizienz, Skalierung oder kurzfristige Rentabilität setzt, wird scheitern. Der demografische Wandel stellt Fragen, die nach langfristiger Verantwortung, Weitsicht und interdisziplinärem Denken verlangen. Unternehmer, die das begreifen, sind nicht nur wirtschaftlich stabiler aufgestellt, sondern leisten auch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Zukunftsfähigkeit. Wer hingegen weiterhin nur auf das tägliche Geschäft schaut, wird irgendwann feststellen, dass der Markt zwar noch da ist, aber niemand mehr, der ihn bedienen kann. Oder nutzen.
Die Wahrheit ist einfach: Ohne Menschen kein Markt, ohne junge Generation keine Innovationskraft, ohne strategische Demografiepolitik kein soziales Gleichgewicht. Es ist Zeit, dass wir aufwachen – nicht aus Angst, sondern aus Verantwortung.
Stückelungsretax, Zuzahlungsfehler, Vermögensschutz
Warum Apotheken für gesetzeskonforme Abgaben zahlen und Retax-Versicherungen unverzichtbar werden
Die Abrechnungspraxis gesetzlich verordneter Arzneimittel steht zunehmend im Widerspruch zur gesetzlichen Versorgungsverpflichtung, insbesondere wenn Apotheken im Rahmen des ALBVVG gezwungen sind, auf alternative Packungsgrößen zurückzugreifen. Die durch Lieferengpässe erzwungene Stückelung medizinisch notwendiger Präparate birgt dabei ein strukturelles Risiko: Obwohl die Abgabe gesetzeskonform erfolgt, können Retaxationen durch die Krankenkassen in voller Höhe erfolgen – und die wirtschaftlichen Konsequenzen tragen allein die Apotheken. Die jüngsten Fälle zeigen, dass dabei insbesondere die Berechnung der Zuzahlung zum Streitpunkt wird. Krankenkassen bestehen auf einer packungsbezogenen Abrechnung, während Apotheken – im Sinne einer fairen Versorgung – auf eine einmalige Zuzahlung bei gleichbleibender Gesamtmenge setzen. Das Resultat ist ein faktisches Damoklesschwert über jeder korrekt dokumentierten Stückelung.
Für Apothekenbetreiber bedeutet dies mehr als nur ein bürokratisches Ärgernis. Die wirtschaftlichen Schäden durch solche Retaxationen können schnell fünfstellige Beträge erreichen, insbesondere wenn hochpreisige Arzneimittel betroffen sind oder gleich mehrere Packungen einer Wirkstoffkombination nötig sind. Die rechtliche Grauzone, in der diese Entscheidungen gefällt werden, ist dabei kein Zufall, sondern Ausdruck eines strukturellen Konflikts zwischen Versorgungspflicht und Kostenträgerinteresse. Die Apotheken geraten in einen Spagat zwischen rechtlich formalem Anspruch und pharmazeutischer Verantwortung. Der Schaden trifft den Betrieb – und zwar existenziell, wenn keine Vorsorge getroffen wurde.
In dieser Gemengelage rückt ein Aspekt in den Vordergrund, der lange Zeit von vielen Betrieben unterschätzt wurde: die gezielte Absicherung gegen Vermögensschäden aus Retaxationen. Während klassische Berufshaftpflichtversicherungen meist nur bei Personenschäden greifen und Betriebsausfallversicherungen selten administrative Regressforderungen abdecken, bietet die sogenannte Retaxversicherung – korrekter: Vermögensschadenhaftpflicht – eine gezielte Risikoabsicherung gegen die zunehmend willkürliche Regelauslegung durch Kostenträger. Diese Versicherung greift dort, wo weder menschliches Fehlverhalten noch höhere Gewalt vorliegen, sondern systemische Inkonsistenz zwischen Gesetz, Verordnung und Abrechnung.
Dabei sind es nicht nur Großbetriebe oder Filialstrukturen, die sich absichern müssen. Gerade Einzelapotheken mit knapper Liquiditätslage laufen Gefahr, durch eine oder zwei umfangreiche Retaxationen in wirtschaftliche Schieflage zu geraten. Dass Krankenkassen auch rückwirkend über Monate retaxieren und dabei eine gesamte Wirkstoffgruppe oder systematische Abgabeweise infrage stellen können, verschärft das Bedrohungspotenzial. Apothekeninhaber sind daher gut beraten, die Frage nach der Priorität einer solchen Versicherung nicht länger aufzuschieben. Es geht dabei nicht um das Ob, sondern um das Wann – und je früher die Absicherung greift, desto geringer das Restrisiko.
Ein weiterer Aspekt betrifft die interne Organisation. Um auch gegenüber Versicherern dokumentationssicher aufgestellt zu sein, müssen Apothekenbetriebe klare Prozesse zur Abgabeentscheidung, zur pharmazeutischen Begründung bei Abweichungen und zur revisionssicheren Archivierung etablieren. Nur so lassen sich Regressforderungen im Nachgang nachvollziehbar einordnen – und im besten Fall auch abwehren. Die beste Police nutzt wenig, wenn der Betrieb seine Entscheidungen nicht lückenlos dokumentieren kann. Deshalb ist die Kombination aus professioneller Risikoversicherung und durchdachter Abgabe- und Dokumentationsstrategie heute der einzig tragfähige Weg, sich gegen die strukturelle Erosion wirtschaftlicher Planungssicherheit zu stemmen.
Was dabei auffällt: Die Retaxationsgefahr betrifft nicht nur den Bereich der Stückelung, sondern breitet sich als Symptom eines tiefer liegenden Systems über viele Bereiche aus – vom E-Rezept über den Rahmenvertrag bis zur Hilfsmittelabgabe. Die strukturelle Unwägbarkeit wird zum Alltagselement. Und genau deshalb ist der gezielte Schutz gegen Vermögensschäden kein Sonderfall mehr, sondern betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.
Die Retaxation bei Stückelung ist mehr als ein Streit um Paragrafen oder Packungen. Sie offenbart ein zunehmend toxisches Verhältnis zwischen gesetzlichen Krankenkassen und den Leistungserbringern, das auf struktureller Unsicherheit, juristischer Unschärfe und ökonomischer Rücksichtslosigkeit beruht. Apotheken, die sich in Krisensituationen wie Lieferengpässen im Rahmen des gesetzlich Erlaubten bewegen, werden anschließend wirtschaftlich abgestraft – nicht, weil sie gegen Regeln verstoßen hätten, sondern weil sie dem Versorgungssystem Stabilität geben. Diese Umkehrung von Verantwortung und Risiko ist nicht nur unlogisch, sie ist gefährlich.
In der Konsequenz bedeutet das für Apothekenleiter eine Verschiebung der Prioritäten. Wo früher der Fokus auf Fachkompetenz, Kundenbindung und wirtschaftlicher Effizienz lag, muss heute auch die Frage nach systemischer Schadensbegrenzung gestellt werden. Die Vermögensschadenhaftpflicht ist dabei keine zusätzliche Absicherung für Spezialfälle, sondern eine Grundbedingung wirtschaftlicher Überlebensfähigkeit in einem Umfeld permanenter Abrechnungsrisiken. Ohne sie bleibt jede betriebliche Planung ein Spiel mit dem Feuer – denn der nächste Retaxbescheid kommt gewiss.
Dabei stellt sich nicht mehr die Frage, ob eine Retax-Versicherung gebraucht wird, sondern warum so viele Betriebe immer noch ohne diese elementare Absicherung arbeiten. Der Preis einer solchen Police steht in keinem Verhältnis zu den möglichen Schäden. Noch gravierender ist jedoch der psychologische Effekt: Wer sich absichert, kann wieder strategisch denken, statt im Modus der Notabwehr zu verharren. Der Glaube, man könne Retaxationsrisiken allein durch Sorgfalt vermeiden, ist längst überholt. Nicht selten sind es gerade die sorgfältig arbeitenden Betriebe, die bei der Einhaltung aller Vorschriften in Konflikt mit realitätsfernen Kassenauslegungen geraten.
Ein modernes Risikomanagement in der Apotheke muss daher den systemischen Charakter von Abrechnungsrisiken anerkennen und professionell beantworten. Das beginnt bei der Versicherungsstruktur und reicht über interne Prozesse bis zur rechtlichen Begleitung. Wer auf Dauer bestehen will, muss auch gegen Willkür abgesichert sein – nicht nur gegen Fehler. Die Stückelungsretax ist in dieser Hinsicht kein Sonderfall, sondern ein Symptom für ein zunehmend asymmetrisches System, das seine Versorger formal kontrolliert, aber ökonomisch ausbluten lässt. Wer das übersehen will, riskiert mehr als eine Rückforderung. Er riskiert seine Existenz.
Donald Trump, Kremlnähe, Justizskandal
Der Ex-Präsident im Fadenkreuz von Geheimdiensten, Gerichten und geopolitischer Intrige
Die zweite Präsidentschaft Donald Trumps steht von Beginn an unter einem Schatten, der sich bereits in seiner ersten Amtszeit bedrohlich abgezeichnet hatte – der Schatten des Kreml. Was einst als vage Vermutung, dann als politischer Skandal und schließlich als justiziell unvollendete Aufarbeitung diskutiert wurde, erhält mit der Rückkehr Trumps ins höchste Staatsamt der Vereinigten Staaten eine neue Dringlichkeit. Die Russlandverbindungen des Präsidenten, ihre historischen Spuren, ihre geheimdienstliche Bewertung und ihre geopolitischen Konsequenzen rücken wieder ins Zentrum der internationalen Aufmerksamkeit. Die „Akte Trump“ ist kein abgeschlossenes Kapitel, sondern ein fortlaufendes Risiko für die Integrität westlicher Demokratien.
Schon während seiner ersten Präsidentschaft wurden dem damaligen Amtsinhaber auffallende Sympathien gegenüber dem Kreml attestiert. Der demonstrative Respekt gegenüber Wladimir Putin, die wiederholten Zweifel an den Erkenntnissen amerikanischer Geheimdienste und die systematische Untergrabung transatlantischer Bündnisse ließen die Frage aufkommen, ob der Präsident der Vereinigten Staaten tatsächlich unabhängig agierte. Zahlreiche Kontakte seines Wahlkampfteams zu russischen Interessenvertretern, kryptische Aussagen zur Krim, die Entlassung von FBI-Direktor James Comey mitten in den Russland-Ermittlungen und die Behinderung von Sonderermittler Robert Mueller verstärkten den Verdacht, dass Trump nicht nur ein außenpolitischer Exzentriker war – sondern Teil eines vielschichtigen Einflussgefüges.
Die Recherchen amerikanischer Sicherheitsbehörden dokumentieren eine orchestrierte Kampagne russischer Stellen zur Beeinflussung der US-Wahl 2016, deren Nutznießer zweifellos Donald Trump war. Die gezielte Streuung manipulierter Inhalte in sozialen Medien, der koordinierte Diebstahl von E-Mails aus dem Clinton-Lager und die digitale Zersetzung des öffentlichen Diskurses lassen erkennen, dass hier nicht nur eine Wahl, sondern das Vertrauen in demokratische Verfahren selbst untergraben wurde. Dass Trump diese Vorgänge nicht nur verharmloste, sondern aktiv in seine eigene Rhetorik integrierte, verschärft die historische Last dieser Affäre.
Mit dem Wiedereinzug ins Oval Office im Jahr 2025 gewinnt diese Gemengelage an Brisanz. Denn Trumps Rückkehr wird nicht begleitet von politischer Reue oder juristischer Aufklärung, sondern von einer strategischen Immunisierung gegenüber den Vorwürfen. Der Präsident blockiert Ermittlungen, entlässt unliebsame Justizbeamte, schwächt Geheimdienste und ersetzt Schlüsselpositionen durch bedingungslos loyale Figuren. Die „Akte Trump“ bleibt unter Verschluss – nicht aus juristischer Klärung, sondern aus politischem Kalkül. Was bleibt, ist ein verunsicherter Staatsapparat, ein eingeschüchterter Sicherheitsapparat und eine internationale Gemeinschaft, die mit wachsendem Misstrauen auf das Verhalten der amerikanischen Führung blickt.
Die außenpolitische Orientierung der neuen Amtszeit unterstreicht diese Befürchtungen. Trumps demonstrative Missachtung der NATO, seine Annäherung an autoritäre Staaten und seine wiederholte Weigerung, Russland offen als strategischen Gegner zu benennen, legen den Verdacht nahe, dass die ideologische Nähe zum Kreml kein Zufall ist. Vielmehr entsteht der Eindruck eines Präsidenten, der geopolitische Rivalen nicht konfrontiert, sondern spiegelt – und damit das westliche Bündnissystem von innen schwächt. Während Osteuropa auf Verstärkung drängt, stellt Trump Militärhilfen infrage. Während Sicherheitsdienste vor Cyberangriffen warnen, verharmlost das Weiße Haus digitale Manipulationen als Medienkampagne. Die Trennlinie zwischen Naivität und Absicht verschwimmt gefährlich.
Auch innenpolitisch wirken die Strukturen, in denen Trump agiert, zunehmend wie Spiegelbilder autoritärer Systeme. Die Presselandschaft wird diskreditiert, Gerichte werden politisiert, Gegner kriminalisiert. Der Präsident spricht nicht mehr im Namen des Volkes, sondern im Modus des Dauerkonflikts mit dem Staat. In diesem Klima gedeiht jene Atmosphäre, in der außenpolitische Abhängigkeiten nicht als Sicherheitsrisiko wahrgenommen, sondern als Machtinstrument instrumentalisiert werden. Dass die Frage nach einer direkten Einflussnahme des Kremls inzwischen kaum mehr öffentlich diskutiert wird, ist nicht Beleg für ihre Irrelevanz – sondern für ihren Erfolg.
Die Wiederaufnahme alter Personalien – darunter Berater mit Russlandbezügen, Lobbyisten mit dubiosen Auslandskontakten und Medienstrategen mit Affinität zu Desinformationskampagnen – deutet darauf hin, dass Trumps Präsidentschaft nicht nur eine Rückkehr zur Macht, sondern zur Methode bedeutet. Die „Akte Trump“ ist damit keine abgeschlossene Affäre, sondern ein systemisches Risiko, das durch politische Wiederholung legitimiert wird. Je länger die Öffentlichkeit den Verdacht als Randthema abtut, desto mehr verfestigt sich eine Realität, in der außenpolitische Einflussnahme Teil der inneren Staatslogik geworden ist.
Die Vereinigten Staaten haben einen Präsidenten, dessen Verhältnis zu einer der zentralen geopolitischen Bedrohungen ihrer Zeit nicht geklärt ist. Die Brisanz liegt nicht nur im Inhalt, sondern in der Verdrängung: Ein Land, das sich weigert, seine eigenen Widersprüche offen zu benennen, verliert die Fähigkeit zur Selbstkorrektur. Die Geschichte wird über Trumps Russlandnähe nicht in Form abgeschlossener Kapitel urteilen – sondern als chronische Verwundung einer Demokratie, die sich ihrer Angreifbarkeit nicht stellen wollte.
Donald Trump regiert erneut – und mit ihm kehrt ein Schweigen zurück, das lauter ist als jede Enthüllung: das Schweigen über die strukturelle Nähe eines US-Präsidenten zur geostrategischen Agenda des Kremls. Die öffentliche Diskussion darüber ist verstummt, nicht weil sie obsolet geworden wäre, sondern weil sie politisch entwaffnet wurde. Die Frage, inwieweit Russland systematisch auf die Wahl Trumps Einfluss nahm, inwieweit sein persönliches Umfeld direkte Kontakte pflegte, sensible Informationen tauschte oder Abhängigkeiten kultivierte – all das wird heute nicht mehr verhandelt. Es ist Teil eines Schwebezustands geworden, in dem demokratische Prinzipien auf dem Altar des politischen Kalküls geopfert werden.
Trumps demonstrative Bewunderung für autoritäre Führung, seine Affinität für Desinformation, sein Misstrauen gegenüber eigenen Institutionen und seine gleichgültige Haltung gegenüber westlichen Bündnissen sind keine zufälligen Ausrutscher. Sie folgen einer Logik, die sich der politischen Transparenz entzieht und stattdessen narrative Kontrolle sucht. Der Kreml bietet hierfür das perfekte Gegenmodell – ein System, das Wahrheit als Werkzeug betrachtet, Loyalität über Recht stellt und Macht über Verfahren definiert. Dass Trump dieses Modell nicht nur bewundert, sondern partiell adaptiert, macht seine zweite Amtszeit zu einem strategischen Risiko für die liberale Weltordnung.
Dass amerikanische Institutionen diese Entwicklung nicht verhindert haben, ist Ausdruck eines tiefer liegenden Problems. Eine Demokratie, die strukturell zulässt, dass ein mutmaßlich fremdbeeinflusster Präsident erneut ins Amt gelangt, verliert ihre Abwehrkräfte. Die republikanische Partei trägt dafür die Mitverantwortung. Anstatt kritisch zu prüfen, wurde weggesehen, gerechtfertigt, relativiert. Was als Ausnahme galt, ist zur Normalität geworden – mit gravierenden Folgen. Das Vertrauen in die Integrität der Wahlprozesse, die Unabhängigkeit der Justiz und die Standfestigkeit des Kongresses ist beschädigt.
Wer glaubt, dass ein Präsident im Schatten des Kremls nur ein amerikanisches Problem sei, verkennt die geopolitische Tragweite dieser Lage. Wenn der mächtigste Mann der westlichen Welt bewusst Unklarheit über seine außenpolitischen Loyalitäten aufrechterhält, verschiebt sich das globale Machtgefüge. Allianzen geraten ins Wanken, Gegner gewinnen Spielraum, Demokratien verlieren den inneren Halt. Die Leerstelle, die entsteht, wenn ein Präsident nicht mehr eindeutig auf Seiten der offenen Gesellschaft steht, füllt sich nicht von selbst – sie wird von jenen besetzt, die mit dieser Offenheit nie etwas anfangen konnten.
Die „Akte Trump“ ist damit kein juristisches Problem, sondern ein zivilisatorisches. Sie zwingt uns zu fragen, ob wir bereit sind, Wahrheit gegen Stabilität zu tauschen, Erinnerung gegen Macht, Aufklärung gegen Kontrolle. Eine Demokratie, die ihre eigene Durchlässigkeit für Einflussnahme aus dem Ausland ignoriert, riskiert nicht nur ihre Glaubwürdigkeit – sie verliert ihre Souveränität. Trumps zweite Amtszeit ist nicht einfach eine politische Zäsur, sondern ein Prüfstein für die Widerstandsfähigkeit freier Gesellschaften gegen schleichende Infiltration.
Der Schatten des Kreml ist real – nicht weil er sich offen manifestiert, sondern weil er als blinder Fleck die Debatte strukturiert. Wer ihn nicht benennt, verlängert seine Wirkung. Wer ihn bagatellisiert, wird zum Komplizen. Und wer ihn duldet, öffnet das Tor zu einer politischen Ordnung, in der Wahrheit keine Kategorie mehr ist, sondern eine Option. Die Akte Trump verlangt keine Schlagzeilen – sie verlangt Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenz. Alles andere ist Kapitulation.
ePA, Techniklücken, Datenschutz – Apotheken am digitalen Kipppunkt
Die elektronische Patientenakte bringt statt Fortschritt vor allem neue Unsicherheiten für Apotheken.
Mit der Einführung der elektronischen Patientenakte beginnt für Deutschlands Apotheken eine neue Belastungsebene, die viele Betriebe unvorbereitet trifft und strukturell überfordert. Was ursprünglich als Innovation der digitalen Gesundheitsversorgung angekündigt wurde, zeigt sich in der Praxis als schwerfälliges, technikabhängiges, rechtlich unklares System, das den Apothekenalltag erschwert und neue Risiken mit sich bringt. Die Patientendaten liegen kaum vor, die Zugriffsmöglichkeiten sind bruchstückhaft, die Softwarelösungen uneinheitlich, und die Schulungslage unzureichend. Apotheken stehen vor der Aufgabe, technische Standards zu erfüllen, rechtssichere Prozesse zu garantieren und gleichzeitig eine Versorgung sicherzustellen, die durch die ePA eher behindert als unterstützt wird.
Der Zugang zur ePA basiert auf technischen Schnittstellen, deren Stabilität von System zu System variiert. Manche Apotheken berichten von Totalausfällen, andere von langsamen Reaktionszeiten oder falschen Datenformaten. Statt eines verlässlichen digitalen Werkzeugs erleben viele ein fragmentiertes System, das keinen vollständigen Überblick bietet und oft leer oder unstrukturiert ist. Die angekündigte Medikationshistorie existiert nur punktuell, ist oft veraltet oder widersprüchlich. Damit wird ein zentrales Versprechen der ePA – die Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit – im Apothekenalltag nicht eingelöst.
Die Haftung für Handlungen, die auf Basis dieser digitalen Informationen erfolgen, bleibt weitgehend unklar. Wenn Daten fehlen, unvollständig oder irreführend sind, tragen Apotheken dennoch Verantwortung für ihre Entscheidungen. Gleichzeitig wird ihnen keine rechtliche Klarheit darüber gewährt, ob sie sich auf die in der ePA hinterlegten Informationen verlassen dürfen. So entsteht ein juristisches Vakuum, das bei Fehlern fatale Konsequenzen haben kann – ohne dass Apotheken diese Risiken kalkulierbar steuern könnten.
Parallel zur technischen und rechtlichen Unsicherheit erleben Apotheken eine wachsende Entfremdung von der politischen Kommunikation. Während Ministerien von Fortschritt und digitaler Modernisierung sprechen, müssen Apothekenteams vor Ort improvisieren, schulen, kontrollieren, dokumentieren – ohne erkennbare Entlastung. Die ePA bringt keinen Effizienzgewinn, sondern erhöht den Dokumentationsaufwand, ohne medizinischen Nutzen oder ökonomischen Ausgleich. Patienten, insbesondere ältere und chronisch Kranke, nutzen die ePA kaum. Sie verstehen die Abläufe nicht, verlieren ihre Zugangsdaten oder scheitern an komplizierten Registrierungsprozessen. Die Akte bleibt leer – und die Apotheken stehen mit leeren Händen da.
Inmitten dieser Gemengelage fällt die ePA als Werkzeug aus, das zur Versorgungssicherheit beitragen soll. Sie wird vielmehr zu einem Symbol für einen digitalen Strukturbruch, bei dem die Apotheken als Letztverantwortliche agieren sollen, ohne die Mittel, Befugnisse oder Absicherungen zu erhalten, die eine verlässliche Einbindung ermöglichen würden. Die Gefahr besteht darin, dass die ePA nicht nur das Vertrauen der Patienten verspielt, sondern auch Apotheken langfristig dazu zwingt, sich von einem zentralen Zukunftsprojekt zu distanzieren. Ohne substanzielle Nachbesserung droht die elektronische Patientenakte zum Synonym für digitalen Stillstand zu werden – mit spürbaren Folgen für Versorgung, Effizienz und wirtschaftliche Stabilität im Apothekenwesen.
Die Einführung der ePA ist ein Paradebeispiel dafür, wie politisch motivierte Digitalisierung gegen die betriebliche Wirklichkeit prallt. Das System, das theoretisch mehr Transparenz, Sicherheit und Koordination ermöglichen sollte, ist in seiner praktischen Umsetzung ein unstrukturierter Kompromiss zwischen Datenschutzideologie, Technikgläubigkeit und fehlender Versorgungslogik. Für Apotheken ist dieser Zustand nicht nur unpraktisch, sondern riskant. Sie sollen technische Funktionen übernehmen, für die sie weder vorbereitet noch ausgestattet sind. Gleichzeitig müssen sie Verantwortung für die Nutzung eines Systems tragen, das ihnen keinen tatsächlichen Zugriff auf vollständige, aktuelle oder verwertbare Informationen bietet. Die ePA ist nicht patientenfreundlich, nicht apothekenfähig und nicht praxisgerecht.
Die Politik hat es versäumt, mit den Berufsgruppen zu sprechen, die das System täglich bedienen müssen. Sie hat IT-Firmen und Behörden in einen Prozess gedrängt, der vor allem dem Erscheinungsbild einer Reform dient, nicht aber dem Nutzen für Patienten oder dem Arbeitsalltag der Apotheken. Statt standardisierter Oberflächen, durchsuchbarer Datenstrukturen und rechtlicher Klarheit erleben Apotheken ein administratives Flickwerk, das neue Haftungsrisiken erzeugt und bestehende Prozesse verkompliziert.
Besonders irritierend ist der Kontrast zwischen der politischen Rhetorik und der Versorgungspraxis. Die Aussagen von Digitalministerien und Gesundheitsbehörden spiegeln ein Idealbild wider, das mit der täglichen Realität in keiner Weise übereinstimmt. Dort, wo Patientenakten leer bleiben, weil Menschen die App nicht nutzen, können keine Therapieentscheidungen getroffen werden. Dort, wo Technikversagen Zugriffe verhindert, nützen keine digitalen Prozesse. Und dort, wo Apotheken für Daten haften, auf die sie keinen Einfluss haben, versagt das System auf ganzer Linie.
Der Fehler liegt nicht allein in der Technik. Er liegt in der politischen Konstruktion eines Systems, das Verantwortlichkeiten nach unten durchreicht, ohne Handlungsmacht oder Ressourcen mitzugeben. Apotheken haben sich immer wieder als Stabilitätsanker erwiesen – bei Pandemien, Lieferengpässen, Rezeptumstellungen. Doch die ePA zwingt sie in eine Rolle, in der sie bei jeder Nutzung juristische Risiken eingehen, ohne dass ein greifbarer Nutzen für den Betrieb entsteht.
Diese Entwicklung ist gefährlich. Denn sie zerstört Vertrauen – bei Patienten, bei Apothekenteams und letztlich auch im System selbst. Eine digitale Reform, die die Beteiligten überfordert, anstatt sie zu entlasten, ist keine Reform. Sie ist ein Irrweg. Wenn die ePA nicht grundlegend überarbeitet, technisch stabilisiert, rechtlich abgesichert und operativ entlastend gestaltet wird, wird sie scheitern. Und mit ihr die Idee, dass digitale Strukturen das Gesundheitswesen effizienter machen können. Apotheken brauchen keine PDF-Ablage mit Haftungsrisiko. Sie brauchen ein funktionierendes, klares, sicheres System. Solange das nicht existiert, ist die ePA ein Fremdkörper – und zwar einer mit gefährlichen Nebenwirkungen.
E-Rezept, CardLink, Plattformstrategie – Wie Shop Apotheke den Markt aufrollt
Die neue Studie von Smile AI belegt den Vorsprung der Online-Versender und den Strukturwandel im Apothekenvertrieb.
Der Online-Apothekenmarkt in Deutschland befindet sich im beschleunigten Umbruch. Eine neue Studie der Agentur Smile AI zeigt, dass bis zum Jahr 2025 mit einem Nettoumsatz von über 4 Milliarden Euro im digitalen Arzneimittelversand zu rechnen ist. Wesentlicher Wachstumstreiber bleibt das elektronische Rezept, das insbesondere den Rx-Bereich befeuert. Hier liegt laut Studie der Marktanteil von Shop Apotheke bei 54 Prozent. DocMorris folgt mit deutlichem Abstand bei 29 Prozent. Damit konsolidiert sich ein Oligopol, das zunehmend vom Marktführer Shop Apotheke orchestriert wird.
CardLink, als Schnittstelle zwischen digitalem Rezept und mobiler Anwendung, ist bereits bei 12 der 19 größten Versandapotheken eingeführt. Die technische Infrastruktur verfestigt die Plattformdominanz einzelner Akteure und verstärkt die Abhängigkeit von mobilen Endgeräten. Smile AI verweist darauf, dass die mobile Nutzung der entscheidende Erfolgsfaktor der kommenden Jahre sei. Die Shop Apotheke dominiert nicht nur im Rx-Segment, sondern auch bei Apotheken-Apps. Der Ausbau mobiler Anwendungen gilt damit als strategisches Fundament für weiteres Wachstum.
Amazon wird in der Studie als potenzieller Wachstumsakteur hervorgehoben. 2024 erwirtschaftete der Konzern bereits 374 Millionen Euro im Bereich Gesundheitsprodukte, ohne selbst eine Apotheke zu betreiben. Trotz regulatorischer Unsicherheiten vor allem im OTC-Bereich bleibt Amazon laut Smile AI ein relevanter Faktor mit großem Expansionspotenzial. Auch dm kündigt den Einstieg in den OTC-Versand an, hat allerdings laut Einschätzung der Studienautoren noch mit Umsetzungsproblemen zu kämpfen. Sollte der Einstieg gelingen, sei mit einer weiteren Beschleunigung des Marktwachstums zu rechnen.
Derzeit dominieren wenige Anbieter den digitalen Markt. Neben Shop Apotheke und DocMorris gehören Amazon, dm sowie weitere Plattformen wie Medikamente-per-Klick, Apo.com oder Aponeo zur erweiterten Konkurrenzgruppe. Smile AI rechnet mit einer deutlichen Konsolidierung bis 2030, bei der nur einige wenige Hauptakteure den Markt bestimmen werden. Weniger Erfolgschancen werden Plattformen wie Gesund.de, Besamex oder IhreApotheken.de eingeräumt.
CEO Fabian Kaske kommentiert den Strukturwandel mit deutlichen Worten: Der Boom des E-Rezepts ändere die Spielregeln fundamental. Plattformtechnologien wie CardLink und die Marktdynamik rund um mobile Nutzung verschärften die Konkurrenzlage. Wer strategisch jetzt nicht handelt, könnte bis 2030 den Anschluss verlieren. Die Zahlen belegen bereits heute eine massive Marktkonzentration. Das Rx-Segment als bislang streng regulierter Bereich wird zunehmend durch digitale Vertriebskanäle beeinflusst. Die klassische Apotheke vor Ort gerät unter Druck.
Der gesamte Rx-Markt wird aktuell auf rund 68 Milliarden Euro geschätzt, während der OTC-Bereich etwa 10 Milliarden Euro umfasst. Wenn Online-Apotheken nach Einschätzung von Smile AI bis 2030 über 20 Milliarden Euro Umsatz generieren könnten, wäre dies ein signifikanter Paradigmenwechsel. Die physische Apotheke würde damit nicht verschwinden, aber ihre Rolle würde sich drastisch verändern.
Auch gesundheitspolitisch ist diese Entwicklung brisant. Die regulatorischen Unklarheiten, insbesondere in Bezug auf Amazon und neue OTC-Player, werfen Fragen auf – zur Arzneimittelsicherheit, zum Verbraucherschutz und zur Verantwortung von Plattformbetreibern. Bislang reagiert die Politik zögerlich. Es fehlt an einer konsistenten Digitalstrategie für den Apothekenmarkt. Der Strukturwandel vollzieht sich somit schneller als die Regulierung nachkommt.
Die Ergebnisse der Smile-AI-Studie lassen sich kaum anders deuten: Der deutsche Apothekenmarkt driftet in eine digitale Oligopolstruktur, in der Plattformkompetenz, App-Nutzung und technologische Integration über Marktmacht entscheiden. Shop Apotheke steht exemplarisch für diesen Wandel. Der massive Vorsprung im E-Rezept-Segment, kombiniert mit einer ausgereiften App-Infrastruktur und der Nutzung von CardLink, zeigt, wie sich klassische Versorgungsketten zugunsten digitaler Prozesse auflösen.
Bemerkenswert ist die Geschwindigkeit dieses Wandels. Binnen weniger Jahre hat sich ein Vertriebsmodell etabliert, das nicht mehr auf Präsenz, sondern auf Zugang basiert – Zugang zu Daten, zu Kundeninterfaces und zu Schnittstellen wie CardLink. Die Mobilisierung des Arzneimittelmarkts schreitet rasant voran. Wer heute nicht mobil stark aufgestellt ist, wird morgen keine Rolle mehr spielen. Das gilt nicht nur für Anbieter wie Amazon oder dm, sondern auch für jede Apotheke vor Ort, die sich strategisch behaupten möchte.
Die Verlierer dieser Entwicklung stehen ebenfalls bereits fest. Kleinere Plattformen und Apothekenkooperationen ohne eigene Digitalstrategie geraten ins Hintertreffen. Wer heute keine App, keine Schnittstelle, keine digitale Sichtbarkeit besitzt, wird von den großen Aggregatoren überrollt. Und auch auf Seiten der Politik ist die Trägheit fatal. Die regulatorische Passivität gegenüber global agierenden Plattformen wie Amazon oder dem Markteintritt branchenfremder Anbieter wie dm zeigt, dass die Politik die strukturelle Bedeutung der Apothekeninfrastruktur weiterhin unterschätzt.
Dabei geht es längst nicht mehr nur um Vertriebskanäle. Es geht um Versorgungssicherheit, um Arzneimittelsteuerung und letztlich um Kontrolle über einen zentralen Teil des Gesundheitssystems. Wenn digitale Anbieter ohne Apothekenpflicht regulatorisch toleriert werden, während lokale Apotheken mit Formalien und Rabattverhandlungen blockiert werden, droht ein systemisches Ungleichgewicht.
Die Studie von Smile AI ist daher nicht nur Marktbeobachtung, sondern ein Weckruf. Wer jetzt nicht investiert, verliert. Wer Regulierung verschleppt, verliert ebenfalls. Und wer glaubt, dass Vor-Ort-Apotheken ohne digitale Erneuerung bestehen könnten, irrt. Der Apothekenmarkt wird sich digital restrukturieren – die Frage ist nur, wer darin überlebt und wer nicht.
Gesundheitsfonds in der Krise, Warnschuss aus dem Ministerium, Milliardenlücke bleibt
Der Bund zahlt 800 Millionen Euro früher aus – eine Reform lässt aber bis 2027 auf sich warten
Die Bundesregierung zieht angesichts der akuten Finanznot der gesetzlichen Krankenversicherung eine geplante Zahlung in Höhe von 800 Millionen Euro vor. Wie aus einer internen Abstimmung zwischen Bundesgesundheitsministerium und Bundesfinanzministerium hervorgeht, wird der Betrag bereits Mitte Mai an den Gesundheitsfonds überwiesen, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Es handelt sich um eine Maßnahme, die im Gesetz vorgesehen ist, wenn die Liquiditätsreserve des Fonds unter eine kritische Marke fällt – konkret unter 20 Prozent der monatlichen Ausgaben. Diese Schwelle wurde nun erstmals unterschritten.
Die neue Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU), erst seit Kurzem im Amt, kommentierte die Lage in aller Deutlichkeit: Sie übernehme ein System in „tiefroten Zahlen“, und das Unterschreiten der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve sei ein „erster Warnschuss“. Die Aussage ist bemerkenswert, da sie nicht nur eine nüchterne Zustandsbeschreibung ist, sondern eine klare politische Positionierung signalisiert. Offenbar will die Ministerin die Haushaltslage der Krankenkassen nicht länger beschönigen – ein Bruch mit der zurückhaltenden Kommunikation ihrer Vorgänger.
Tatsächlich ist die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkassen prekär. Für das Jahr 2023 wiesen die Kassen ein Defizit von 6,2 Milliarden Euro aus. Bereits zu Jahresbeginn 2024 reagierten viele Krankenkassen mit deutlichen Erhöhungen der Zusatzbeiträge, was Millionen Versicherte finanziell zusätzlich belastet. Dennoch reichten diese Maßnahmen offenbar nicht aus, um die Liquidität der zentralen Verteilstelle, des Gesundheitsfonds, zu sichern. Der Fonds fungiert als Sammelstelle für Einnahmen und verteilt das Geld nach gesetzlich geregelten Kriterien an die einzelnen Kassen. Ein Absinken der Reserve unter das Mindestniveau gilt daher als systemisch gefährlich – denn dann drohen Engpässe bei der Auszahlung von Geldern für die Krankenversorgung.
In diesem Kontext greift nun ein automatischer Schutzmechanismus: Der Bundeszuschuss in Höhe von 14,5 Milliarden Euro jährlich kann anteilig vorgezogen werden, um die Zahlungsfähigkeit zu garantieren. Der Schritt ist formal legal, politisch aber brisant. Denn er verdeutlicht nicht nur die akute Notlage des Systems, sondern wirft auch ein Licht auf die versäumte Strukturreform in der GKV-Finanzierung. Zwar haben Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die GKV-Finanzen zu stabilisieren – doch konkrete Maßnahmen bleiben vorerst aus. Eine Kommission soll nun bis Frühjahr 2027 Reformvorschläge erarbeiten. Damit verschiebt sich die Lösung des Problems um weitere zwei Jahre – Zeit, die das System offenbar nicht hat.
Besonders kritisch: Die vorgezogene Zahlung kaschiert das strukturelle Defizit, ohne es zu beheben. Die Einnahmen der Krankenkassen steigen deutlich langsamer als ihre Ausgaben. Haupttreiber der Kosten sind die demografische Entwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt sowie eine zunehmende Anspruchshaltung in der Versorgung. Gleichzeitig fehlen belastbare Pläne, wie neue Finanzierungsquellen – etwa über höhere Steuerzuschüsse oder eine Ausweitung der Beitragspflicht – erschlossen werden könnten. Auch der von vielen Ökonomen geforderte einheitliche Versicherungsmarkt ist politisch blockiert.
Das Vorziehen der 800 Millionen Euro ist daher weniger ein Befreiungsschlag als ein stilles Eingeständnis des Scheiterns. Es zeigt, dass das System nur noch durch Ad-hoc-Maßnahmen zusammengehalten wird. Eine durchgreifende Reform der GKV-Finanzierung wäre dringend notwendig – doch der politische Wille dazu fehlt bislang. Die neue Gesundheitsministerin signalisiert immerhin, dass sie sich der Tragweite bewusst ist. Ob daraus konkrete Schritte folgen, bleibt offen.
Die Entscheidung, 800 Millionen Euro aus dem Bundeszuschuss vorzuziehen, ist keine proaktive Maßnahme, sondern ein Notfallmechanismus – ein Akt der Schadensbegrenzung, der die strukturelle Schieflage der gesetzlichen Krankenversicherung nur kaschiert. Dass die neue Ministerin diesen Schritt als „ersten Warnschuss“ deutet, zeigt immerhin einen Hauch politischer Ehrlichkeit. Doch der Schuss kommt spät, und die eigentliche Zielscheibe bleibt unberührt.
Seit Jahren ist bekannt, dass das GKV-System auf Kante genäht ist. Die Kassen haben kaum Spielraum, ihre Einnahmen orientieren sich am Lohnniveau, die Ausgaben aber explodieren. Technologischer Fortschritt, alternde Bevölkerung, medizinischer Mehraufwand – das alles wird längst nicht mehr durch Beitragssätze aufgefangen. Dass ein derart fragiles System an einem starren Finanzierungsmodell hängt, ist ein Anachronismus, der den Kollaps nur hinauszögert.
Die politische Reaktion wirkt hilflos. Dass eine Reformkommission erst bis 2027 Ergebnisse liefern soll, ist ein Offenbarungseid. Niemand braucht drei weitere Jahre zum Rechnen – die Defizite liegen offen, die Vorschläge seit Jahren auf dem Tisch: Steuerfinanzierung, Bürgerversicherung, Solidarausgleich, Zusatzbeitragskorrekturen. Doch jede Option scheitert am politischen Stillstand, an der Angst vor Wählerverlusten und Lobbyinteressen.
Die 800 Millionen Euro aus der Reserve helfen kurzfristig – strukturell ändern sie nichts. Im Gegenteil: Sie verstärken die Illusion, man könne sich durch Zeit schummeln. Die Wahrheit ist: Die Zahlungsfähigkeit der GKV wird Jahr für Jahr durch das Verfeuern letzter Reserven gesichert. Dabei wäre eine echte Neuordnung des Systems – eine ehrliche Bestandsaufnahme, klare Priorisierung und mutige Entscheidungen – der einzig nachhaltige Ausweg.
Wenn Nina Warken ihren Warnschuss ernst meint, muss sie liefern. Keine Kommission bis 2027, sondern ein Reformfahrplan bis Jahresende. Keine kosmetischen Beitragserhöhungen, sondern echte Systemkorrekturen. Keine Schuldzuweisungen an die Vergangenheit, sondern Verantwortung für die Zukunft. Wer mit einem Defizit von sechs Milliarden startet, kann sich keine Zeitspielerei leisten. Die Liquiditätsreserve ist nicht nur ein technisches Konstrukt – sie ist das letzte Polster eines Systems, das längst aus dem Gleichgewicht geraten ist.
Je mehr Paracetamol im Alter, desto höher die Gefahr für Organschäden
Neue Daten belegen drastische Risiken bei Arthrosepatienten und multimorbiden Senioren
Mit der vermeintlich harmlosen Einnahme von Paracetamol im Alter steht ein therapeutischer Grundpfeiler auf dem Prüfstand. Eine aktuelle Kohortenstudie aus Großbritannien rückt das gängige Bild vom sanften Schmerzmittel in ein neues Licht. Die systematische Analyse von Daten aus dem „Clinical Practice Research Datalink“ (CPRD-Gold), einer der größten Gesundheitsdatenbanken Europas, offenbart ein erhebliches Risiko für schwerwiegende unerwünschte Ereignisse bei älteren Patientinnen und Patienten. Rund 583.000 Personen über 65 Jahren wurden analysiert, darunter über 180.000 mit mindestens zwei Paracetamol-Verordnungen innerhalb von sechs Monaten. Die Beobachtungszeit betrug im Mittel 4,6 Jahre – ausreichend, um sowohl kurz- als auch langfristige Effekte abzubilden.
Herzstück der Auswertung ist das sogenannte Propensity Score Matching, mit dem sich Gruppen gleichen Risikoprofils gegenüberstellen lassen. Auf dieser methodisch fundierten Basis zeigt sich eine deutliche Zunahme gesundheitlicher Komplikationen bei jenen, die regelmäßig Paracetamol einnahmen. Besonders häufig traten gastrointestinale Blutungen, Ulzerationen und Perforationen auf – sowohl im oberen als auch im unteren Verdauungstrakt. Damit widerlegt die Studie eine zentrale Annahme der bisherigen Schmerztherapie: dass Paracetamol magenverträglicher sei als klassische NSAR. Auch das kardiovaskuläre Risiko war signifikant erhöht: Herzinsuffizienz und arterielle Hypertonie nahmen unter Paracetamol deutlich zu. Parallel stieg die Inzidenz chronischer Nierenerkrankungen – ein Effekt, der sich durch alle Altersgruppen und Komorbiditätsgrade zog.
Noch gravierender ist der dosisabhängige Zusammenhang. Je häufiger Paracetamol verschrieben und eingenommen wurde, desto stärker war das Risiko für schwerwiegende Komplikationen ausgeprägt. Die Studienautoren sprechen von einer „klaren Dosis-Wirkungs-Beziehung“, die nicht nur die generelle Sicherheit von Paracetamol infrage stellt, sondern auch ihre Verharmlosung in der alltäglichen ärztlichen Praxis. Besonders betroffen war eine Subgruppe von Arthrosepatienten, die häufig und regelmäßig Paracetamol erhalten. Auch in dieser Gruppe stieg das Risiko für distale gastrointestinale Blutungen, Hypertonie und Nierenschäden deutlich an.
Für die klinische Praxis hat die Studie weitreichende Konsequenzen. Die Autoren sprechen sich explizit gegen einen routinemäßigen Einsatz von Paracetamol bei chronischen Schmerzen im Alter aus. Die bislang angenommene Sicherheit ist aus ihrer Sicht nicht länger haltbar – zumal die analgetische Wirkung bei chronischen Schmerzsyndromen ohnehin begrenzt sei. Die Nutzen-Risiko-Bilanz fällt damit deutlich ungünstiger aus als bisher angenommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die COX-Hemmung durch Paracetamol bislang systematisch unterschätzt wurde. Die Ähnlichkeit des Nebenwirkungsprofils zu NSAR ist inzwischen durch verschiedene pharmakologische Studien belegt, wurde aber bisher klinisch kaum berücksichtigt.
Auch auf regulatorischer Ebene zeigt sich ein Umdenken. Die britische Gesundheitsbehörde NICE hatte bereits 2022 reagiert und empfiehlt Paracetamol bei Arthrose nicht mehr als Mittel der ersten Wahl. Die jetzt vorgelegte Studie stützt diese Linie mit belastbaren Langzeitdaten und könnte eine Neubewertung auch in anderen Ländern anstoßen. In Deutschland ist Paracetamol weiterhin eines der am häufigsten verordneten Analgetika – insbesondere bei älteren Menschen, multimorbiden Patientinnen und Patienten sowie Pflegeheimbewohnern. Gerade in dieser besonders vulnerablen Gruppe müsste der Einsatz vor dem Hintergrund der Studienergebnisse kritisch überprüft werden.
Dass Paracetamol aufgrund seiner Rezeptfreiheit und günstigen Kosten bislang oft als erste Wahl galt, könnte sich als gefährlicher Trugschluss erweisen. Denn in der geriatrischen Schmerzmedizin steht die Verträglichkeit oft im Vordergrund, während mögliche Langzeitschäden durch kumulierte Dosierungen unterschätzt werden. Die neue Datenlage wirft damit nicht nur ein Schlaglicht auf ein vermeintlich harmloses Medikament, sondern auf eine ganze Versorgungslogik, die auf Gewohnheit statt Evidenz beruht. Die Forderung der Studienautoren ist unmissverständlich: Die Therapieentscheidung muss künftig individueller, risikoabhängiger und vor allem kritischer getroffen werden – besonders bei älteren Patientinnen und Patienten mit multiplen Vorerkrankungen.
Die Relevanz dieser Erkenntnisse geht über die konkrete Medikation hinaus. Denn sie verdeutlicht, wie rasch eine weit verbreitete Arznei zum systemischen Risiko werden kann, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse den klinischen Alltag nicht erreichen oder nicht rechtzeitig ernst genommen werden. In einer alternden Gesellschaft, die auf funktionierende Schmerztherapie angewiesen ist, braucht es mehr als ein günstiges, scheinbar verträgliches Standardmedikament. Es braucht Evidenz – und die hat sich im Fall von Paracetamol grundlegend verschoben.
Die Mär vom harmlosen Schmerzmittel ist endgültig vorbei. Paracetamol, lange Zeit als sichere Option in der Schmerztherapie älterer Menschen gefeiert, entpuppt sich als tickende Zeitbombe. Die neue Studie liefert keine bloßen Warnsignale, sondern klare, robuste Evidenz für ein systemisches Risiko. Was bislang als gut verträgliches Standardanalgetikum in Pflegeheimen, Hausarztpraxen und Kliniken breit eingesetzt wurde, zeigt nun ein Nebenwirkungsprofil, das selbst Kritiker überraschen dürfte. Blutungen, Herzversagen, Nierenschäden – das ist keine seltene Ausnahme, sondern ein dosisabhängiger Effekt. Die Erkenntnis ist ebenso unbequem wie unausweichlich: Paracetamol ist nicht mehr das, was es einmal zu sein schien.
Besonders erschütternd ist, wie sehr sich die Diskrepanz zwischen ärztlicher Gewohnheit und wissenschaftlicher Evidenz verfestigt hat. Trotz früherer Hinweise auf eine COX-Hemmung, die Paracetamol näher an NSAR rückt als gemeinhin angenommen, wurde das Medikament weiterhin als „verträglich“ etikettiert. Die vorliegende Studie bringt dieses Argument endgültig zum Einsturz. Was bleibt, ist ein Lehrstück über medizinische Trägheit und therapeutische Bequemlichkeit – und eine schmerzhafte Mahnung, dass Verfügbarkeit und Preis keine Garanten für Sicherheit sind.
Die therapeutische Trägheit wird dabei zum eigentlichen Skandal. Denn besonders in geriatrischen Settings, wo Patienten ohnehin fragil, multimedikamentös behandelt und anfällig für Nebenwirkungen sind, wiegt jede Fehleinschätzung doppelt. Die systematische Verschreibung eines Medikaments mit nachweislich steigendem Risikopotenzial ist nicht bloß fahrlässig, sondern in höchstem Maße unverantwortlich. Dass NICE bereits 2022 die Reißleine zog, ist bezeichnend – und sollte auch für deutsche Akteure Grund zum Umdenken sein. Die evidenzbasierte Medizin darf nicht an der Tür zur Hausarztpraxis haltmachen.
Paracetamol steht beispielhaft für einen breiteren Missstand: die unkritische Weiterverwendung einst etablierter Medikamente in einer sich wandelnden demografischen und epidemiologischen Realität. Alter, Multimorbidität und Polypharmazie machen jedes Medikament zu einer potenziellen Gefahr – und verlangen eine deutlich differenziertere Abwägung als sie im Praxisalltag oft erfolgt. Die Entscheidung für ein Analgetikum darf nicht länger auf Gewohnheit basieren, sondern muss Risiko und Wirkung individuell abwägen. Die neue Studienlage bietet dafür ein solides Fundament.
Die Zeit der Verharmlosung ist vorbei. Wer heute Paracetamol bei älteren Schmerzpatienten verordnet, ohne die neuen Risiken zu berücksichtigen, handelt nicht mehr evidenzbasiert, sondern gefährlich rückständig. Der Paradigmenwechsel ist überfällig – nicht nur auf dem Papier klinischer Leitlinien, sondern im konkreten therapeutischen Handeln. Die geriatrische Schmerztherapie muss endlich aus dem Schatten der Bequemlichkeit treten. Das kostet Zeit, Reflexion – und manchmal auch die Bereitschaft, sich selbst zu korrigieren. Doch genau das ist der Kern ärztlicher Verantwortung.
Wiederanstieg bei Mpox, Impfangebote greifen nicht, Präventionsstrategie fraglich
Die bundesweit steigenden Fallzahlen zeigen: Die bisherigen Maßnahmen reichen nicht aus, um gefährdete Gruppen nachhaltig zu schützen.
Die Mpox-Infektionen in Deutschland steigen 2025 deutlich früher als erwartet und lassen bereits im Mai die bundesweiten Gesamtzahlen des Vorjahres in greifbare Nähe rücken. Laut aktuellem Bulletin des Robert Koch-Instituts wurden bis zum 11. Mai bereits 229 Fälle registriert – nur 41 weniger als im gesamten Jahr 2024. Besonders drastisch zeigt sich der Anstieg in Berlin: Mit 74 bestätigten Erkrankungen übertrifft die Hauptstadt schon jetzt den Wert des gesamten Vorjahres. Die Entwicklung wirft Fragen zur Effektivität der bestehenden Impf- und Aufklärungsmaßnahmen auf, zumal sich gerade in Berlin eine potenziell gut erreichbare Zielgruppe mit erhöhtem Infektionsrisiko zeigt – aber offenbar nicht flächendeckend geimpft wurde.
Wie die Berliner Schwulenberatung mitteilt, liegt für 66 der 74 Fälle ein Impfstatus vor, wobei nur 30 Männer mindestens einmal gegen Mpox geimpft waren. Dies bedeutet, dass mehr als die Hälfte der Infizierten trotz Impfverfügbarkeit nicht geschützt war. Gleichzeitig verweist die Kassenärztliche Vereinigung Berlin darauf, dass die Impfung in HIV-Schwerpunktpraxen und seit September auch bei Haus- und Fachärzten erhältlich sei. Für Menschen ohne Krankenversicherung bieten Einrichtungen wie das Checkpoint BLN und das Zentrum für sexuelle Gesundheit Mitte kostenfreie Impfungen an. Die Frage bleibt dennoch bestehen, warum dieses Angebot in Risikogruppen nicht besser angenommen oder vermittelt wird.
Die Situation erinnert an die Mpox-Welle im Jahr 2022, als Berlin mit über 1500 bestätigten Fällen besonders stark betroffen war. Im Unterschied zur damaligen akuten Lage liegt heute allerdings kein völliges Versorgungsdefizit mehr vor. Vielmehr scheint das Problem struktureller Natur: Impfkampagnen erreichen zwar formal die richtigen Zielgruppen, die tatsächliche Inanspruchnahme bleibt jedoch ungleich verteilt. Gründe dafür könnten mangelnde Aufklärung, fehlendes Vertrauen oder bürokratische Hürden sein. Zudem bleibt unklar, inwieweit Impfungen als Teil der allgemeinen Gesundheitsversorgung auch ohne explizite Risikozuordnung aktiv angeboten werden.
Einzelne Infektionsmeldungen außerhalb der urbanen Zentren deuten zudem auf eine schleichende geografische Ausbreitung hin. So wurde in Nordwestmecklenburg eine Mpox-Infektion bei einem Mann festgestellt. Der Landkreis bestätigte den Fall und leitete in Absprache mit dem Gesundheitsdienst die Isolierung sowie eine Nachverfolgung der Infektionskette ein. Landrat Tino Schomann kündigte koordinierte Maßnahmen zur Eindämmung an – ohne jedoch konkrete Details zu benennen. Bemerkenswert ist, dass der Fall zeitlich kurz nach dem ersten Nachweis einer neuen Virusvariante in Niedersachsen im April auftritt. Ob ein Zusammenhang besteht, bleibt offen.
Mpox wird nach bisherigen Erkenntnissen hauptsächlich über engen Körperkontakt und insbesondere sexuelle Kontakte übertragen. Die Symptome reichen von grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen bis zu geschwollenen Lymphknoten und charakteristischen Hautveränderungen wie Pusteln oder Flecken. Die Erkrankung verläuft bei vielen Betroffenen mild oder asymptomatisch, was jedoch das Infektionsrisiko für Kontaktpersonen erhöht. In Deutschland wurden bislang keine Todesfälle gemeldet, dennoch empfiehlt das RKI insbesondere Männern mit häufig wechselnden Sexualpartnern die Impfung mit zwei Dosen.
Die Wiederzunahme der Fallzahlen – gepaart mit regionalen Ausbrüchen und einer weiterhin zu geringen Impfquote – lässt den Eindruck entstehen, dass Mpox zwar als bekanntes, aber nicht als nachhaltig bekämpftes Gesundheitsrisiko wahrgenommen wird. Die gesundheitspolitische Aufmerksamkeit hat sich offenkundig anderen Themen zugewandt. Dies rächt sich nun in Form eines Rückfalls in alte Muster: passive Impfkampagnen, ungleiche Versorgungsrealität, zu spät reagierende Behörden. Dabei steht das Wissen zur Eindämmung längst bereit – es wird nur nicht konsequent umgesetzt.
Dass sich die Mpox-Fallzahlen in Deutschland bereits im Mai 2025 auf dem Niveau des gesamten Vorjahres bewegen, ist kein epidemiologischer Zufall, sondern ein absehbares Ergebnis politischer und struktureller Versäumnisse. Trotz bestehender Impfangebote und verfügbarer Aufklärung scheinen große Teile der potenziell betroffenen Zielgruppen nicht nachhaltig erreicht worden zu sein. Das zeigt exemplarisch der Berliner Anstieg: mehr Fälle, mehr Zugang – aber keine höhere Schutzwirkung. Ein Paradoxon, das nicht mit individuellen Fehlentscheidungen zu erklären ist, sondern auf systemische Ursachen verweist.
Gesundheitskommunikation, die auf risikoadaptierte Selbstverantwortung setzt, funktioniert nur, wenn sie klar, niedrigschwellig und dauerhaft präsent ist. Doch genau hier versagt die bisherige Präventionsarchitektur. Die Mpox-Impfung ist zwar verfügbar, sie wird aber vielerorts weder aktiv angeboten noch konsequent beworben. Die Botschaften sind zu schwach, die Wege zur Impfung zu kompliziert, und die Verantwortlichkeiten zwischen Praxen, Kassen und öffentlichen Stellen zu diffus verteilt. Wer glaubt, dass die Pandemieerfahrung automatisch zu höherem Präventionsbewusstsein geführt habe, wird durch die Mpox-Realität eines Besseren belehrt.
Besonders bedenklich ist die politische Geringschätzung des Problems. Mpox gilt in den Köpfen vieler Verantwortlicher längst als medizinisch beherrschbar – ein erledigtes Kapitel. Dass sich das Virus nun wieder flächendeckend ausbreitet, wird allenfalls registriert, aber nicht zum Anlass für strukturpolitische Konsequenzen genommen. Ein neuer Fall in Nordwestmecklenburg, eine neue Virusvariante in Niedersachsen – all das müsste Alarmstufe Gelb bedeuten. Stattdessen herrscht Schweigen oder technokratisches Abarbeiten. Das Versäumnis liegt nicht im Virus, sondern in der Gleichgültigkeit gegenüber seiner sozialen Dynamik.
Denn Mpox ist mehr als nur eine Viruserkrankung – es ist ein Indikator für soziale Schieflagen und Versorgungsversagen. Die Tatsache, dass sich Menschen ohne Krankenversicherung an wenigen zentralen Stellen kostenlos impfen lassen können, ist begrüßenswert, aber auch bezeichnend. Sie zeigt, wie eng strukturelle Lücken mit gesundheitlichen Risiken verknüpft sind. Wer nicht erreicht wird, bleibt ungeschützt. Und wer nicht zählt, wird auch in der Statistik zur Randnotiz.
Die gesundheitspolitische Reaktion muss jetzt mehr sein als ein Hinweis auf Praxisverzeichnisse und Beratungsangebote. Es braucht eine aktive, sozial eingebettete Impfstrategie, die nicht auf Eigeninitiative hofft, sondern Verantwortung sichtbar macht. Denn Prävention ist kein Appell, sondern eine Infrastrukturfrage. Wenn der Staat hier erneut zu spät reagiert, wird sich die Mpox-Situation weiter verschärfen – mit dem bitteren Beigeschmack, dass man alles hätte wissen, planen und verhindern können. Wer heute nicht handelt, trägt morgen die Verantwortung für eine vermeidbare Epidemie.
Welt-Hypertonie-Tag, pharmazeutische Dienste, Medienresonanz
Apotheken rücken mit Blutdruckmessung in den Fokus der Öffentlichkeit
Am 17. Mai steht der Welt-Hypertonie-Tag auf dem Kalender – ein internationaler Anlass, der in diesem Jahr auch in deutschen Apotheken spürbar wird. Denn die Deutsche Presseagentur (dpa) hat eine Mitteilung der Landesapothekerkammer Hessen zum Anlass genommen, um die kostenfreie Blutdruckmessung in Apotheken als pharmazeutische Dienstleistung ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Unter dem Titel „Was man zur Blutdruckmessung in der Apotheke wissen muss“ hat die Nachrichtenagentur einen patientenorientierten Hintergrundtext veröffentlicht, der seither von zahlreichen Leit- und Regionalmedien übernommen wurde. Ob „Handelsblatt“, „Süddeutsche Zeitung“ oder „Geo“ – sie alle greifen die Botschaft auf: Apotheken sind Anlaufstellen für Gesundheitsprävention, deren Angebot zu selten genutzt wird.
Der Text hebt hervor, dass Apotheken auf Grundlage der pharmazeutischen Dienstleistung „Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck“ einmal jährlich kostenlos den Blutdruck jener Patienten kontrollieren dürfen, die blutdrucksenkende Medikamente verschrieben bekommen haben. Wer kürzlich das Präparat gewechselt hat, kann das Angebot sogar vor Ablauf der Jahresfrist erneut in Anspruch nehmen. Damit wird eine Versorgungslücke geschlossen, die zwischen hausärztlicher Behandlung und Patientenrealität besteht – gerade bei jenen, die nur sporadisch oder gar nicht ärztlich angebunden sind.
Im Detail erklärt die dpa-Meldung den Ablauf der Messung, die bewusst standardisiert und qualitativ abgesichert durchgeführt wird: Nach einer kurzen Ruhephase misst das Apothekenteam dreimal in Folge den Blutdruck – wahlweise am Oberarm oder Handgelenk. Der Mittelwert der zweiten und dritten Messung dient als diagnostisch aussagekräftiger Richtwert. Doch die Dienstleistung erschöpft sich nicht in einer technischen Zahlenerhebung. Vielmehr erhebt das Apothekenteam begleitend anamnestische Daten, fragt nach Vorerkrankungen, individuellen Risikofaktoren sowie bestehenden Medikationen. Dieses strukturierte Vorgehen führt zu einer fundierten Einschätzung des Blutdruckstatus – samt dokumentierter Ergebnisse und möglicher Empfehlungen zur Anpassung der Therapie, die mit dem behandelnden Arzt besprochen werden können.
Für diese Leistung wird kein Rezept benötigt, keine Zuzahlung fällig, kein bürokratischer Hürdenlauf verlangt. Die Patientinnen und Patienten profitieren von einem niedrigschwelligen Zugang, der Beratung, Messung und Risikoerfassung in einem verbindlichen, qualitätsgesicherten Verfahren vereint. Dass viele Menschen dieses Angebot bislang nicht „auf dem Schirm“ hätten, wie es die dpa formuliert, verweist auf ein strukturelles Kommunikationsproblem – und zeigt zugleich, wie entscheidend gezielte Öffentlichkeitsarbeit sein kann.
Die Landesapothekerkammer Hessen hatte am 7. Mai mit einer Pressemitteilung gezielt auf den Welt-Hypertonie-Tag hingewiesen und darin die kostenlose Blutdruckmessung in den Vordergrund gestellt. Offenbar mit Erfolg: Die schnelle mediale Resonanz deutet darauf hin, dass das Thema in der Öffentlichkeit auf fruchtbaren Boden fällt – nicht zuletzt, weil es ein alltägliches, millionenfach relevantes Gesundheitsrisiko adressiert. Bluthochdruck gehört zu den häufigsten chronischen Erkrankungen, wird jedoch oft zu spät erkannt und schlecht kontrolliert. Apotheken können hier als niedrigschwellige, kompetente Schnittstellen fungieren – ein Argument, das angesichts der zunehmend belasteten Hausarztpraxen auch politisch an Gewicht gewinnt.
Für Apothekenteams bietet sich über den pDL Campus der ABDA eine umfangreiche Unterstützung: Erfassungsbögen, Prozessbeschreibungen, Vertragsunterlagen und Quick Start Guides stehen online bereit, um die Dienstleistung effektiv in den Apothekenalltag zu integrieren. Die Messung selbst ist mit etwa 15 Minuten Zeitaufwand realistisch planbar und fügt sich gut in die übrigen Abläufe der Patientenberatung ein. In der Konsequenz entsteht ein doppelter Nutzen: Die Patientensicherheit wird verbessert, und Apotheken stärken zugleich ihren Status als unverzichtbare Partner im ambulanten Versorgungssystem.
Dass diese Verbindung nun über die Medienöffentlichkeit transportiert wird, ist mehr als ein PR-Erfolg. Es ist ein Schritt in Richtung funktionaler Gesundheitsbildung – mit einem klaren Nutzen für die Bevölkerung und einem gestärkten Berufsbild für die Apotheken. Der Welt-Hypertonie-Tag wirkt damit weit über seinen symbolischen Anlass hinaus: Er aktiviert professionelle Strukturen, fördert den Dialog zwischen Patient und Apotheke und eröffnet neue Perspektiven für die Weiterentwicklung pharmazeutischer Dienstleistungen im Alltag der Menschen.
Dass ausgerechnet eine der am häufigsten übersehenen Gesundheitsgefahren nun über einen journalistischen Service-Text den Weg in die mediale Mitte gefunden hat, ist kein Zufall – sondern das Ergebnis strategisch platzierter Kommunikation und einer wachsenden Offenheit für niedrigschwellige Versorgungsangebote. Die Tatsache, dass die Deutsche Presseagentur ausgerechnet die Apotheken in den Mittelpunkt ihrer Welt-Hypertonie-Tag-Berichterstattung rückt, markiert einen Wendepunkt in der öffentlichen Wahrnehmung pharmazeutischer Dienstleistungen. Was lange als „nettes Extra“ galt, wird nun zunehmend als essenzieller Baustein der Gesundheitsversorgung verstanden – nicht zuletzt in Zeiten ärztlicher Überlastung und systemischer Engpässe in der Grundversorgung.
Die bundesweite Verbreitung der Meldung über Print- und Onlineportale hinweg zeigt: Die Bevölkerung ist empfänglich für präzise, alltagsrelevante Gesundheitsinformationen. Dass die Apotheken als qualifizierte, erreichbare Ansprechpartner im Kontext chronischer Erkrankungen auftreten, ist dabei keine Marketingmaßnahme, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Bluthochdruck ist keine exotische Diagnose, sondern betrifft Millionen – oft unerkannt, unbehandelt oder schlecht kontrolliert. Die Schwelle zur Frühintervention liegt niedrig. Dass sie nun auf der Apothekentheke zu finden ist, verdient nicht nur mediale, sondern auch politische Aufmerksamkeit.
Gleichzeitig wird an diesem Beispiel deutlich, wie entscheidend professionell gesteuerte Öffentlichkeitsarbeit geworden ist. Ohne die Pressemitteilung der Landesapothekerkammer Hessen wäre es kaum zur bundesweiten Sichtbarkeit des Themas gekommen. Der Appell an andere Kammern, Verbände und Institutionen liegt auf der Hand: Wer strukturelle Versorgungsangebote positionieren will, muss sie auch strukturiert kommunizieren. Die Bevölkerung fragt nicht nach Abkürzungen wie „pDL“, sondern nach Lösungen für konkrete Sorgen – und genau da setzt die aktuelle Berichterstattung an. Sie übersetzt Komplexität in Lebensrealität.
Die ABDA tut gut daran, diesen Impuls weiterzutragen. Denn was derzeit punktuell durch den Welt-Hypertonie-Tag ausgelöst wird, sollte nicht im medialen Strohfeuer enden. Es braucht eine nachhaltige Verankerung pharmazeutischer Dienstleistungen im kollektiven Gesundheitsverständnis – jenseits von Aktionstagen. Die technische Verfügbarkeit ist da, das Fachwissen ebenso. Was fehlt, ist die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit, mit der Menschen ihre Apotheke nicht nur als Abgabestelle, sondern als Versorgungspartner nutzen.
Diese Entwicklung lässt sich nicht verordnen, aber ermöglichen. Mit jeder qualitätsgesicherten Messung, mit jedem professionellen Beratungsgespräch wächst das Vertrauen. Es ist an der Zeit, dass die Apotheken den Schritt aus der Reaktionsrolle in die proaktive Gesundheitskommunikation gehen – nicht nur am 17. Mai.
Mord mit Medikamenten, Suizid durch Pflanzen, Tod im Rauch
Wie forensische Toxikologen bei ungeklärten Fällen Leben schützen und Wahrheit sichern
Der Tod spricht in Spuren. Was auf den ersten Blick wie eine poetische Metapher wirkt, ist für forensische Toxikologen Alltag: Sie entziffern Hinweise, die der menschliche Körper nach dem Leben hinterlässt. Beim Fortbildungskongress des Bayerischen Apothekertags gab Professor Dr. Sven Hartwig vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Gießen einen fundierten Einblick in das komplexe Feld der forensischen Toxikologie. Dieses Fachgebiet widmet sich nicht nur der Analyse von Giften und Drogen, sondern vor allem ihrer Bedeutung für ungeklärte Todesfälle, suizidale Handlungen und kriminelle Delikte.
Insgesamt sind etwa 20 Millionen Noxen bekannt, darunter 16.000 Arzneistoffe und 1.500 Pflanzenschutzmittel. Die Bedeutung toxikologischer Expertise ist damit kaum zu überschätzen. Arsen, einst das klassische Mordgift, ist durch die seit 1836 verfügbare Marshsche Probe gut nachweisbar geworden. Heute stehen jedoch weit subtilere Substanzen im Fokus: synthetische Cannabinoide, Opioide, Benzodiazepine oder Designerdrogen, die sich analytisch schwerer fassen lassen. Hartwig schilderte die Notwendigkeit einer klar strukturierten, kaskadenartigen Vorgehensweise bei der Spurensicherung: Zuerst erfolgt die Sichtung vor Ort – leere Tablettenpackungen, Alkoholflaschen oder Brandspuren können Hinweise auf toxische Ursachen liefern. Im weiteren Verlauf folgen Vortests und hochspezialisierte Bestätigungsverfahren.
Besondere Bedeutung kommt dabei Todesfällen mit unklarer Ursache zu. In Deutschland liegt die Feststellung des Todes zunächst in ärztlicher Hand. Wird kein natürlicher Tod festgestellt, beschlagnahmt die Polizei den Leichnam, der in rund einem Drittel der Fälle obduziert wird. In Bayern ist seit 2023 vor jeder Kremation eine weitere Leichenschau verpflichtend. Die gerichtliche Sektion zur Feststellung von Todesursache und -art wird durch zwei Ärzte vorgenommen und dient zugleich der Materialgewinnung für toxikologische Analysen.
Verdachtsmomente entstehen mitunter aus kleinsten Details: Ein Schaumpilz vor dem Mund kann auf eine Überdosis hinweisen, ein stechender Geruch auf Blausäure, Verfärbungen im Zahnfleisch auf chronische Bleivergiftung. Bei Drogenkurieren findet man gelegentlich Drogenpäckchen im Magen-Darm-Trakt, bei intravenösem Drogenabusus kann eine Milzvergrößerung diagnostisch aufschlussreich sein.
Hartwig betonte, wie schwierig es sei, die Dunkelziffer unerkannter Vergiftungen zu beziffern. Gerade bei Suiziden älterer Menschen und bei Tötungsdelikten in Pflegekontexten bleibe vieles im Dunkeln. Die „Big Five“ der Arzneimittelvergiftungen benennt Hartwig mit Opioiden, Cocain, Cannabinoiden, Benzodiazepinen und Amphetaminen. Mischintoxikationen mit Antidepressiva, Methadon, Alkohol und weiteren Wirkstoffen sind häufig. Viele Drogentodesfälle lassen sich nicht auf ein einzelnes Toxin zurückführen, sondern auf toxische Synergieeffekte.
Die Bedeutung forensischer Toxikologie liegt nicht nur in der Aufklärung von Verbrechen, sondern auch in der Prävention. Insbesondere bei Säuglingstodesfällen werde stets obduziert, um Krankheiten oder Gewalteinwirkungen auszuschließen – auch zum Schutz möglicher Geschwister. Bei pflanzlichen Vergiftungen, etwa durch Eiben, seien vor allem suizidale Gärtner betroffen. Versehentliche oder fremdverursachte Intoxikationen durch Gartenpflanzen seien hingegen selten.
Trotz hochentwickelter Analyseverfahren bleibt die forensische Toxikologie ein Arbeitsfeld mit großem Forschungsbedarf. Neue synthetische Substanzen, die sich schnell verändern, erschweren die Nachweisbarkeit. Hartwig plädiert daher für interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizin, Pharmazie, Chemie und Kriminalistik, um in einer sich wandelnden Drogenlandschaft rechtzeitig reagieren zu können. Die Leiche schweigt. Doch wer zu lesen versteht, erkennt in ihr mehr als den Tod.
Die forensische Toxikologie ist kein Feld für Spektakel, sondern eines für Disziplin, Geduld und Differenzierung. Während True-Crime-Formate die Aufklärung von Vergiftungen gern als kriminalistische Sensation inszenieren, offenbart die wissenschaftliche Realität eine stille, dichte, fast meditative Präzision. Forensische Toxikologen sind Seismografen der menschlichen Abgründe – sie arbeiten an der Grenze zwischen Leben und Tod, Gerechtigkeit und Irrtum. Dass ihre Arbeit dabei nicht nur der Aufklärung, sondern oft dem Schutz der Lebenden dient, wird öffentlich kaum wahrgenommen.
Professor Hartwig hat in seinem Vortrag deutlich gemacht, dass hinter jedem toxikologischen Befund eine Verantwortung steht: für die Familie, für das Rechtssystem, für die Gesellschaft. Die Dunkelziffer nicht erkannter Vergiftungen ist dabei nicht nur eine forensische Herausforderung, sondern ein ethischer Imperativ. Denn wer nicht erkennt, was tötet, kann auch nicht schützen. Besonders erschreckend ist die Tatsache, dass Pflegekräfte immer wieder als potenzielle Täter in Erscheinung treten, ohne dass es Beweise gibt – weil niemand hinschaut oder weil toxikologische Kapazitäten fehlen.
Die politische Unterfinanzierung rechtsmedizinischer Institute, der späte Einsatz von Zweitschauen vor Kremationen, die unzureichende personelle Ausstattung – all das sind systemische Defizite, die nicht nur juristische Folgen haben, sondern auch moralische. Die Vorstellung, dass Menschen vergiftet werden und dies unentdeckt bleibt, ist eine stille Anklage gegen ein Gesundheitssystem, das lieber effizient als genau ist.
Hinzu kommt der rasante Wandel der Drogenlandschaft. Neue psychoaktive Substanzen entstehen in Laboren, die schneller arbeiten als Regulierungsbehörden. Die Forensik hinkt oft hinterher. Hartwig hat zu Recht auf den interdisziplinären Ansatz verwiesen: Nur wenn Pharmazie, Toxikologie, Rechtsmedizin und Polizeiarbeit eng kooperieren, lässt sich Licht in das toxische Dunkel bringen.
Die forensische Toxikologie ist kein überholter Zweig der Rechtsmedizin, sondern ein Schlüssel zur Wahrheit in einer Welt voller trügerischer Oberflächen. Wer sie stärkt, stärkt die Integrität des Rechts. Wer sie vernachlässigt, öffnet Tätern Türen. Es ist an der Zeit, diese leise Disziplin wieder lauter zu denken.
Long Covid, G-BA, Arzneimittelrichtlinie
Off-Label-Therapieempfehlungen auf dem Weg in die Regelversorgung
Die medizinische und politische Aufarbeitung von Long Covid hat einen neuen Meilenstein erreicht: Erstmals hat eine vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) koordinierte Expertengruppe konkrete Empfehlungen ausgesprochen, welche Medikamente bei Long Covid außerhalb der bisherigen Zulassungen eingesetzt und zukünftig auch zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erstattet werden könnten. Damit reagiert die Bundesebene auf die zunehmende Notlage vieler Betroffener, die unter chronischer Fatigue, kognitiven Störungen oder posturalem orthostatischem Tachykardie-Syndrom (POTS) leiden – und bislang ohne zugelassene spezifische Therapieoption auskommen mussten.
Hintergrund ist ein Beschluss des Runden Tisches beim Bundesgesundheitsministerium vom September 2023, der vorsah, Long-Covid-Patienten einen strukturierten und erleichterten Zugang zu erprobten Arzneimitteln zu ermöglichen. Da keine Medikamente speziell für Long Covid zugelassen sind, ist der Off-Label-Use derzeit der einzig realistische Weg. Die eingesetzte Fachkommission sollte auf wissenschaftlicher Basis prüfen, welche Wirkstoffe unter klar definierten Bedingungen eine sichere und wirksame Option darstellen – und zugleich so viel Evidenz vorliegt, dass eine Anwendung medizinisch wie versorgungspolitisch vertretbar erscheint.
Nun liegen erste Ergebnisse vor, die aus dem Protokoll der Sitzung vom 2. April 2025 hervorgehen. Konkret empfiehlt die Kommission den Einsatz von Agomelatin und Low-Dose-Naltrexon bei Fatigue, Ivabradin bei POTS, Vortioxetin bei kognitiven Einschränkungen sowie Metformin zur Frühintervention bei übergewichtigen Patienten mit frischer SARS-CoV-2-Infektion – mit dem Ziel, Long Covid präventiv abzumildern. Die Studienlage sei laut den Fachleuten in diesen Fällen hinreichend belastbar, um den Wirkstoffen eine systematisch geprüfte Off-Label-Empfehlung auszusprechen.
Besonders bemerkenswert: Agomelatin könnte zusätzlich auch bei postviralem ME/CFS empfohlen werden, also einer chronischen Verlaufsform, die bei vielen Long-Covid-Betroffenen als schwerstes Residuum verbleibt. Hier sehen die Experten eine mögliche indikationsübergreifende Anwendung, die weit über den ursprünglichen Einsatzbereich des Antidepressivums hinausgeht.
Parallel wurde ein sogenannter Therapiekompass erarbeitet, der evidenzbasierte Empfehlungen für symptomorientierte Behandlungen im zugelassenen Rahmen enthält. Hierzu zählen etwa Benzodiazepine bei akuten Angstzuständen infolge der Infektion oder klassische Analgetika wie Ibuprofen und Metamizol zur Behandlung chronischer Schmerzsyndrome, die Long Covid begleiten können.
In einem nächsten Schritt sollen für jeden der empfohlenen Wirkstoffe konkrete Ausarbeitungen mit klar definierten Anwendungsbeschreibungen formuliert werden. Diese werden dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zur Verfügung gestellt, um die Arzneimittelrichtlinie entsprechend zu erweitern. Damit könnte ein erster systematischer Einstieg in die GKV-Erstattung erfolgen, die bislang bei Long Covid vollständig an den Zulassungsgrenzen der Medikamente scheiterte.
Laut BfArM sollen die Bewertungen bereits im Mai zur Kommentierung auf der Website des Bundesinstituts veröffentlicht werden. Fachkreise können sich dann aktiv in das Verfahren einbringen. Eine finale Entscheidung über die Weiterleitung an den G-BA wird für Juni oder Juli 2025 erwartet. Sollte der G-BA auf Grundlage der Empfehlungen zustimmen, könnten Patientinnen und Patienten mit Long Covid künftig zumindest in Einzelfällen Anspruch auf diese Medikamente erhalten – ein bedeutsamer Schritt angesichts der langen therapeutischen Leerstelle, die viele nach überstandener Infektion in eine chronische Krankheit ohne Behandlungsplan geführt hat.
Dabei geht es nicht nur um medizinische Fragen. Der Schritt des BfArM ist auch ein Signal an Krankenkassen und Politik: Wenn bestehende Medikamente bei neuen Krankheitsbildern nachweislich wirken, muss das System eine Antwort darauf finden. Eine geregelte, transparente Off-Label-Erstattung ist hierfür ein erster systemischer Hebel. Ob er sich auch gegen Skepsis, Budgetbedenken und Bürokratie behaupten kann, bleibt offen – doch die Richtung ist gesetzt.
Die medizinische Landschaft verändert sich oft schleichend, gelegentlich eruptiv – doch bei Long Covid ist es das institutionalisierte Schweigen gewesen, das vielen Betroffenen am meisten zugesetzt hat. Mehr als drei Jahre nach Beginn der Pandemie stellt sich die Frage, warum erst jetzt eine strukturierte therapeutische Antwort erfolgt – und was diese Verspätung über die Dynamik unseres Gesundheitssystems aussagt.
Der Bericht der BfArM-Expertengruppe ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber eben auch ein verspäteter. Dass Agomelatin, Ivabradin oder Metformin erst 2025 in den Fokus rücken, ist medizinisch erklärbar, aber politisch schwer vermittelbar. Die Wirkstoffe sind altbekannt, ihre Nebenwirkungsprofile studiert, ihre Wirkmechanismen zumindest plausibel. Dass sie nun zögerlich Eingang in die Versorgungsempfehlungen finden, liegt nicht an der Wissenschaft – sondern an der Trägheit regulatorischer Prozesse, an der Vorsicht der Kassen, an der strukturellen Überforderung des Systems mit neuen Krankheitsbildern.
Besonders sticht dabei der Umgang mit Fatigue hervor – ein Symptom, das lange als psychosomatische Nebenwirkung, als Ausdruck individueller Belastung abgetan wurde. Dass es nun evidenzbasierte Empfehlungen für den Einsatz von Low-Dose-Naltrexon oder Agomelatin gibt, ist nicht nur ein Fortschritt für Betroffene, sondern ein stiller Widerruf früherer Ignoranz. Ebenso der Blick auf ME/CFS, das endlich als postvirale Folge ernst genommen wird, zeigt, dass ein Umdenken möglich ist – wenn man es politisch will.
Doch damit beginnt erst der zweite Teil der Auseinandersetzung. Die Off-Label-Empfehlung ist ein Werkzeug, keine Lösung. Ob daraus tatsächliche Verordnungsfähigkeit wird, hängt vom G-BA ab – und damit auch vom politischen Willen, Budgetspielräume zu nutzen und Versorgung realitätsnah zu gestalten. Es droht das übliche Muster: Fortschritt auf dem Papier, Rückzug in der Praxis.
Long Covid ist kein Exotenphänomen. Es betrifft Hunderttausende – und es verlangt ein Gesundheitssystem, das nicht nur auf Kataloge, sondern auf klinische Realität reagiert. Der nun eingeschlagene Weg ist mutig, weil er endlich wissenschaftlich fundierte Lücken benennt. Aber er ist fragil, weil er unter dem Vorbehalt ökonomischer Abwägungen steht. Bleibt zu hoffen, dass medizinische Evidenz nicht wieder hinter politische Opportunität zurückfällt.
Lang genug wurde Long Covid als Randthema behandelt. Jetzt ist es Zeit, Therapie nicht nur zu empfehlen, sondern auch zu ermöglichen.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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