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APOTHEKE | Medienspiegel & Presse |
Eine Sprengung in Plauen zeigt, wie verwundbar Apotheken selbst durch externe Gewaltakte sind. Die Detonation eines Geldautomaten legte eine ganze Apotheke lahm, kontaminierte das Labor und verursachte tagelange Betriebsunterbrechungen. Gleichzeitig spitzt sich auf politischer Ebene der Machtkampf in der Union zu: Jens Spahn soll Fraktionschef werden und könnte damit nicht nur Friedrich Merz schwächen, sondern auch neue gesundheitspolitische Akzente setzen. Während Apotheken auf eine Erhöhung des Fixums hoffen, warnt die AOK vor Beitragsdruck. Die EU sucht derweil nach einer klareren Struktur für ihre Krisenbehörde HERA, während Deutschland international bei neuen Arzneimitteln zurückzufallen droht. Das Grüne Rezept bleibt trotz OTC-Boom untergenutzt, Skype spielt im Apothekenalltag keine Rolle mehr. Hoffnung macht die Entwicklung pharmazeutischer Dienstleistungen in Pflegeheimen, die durch strukturierte Medikationsanalysen neue Versorgungsqualität schaffen – ein Zeichen dafür, wie Apotheken trotz widriger Rahmenbedingungen Versorgungsverantwortung übernehmen.
Ein Sprengsatz reicht um eine Apotheke tagelang lahmzulegen
In Plauen wurde im März ein Einkaufszentrum durch die Sprengung eines Geldautomaten erschüttert. Der gezielte Angriff galt dem Automaten selbst, doch die Auswirkungen reichten weit über das Tatobjekt hinaus. Eine im gleichen Gebäudekomplex untergebrachte Apotheke wurde durch die Druckwelle massiv beschädigt. Es entstanden nicht nur sichtbare Sachschäden an Mobiliar und Glasflächen, sondern auch eine anhaltende Betriebsunterbrechung. Besonders das Apothekenlabor war tagelang nicht nutzbar, weil feiner Staub selbst nach intensiver Reinigung die hygienischen Anforderungen unterlief. Die Apotheke konnte erst Stunden nach der Explosion eingeschränkt öffnen. Der wirtschaftliche Schaden war erheblich.
Solche Vorfälle sind keine Einzelfälle mehr. Die Zahl der Geldautomatensprengungen steigt, ihre Wucht trifft zunehmend auch unbeteiligte Dritte. Apotheken gehören dabei zu den besonders gefährdeten Einrichtungen. Sie befinden sich oft in zentralen Lagen mit hoher Passantenfrequenz und in unmittelbarer Nähe zu Banken und Einzelhandel. Im Schadensfall reicht eine gewöhnliche Inhaltsversicherung kaum aus. Vielmehr ist ein differenziertes Versicherungsmodell erforderlich, das auch unverschuldete Betriebsunterbrechungen infolge externer Gewalteinwirkungen abdeckt.
Hinzu kommen digitale Risiken, die im Apothekenalltag eine immer größere Rolle spielen. Cyberangriffe auf Rezeptsysteme, Abrechnungsplattformen oder patientenspezifische Daten können den Betrieb genauso abrupt zum Stillstand bringen wie eine gesprengte Tür. Der Parallelismus zwischen physischen und digitalen Gefahren verlangt nach integralen Versicherungskonzepten, die beide Sphären umfassen. Für Apothekenbetreiber ergibt sich daraus eine klare Handlungspflicht. Die Absicherung darf sich nicht auf klassische Gefahren wie Brand oder Leitungswasser beschränken. Entscheidend ist der Schutz vor realen Szenarien, die den Betrieb unvermittelt unterbrechen und zugleich haftungs- oder meldepflichtige Konsequenzen auslösen.
Gerade in hochregulierten Bereichen wie der Apothekenpraxis können Betriebsunterbrechungen nicht einfach improvisiert werden. Der Ausfall eines Labors, eines Notdienstes oder auch nur der EDV kann rechtliche und gesundheitliche Folgen haben. Das Risiko trägt dabei nicht nur der Betreiber selbst, sondern auch das Versorgungssystem. Ein Mangel an Apotheken im Notdienst oder bei der Herstellung individueller Rezepturen wirkt sich direkt auf Patienten aus.
Die Ereignisse in Plauen machen deutlich, dass Apotheken mehr sind als Verkaufsstellen. Sie sind kritische Infrastrukturen mit hoher Verantwortung. Entsprechend groß ist der Handlungsdruck, wenn es um die Wahl und Überprüfung branchenspezifischer Versicherungslösungen geht. Es ist nicht die Frage ob ein Schaden eintritt, sondern wie gut eine Apotheke darauf vorbereitet ist.
Die Sprengung eines Geldautomaten wird für eine Apotheke in Plauen zur Zäsur. Was als punktuelles Verbrechen beginnt, endet für den benachbarten Gesundheitsbetrieb in einem Ausnahmezustand. Dieser Vorfall steht exemplarisch für eine Entwicklung, die Apotheken strukturell trifft, aber politisch und versicherungstechnisch oft ignoriert wird. Der Schutz kritischer Infrastruktur endet nicht bei Krankenhäusern und Stromnetzen. Auch Apotheken gehören dazu, doch das Risikobewusstsein bleibt hinter den realen Gefahren zurück.
Der Vorfall zeigt, wie dünn die Sicherheitsdecke für Apotheken in Wirklichkeit ist. Die Kombination aus Gewalt im öffentlichen Raum, sensibler Infrastruktur und wachsenden regulatorischen Anforderungen macht Apothekenbetriebe zunehmend anfällig. Zugleich bleibt die Absicherung oft rudimentär. Standardpolicen decken viele Szenarien nicht ab, spezielle Lösungen sind häufig unklar geregelt, teuer oder schlicht nicht bekannt. Dabei ist der wirtschaftliche Schaden bei unverschuldeten Betriebsausfällen enorm – ganz zu schweigen von den versorgungsrelevanten Folgen, wenn Rezepturen ausfallen oder Notdienste wegfallen.
Noch gravierender ist jedoch die strukturelle Leerstelle auf politischer Ebene. Während über Bürokratieabbau und digitale Prozesse diskutiert wird, fehlt es an konkreten Konzepten zur Resilienz des Apothekennetzes. Weder der Gesetzgeber noch die Standesvertretungen haben bisher überzeugende Antworten auf die Frage gefunden, wie Apotheken angesichts steigender Gewalt und wachsender digitaler Risiken geschützt werden können. Es genügt nicht, auf Eigenverantwortung und Einzelverträge zu verweisen.
Gefordert ist ein System, das die reale Gefahrenlage ernst nimmt, die Präventionsmaßnahmen institutionell stützt und die Absicherung flächendeckend gewährleistet. Das kann über steuerliche Anreize für spezifische Policen geschehen oder über die Entwicklung branchenspezifischer Standards mit öffentlicher Unterstützung. Wer die Sicherheit von Arzneimittelversorgung ernst nimmt, muss auch die Sicherheit der Apotheken selbst garantieren. Die Sprengung in Plauen war kein Zufall, sondern ein Symptom – und sie wird nicht die letzte gewesen sein.
Spahn soll als Fraktionschef Macht und Kurs der Union formen – Für Friedrich Merz könnte er zum strategischen Risiko werden
Jens Spahn steht vor einem politischen Aufstieg, der die Kräfteverhältnisse in der CDU neu justieren könnte. Der frühere Bundesgesundheitsminister soll nach parteiinterner Absprache zum Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion gewählt werden. Mit dieser Personalentscheidung rückt ein profilierter und zugleich umstrittener Politiker an die Spitze der parlamentarischen Arbeit der Union. Für Parteichef Friedrich Merz bedeutet dies eine Stärkung der Organisation, aber auch eine neue Abhängigkeit von einem ehemaligen Konkurrenten mit eigenen Ambitionen.
Spahn bringt langjährige Erfahrung in Regierung und Fraktion mit. Seit 2002 vertritt er seinen nordrhein-westfälischen Wahlkreis im Bundestag, zuletzt mit einem starken Ergebnis von knapp 42 Prozent der Erststimmen. In der Vergangenheit war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, später Bundesgesundheitsminister in der Pandemie, zuletzt wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Innerhalb der CDU verfügt er über ein belastbares Netzwerk, auch wenn seine parteiinternen Wahlergebnisse in der Vergangenheit enttäuschten.
Im Dezember 2018 bewarb sich Spahn um den Parteivorsitz der CDU und unterlag deutlich. Später unterstützte er Armin Laschet gegen Friedrich Merz. Dieser innerparteiliche Dissens wurde in den letzten Monaten überdeckt, doch nicht vollständig ausgeräumt. Die Einigung auf Spahn als Fraktionschef zeigt zwar Geschlossenheit nach außen, doch im Hintergrund bleibt die Frage nach Loyalität und Machtoptionen virulent. Sollte Merz als Kanzlerkandidat scheitern oder in der Koalition an Profil verlieren, könnte Spahn zur politischen Alternative werden.
Spahns Amtszeit als Gesundheitsminister hat tiefe Spuren hinterlassen. Die Beschaffungspolitik in der Corona-Krise ist weiterhin Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen mit hohen Streitwerten. Mehrere Unternehmen klagen auf Nachzahlung für gelieferte Masken, Gerichte gaben ihnen bereits teilweise recht. Gleichzeitig fordert Spahn selbst eine parlamentarische Aufarbeitung der Corona-Maßnahmen, die auch sein eigenes Wirken betreffen würde. Diese Doppelrolle könnte ihn im neuen Amt schnell in Zielkonflikte bringen.
Für das Zusammenspiel mit dem möglichen SPD-Fraktionschef Matthias Miersch wird entscheidend sein, ob Spahn konstruktiv verhandeln oder konfrontativ agieren will. Seine jüngste Forderung, die AfD im Parlamentsbetrieb wie jede andere Oppositionsfraktion zu behandeln, stieß auf breite Kritik. Die Äußerung erfolgte vor der Einstufung der AfD als rechtsextrem durch den Verfassungsschutz und wurde auch innerhalb der Union kontrovers aufgenommen.
Mit der Wahl Spahns stellt sich die Union neu auf. Sie gewinnt einen machtbewussten und politisch erfahrenen Taktiker, der in der Lage ist, die Fraktion zu führen und Debatten zu prägen. Gleichzeitig holt sie sich einen Akteur an die Spitze, der bereits mehrfach eigene Führungsansprüche formuliert hat. Ob Jens Spahn zum Stabilitätsanker oder zum innerparteilichen Gegengewicht zu Friedrich Merz wird, bleibt offen.
Die Nominierung von Jens Spahn zum Fraktionsvorsitzenden der Union ist ein Vorgang von strategischer Tragweite. Hinter der Entscheidung steht nicht nur der Versuch, die parlamentarische Schlagkraft der CDU/CSU-Fraktion zu erhöhen, sondern auch ein stilles Machtarrangement, das weit über die laufende Legislatur hinausweist. Die Union reagiert damit auf eine politische Lage, in der Geschlossenheit demonstriert werden muss, ohne dass alle alten Rivalitäten überwunden wären.
Spahn ist kein Mann der zweiten Reihe. Seine Karriere war geprägt von ambitioniertem Vorwärtsschreiten, auch gegen interne Widerstände. Dass ausgerechnet er nun zum loyalen Vollstrecker der Linie von Friedrich Merz stilisiert wird, wirkt auf den zweiten Blick wie ein taktisches Bündnis unter Vorbehalt. Merz weiß, dass er sich mit Spahn einen potenziellen Nachfolger direkt an die Seite holt. Doch angesichts wachsender Belastungen durch Regierungsverantwortung in einer schwierigen Koalitionskonstellation bleibt ihm kaum eine andere Wahl. Er braucht einen verlässlichen Fraktionschef mit Machtinstinkt, Durchsetzungsfähigkeit und parlamentarischem Format. Genau das bringt Spahn mit – aber eben auch einen eigenen politischen Anspruch.
Die CDU bewegt sich mit dieser Personalie in einem strategischen Spannungsfeld. Einerseits signalisiert sie mit Spahn Modernisierung und Professionalität, andererseits setzt sie auf einen Politiker, dessen Bilanz als Gesundheitsminister tief gespalten wahrgenommen wird. Die offenen Maskenstreitigkeiten und juristischen Auseinandersetzungen mit Milliardenrisiken bergen nicht nur politischen Sprengstoff, sondern werfen die Frage auf, wie glaubwürdig Spahns Forderung nach Corona-Aufarbeitung ist, wenn sie nicht auch die eigene Verantwortung einschließt.
Gesellschaftspolitisch steht die Union vor der Herausforderung, zwischen klarer Abgrenzung zur AfD und parlamentarischem Pragmatismus eine konsistente Linie zu finden. Spahns jüngster Vorstoß zur Gleichbehandlung der AfD in Parlamentsverfahren zeigt, wie dünn das Eis in dieser Frage ist. Wer politische Normalität in Verfahren einfordert, muss zugleich glaubwürdig für politische Klarheit in der Sache stehen. Andernfalls droht ein schleichender Verlust an Orientierung.
Insgesamt offenbart die Personalie Spahn eine strukturelle Unruhe in der Union, die durch taktisches Gleichgewicht überdeckt, aber nicht gelöst wird. Der Fraktionsvorsitz wird für Spahn kein reines Machtinstrument sein, sondern eine Bühne zur Positionsbestimmung. Wer ihn dort unterschätzt, könnte am Ende den Preis zahlen. Die CDU sollte sich deshalb darauf einstellen, dass sich unter dem Deckmantel der Loyalität eine neue Führungsfrage aufbaut.
Skype spielt für Apotheken keine Rolle mehr
Microsoft stellt seinen einst populären Messenger-Dienst Skype endgültig ein. Für viele Apotheken hat diese Entscheidung jedoch kaum praktische Auswirkungen. Der Kommunikationskanal hat im pharmazeutischen Alltag nie eine zentrale Rolle gespielt. Bereits seit Jahren setzen die meisten Betriebe auf Alternativen wie E-Mail, Telefon, Messenger-Dienste oder eigene Bestell-Apps.
Auch Daniel Siebert, Inhaber der Martinus Apotheke in Olpe, bestätigt die geringe Relevanz von Skype im Apothekenbetrieb. „Skype war immer untergeordnet, wir haben es probiert“, sagt Siebert. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass andere Kanäle von Kundinnen und Kunden deutlich besser angenommen würden. Daher sei der Messenger schon lange kein aktiver Bestandteil der Kommunikation mehr.
Vereinzelt findet sich Skype zwar noch als Kontaktoption auf älteren Websites oder in automatisierten Abholbenachrichtigungen, doch in der täglichen Praxis spielt das Tool keine Rolle mehr. Die Anforderungen an digitale Kommunikation im Gesundheitswesen haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verändert. Datensicherheit, Benutzerfreundlichkeit und Integration in bestehende Systeme sind heute entscheidend.
Das bevorstehende Aus für Skype zeigt erneut, wie schnell technische Lösungen im Gesundheitsbereich an Relevanz verlieren können, wenn sie nicht mit den Bedürfnissen des Marktes mitwachsen. Für Apotheken bedeutet das, ihre digitalen Angebote kontinuierlich zu prüfen und gezielt auf die bevorzugten Kommunikationswege ihrer Kundschaft auszurichten.
Der Abschied von Skype verläuft im Apothekenwesen weitgehend geräuschlos. Das liegt nicht nur daran, dass der Dienst in der Vergangenheit kaum genutzt wurde, sondern auch an einem grundlegenden Wandel in der digitalen Kommunikation zwischen Gesundheitsdienstleistern und Patientinnen und Patienten. Messenger-Dienste sind nur dann erfolgreich, wenn sie intuitiv, datensicher und breit akzeptiert sind. Skype erfüllte diese Kriterien im Apothekenkontext nie in ausreichendem Maß.
Was diese Entwicklung offenlegt, ist nicht bloß das Scheitern eines Tools, sondern eine strukturelle Herausforderung im Umgang mit digitalen Kanälen im Gesundheitswesen. Während Patientinnen und Patienten sich an einfache und vertraute Dienste wie WhatsApp oder telefonbasierte Bestelloptionen gewöhnt haben, scheiterte Skype an seiner technischen Sperrigkeit und fehlenden Verankerung in branchenspezifischen Abläufen.
Die Verantwortung liegt nicht allein bei Microsoft. Auch politische und berufsständische Akteure tragen eine Mitverantwortung, wenn Apotheken nicht frühzeitig mit modernen und praktikablen Lösungen ausgestattet werden. Eine langfristige Digitalstrategie für Apotheken fehlt vielerorts. Die sporadische Einführung einzelner Tools ersetzt keine verlässliche Infrastruktur. Viel zu oft bleibt die Digitalisierung im Apothekenalltag ein Stückwerk.
Hinzu kommt ein regulatorisches Problem: Kommunikationsdienste im Gesundheitswesen müssen strenge Datenschutzanforderungen erfüllen. Anbieter wie Skype waren weder konzipiert noch zertifiziert für den sensiblen Umgang mit Gesundheitsdaten. Dass sich Apotheken nun auf besser integrierte, datensichere und alltagstaugliche Kanäle konzentrieren, ist daher nicht nur folgerichtig, sondern zwingend notwendig.
Der Fall Skype verdeutlicht, wie entscheidend es ist, digitale Lösungen nicht nur technisch, sondern auch funktional in die Versorgungspraxis einzubetten. Die Kommunikation zwischen Apotheke und Patient braucht keine hippen Tools, sondern robuste, akzeptierte und einfache Kanäle. Wer diese Realität verkennt, wird digital nicht anschlussfähig bleiben.
Apothekenhonorar soll steigen während Kassen vor Beitragsdruck warnen
Die Diskussion über eine Erhöhung des Apothekenfixums entwickelt sich zum politischen Konflikt im deutschen Gesundheitswesen. Während Apotheken seit Jahren auf eine wirtschaftliche Anpassung ihres Honorars drängen, warnt der AOK-Bundesverband angesichts steigender Ausgaben und Rekordbeiträge vor einer weiteren Eskalation der Finanzlage. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist eine einmalige Anhebung des Fixums auf 9,50 Euro vorgesehen. Für Apotheken in unterversorgten Regionen ist eine Staffelung bis zu 11 Euro angedacht. Die Bundesregierung begründet dies mit dem Ziel, die flächendeckende Versorgung zu sichern und insbesondere den ländlichen Raum zu stärken.
Doch die Kritik der gesetzlichen Krankenkassen fällt deutlich aus. Der AOK-Bundesverband bewertet die Maßnahme als kontraproduktiv. Vorstandsvorsitzende Carola Reimann spricht von einer offenen Ausgabenschleuse und wirft der Regierung vor, zentrale Kostentreiber wie die ungebremst steigenden Arzneimittelpreise zu ignorieren. Eine effektive Ausgabenbegrenzung sei im Koalitionsvertrag nicht erkennbar, stattdessen würden Prüfkommissionen angekündigt, deren Ergebnisse frühestens 2027 erwartet werden. Der Verband fordert stattdessen Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der GKV-Finanzen sowie eine spürbare Entlastung der Beitragszahlenden.
Die Koalition will mit einem Teil ihrer Maßnahmen die gesetzlichen Kassen entlasten. Die Finanzierung des Krankenhaus-Transformationsfonds soll künftig aus einem Sondervermögen und nicht mehr aus dem Gesundheitsfonds erfolgen. Daraus ergibt sich rechnerisch eine jährliche Entlastung von 2,5 Milliarden Euro für die GKV. Kritiker monieren jedoch, dass die strukturellen Finanzprobleme damit nicht behoben werden. Auch CDU-Parteichef Friedrich Merz räumte bei einem Parteitag ein, dass mehr Geld allein die Probleme des Systems nicht lösen könne.
Für die Apothekerschaft ist die Anhebung des Fixums hingegen ein überfälliger Schritt. Viele Betriebe arbeiten an der wirtschaftlichen Grenze, besonders im ländlichen Raum droht die Versorgungslücke. Zusätzlich soll laut Koalitionsvertrag die Skonti-Deckelung aufgehoben und eine Gleichstellung von Versand- und Vor-Ort-Apotheken angestrebt werden. Das Paket folgt Vorschlägen der Arbeitsgruppe Gesundheit und gilt aus Sicht der Regierungsparteien als Beitrag zur strukturellen Modernisierung.
Die Gegensätze zwischen den politischen Plänen und den Sorgen der Kassen zeigen jedoch, dass sich hinter der Fixumdebatte ein tiefer liegender Systemkonflikt verbirgt. Die kurzfristige Stabilisierung der Finanzen steht gegen die strukturelle Erneuerung der Versorgung. Der Versuch, beides gleichzeitig zu erreichen, droht an mangelnder Zielklarheit zu scheitern.
Die geplante Honorarerhöhung für Apotheken steht exemplarisch für die komplexe Gemengelage im deutschen Gesundheitswesen. Während viele Betriebe unter wirtschaftlichem Druck stehen und strukturelle Verbesserungen fordern, kämpfen die gesetzlichen Kassen mit zunehmenden Ausgaben, deren Ursachen tief im System verankert sind. Der politische Reflex, durch punktuelle Erhöhungen einzelner Vergütungen gesellschaftliche Schieflagen auszugleichen, bleibt in seiner Wirkung begrenzt und produziert neue Zielkonflikte.
Die Reaktion des AOK-Bundesverbands ist deshalb nicht nur Ausdruck ökonomischer Besorgnis, sondern auch ein Hinweis auf das politische Versäumnis, klare Prioritäten zu setzen. Wenn steigende Arzneimittelausgaben und Honorarforderungen gleichzeitig adressiert werden sollen, ohne dass eine übergeordnete Finanzstrategie erkennbar ist, droht die Debatte zur Symbolpolitik zu verkommen. Der Rückgriff auf Expertenkommissionen, deren Empfehlungen erst in Jahren vorliegen, zeigt, wie sehr sich Politik auf Zeitgewinn statt auf Steuerungskraft verlässt.
Gleichzeitig ist die Position der Apotheken nachvollziehbar. Die Anpassung des Fixums ist nicht willkürlich, sondern spiegelt die realen Belastungen vieler Betriebe wider. Vor allem im ländlichen Raum zeigt sich, dass wirtschaftlich stabile Strukturen nicht mehr selbstverständlich sind. Der Verweis auf strukturelle Gleichheit mit Versandapotheken und die Aufhebung der Skonti-Deckelung ist in diesem Zusammenhang weniger Privilegierung als Ausgleich über Jahre gewachsener Wettbewerbsverzerrungen.
Dennoch bleibt der zentrale Vorwurf bestehen, dass finanzielle Einzelmaßnahmen in einem überlasteten System keine nachhaltige Wirkung entfalten können, wenn sie nicht durch eine langfristige Finanzreform begleitet werden. Die politischen Akteure tragen die Verantwortung, diese Debatte nicht auf dem Rücken einzelner Leistungsbereiche auszutragen, sondern eine übergreifende Reformagenda zu formulieren. Die strukturelle Schieflage der GKV verlangt nach mehr als einer Honorarentscheidung. Sie verlangt nach politischem Mut, die offenen Ausgabefelder konsequent anzugehen.
Grüne Rezepte bleiben trotz hoher OTC Nachfrage die Ausnahme
In Deutschland bleibt das Grüne Rezept für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel eine weitgehend ungenutzte Option im ärztlichen Alltag. Obwohl jede zweite Packung in Apotheken inzwischen aus dem Bereich der Selbstmedikation stammt, machen nur etwa vier von fünf Ärztinnen und Ärzten überhaupt gelegentlich von dieser besonderen Form der Empfehlung Gebrauch. Das zeigen aktuelle Branchendaten zur Nutzung sogenannter OTC Präparate. Die Möglichkeit, Patientinnen und Patienten im Rahmen ärztlicher Behandlung gezielt auf apothekenpflichtige Mittel ohne Rezeptpflicht hinzuweisen, wird damit deutlich seltener wahrgenommen als es das Absatzvolumen nahelegen würde.
Im Jahr 2024 wurden rund 1,03 Milliarden Packungen nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel verkauft. Das entspricht einem Zuwachs von 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders gefragt waren Mittel gegen Erkältung und Husten sowie Präparate zur Schmerztherapie und zur Ergänzung von Vitaminen und Mineralstoffen. Der Umsatz mit diesen Produkten lag insgesamt bei etwa 12 Milliarden Euro. Trotz wachsender Nachfrage erfolgten nur rund 15 Prozent aller Verordnungen über OTC Produkte. Etwa 44 Prozent davon waren Kassenrezepte, 31 Prozent Grüne Rezepte und 25 Prozent stammten aus der privaten Krankenversicherung. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Anteil der OTC Verordnungen damit leicht gesunken.
Nach Einschätzung der Branche besteht ein strukturelles Informationsdefizit über das Grüne Rezept. Viele Patientinnen und Patienten kennen diese Form der ärztlichen Empfehlung nicht. Selbst unter medizinischem Fachpersonal ist die Funktion des Grünen Rezepts als steuerndes Element in der Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Mitteln wenig präsent. Dabei war es ursprünglich als Instrument gedacht, um besonders gut verträgliche Präparate ärztlich zu empfehlen und zugleich die Eigenverantwortung der Versicherten zu stärken.
Ergänzt wird das Bild durch die hohe Bedeutung des Versandhandels. Rund 23 Prozent aller OTC Packungen wurden im Jahr 2024 online verkauft. Damit entfällt ein erheblicher Anteil der Selbstmedikation auf Kanäle ohne persönliche Beratung. Gleichzeitig bleibt die Rolle der Apotheken zentral, denn sie tragen mit pharmazeutischer Expertise zur korrekten Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel bei. Auch die Hersteller verweisen auf die Preisentwicklung ihrer Produkte, die laut Branchenangaben deutlich unterhalb der allgemeinen Inflation lag. Produziert werden OTC Präparate zu einem Großteil von mittelständischen Unternehmen, die etwa 80 Prozent der Anbieter in diesem Segment ausmachen.
Vor dem Hintergrund steigender Selbstmedikation und sinkender ärztlicher Rezeptnutzung stellt sich die Frage nach der Rolle des Grünen Rezepts im Gesundheitssystem neu. Trotz seiner potenziellen Steuerungsfunktion bleibt es ein kaum genutztes Werkzeug in einer ansonsten dynamischen Versorgungsrealität.
Die Diskrepanz zwischen dem massiven Einsatz von OTC Arzneimitteln und der kaum genutzten Möglichkeit ärztlicher Steuerung durch das Grüne Rezept offenbart ein strukturelles Versäumnis im Gesundheitssystem. Während Patientinnen und Patienten längst zur Selbstmedikation übergegangen sind und Apotheken einen erheblichen Teil der Versorgung auffangen, verharrt das ärztliche System in einem Modus zurückhaltender Einbindung. Das ist kein Zufall, sondern Folge eines unklaren Rollenverständnisses, unzureichender Vergütungsanreize und mangelnder Aufklärung.
Der Ursprungsgedanke des Grünen Rezepts – nämlich eine ärztlich unterstützte, aber eigenverantwortliche Versorgung mit risikoarmen Präparaten – wird in der Praxis unterlaufen. Statt gezielter Empfehlungen regiert der Zufall: Wer gut beraten wird, profitiert. Wer im Versandhandel kauft, bleibt auf sich gestellt. Dass Ärztinnen und Ärzte dieses Steuerungsinstrument nur vereinzelt nutzen, ist angesichts der Alltagsrealität verständlich, politisch aber hochproblematisch. Denn ein System, das Milliarden Packungen OTC Medikamente zulässt, ohne medizinische Begleitung strukturell zu fördern, gibt Verantwortung einseitig an die Apotheken und die Versicherten ab.
Der politische Reflex, auf die Eigenverantwortung zu setzen, ist bequem, ersetzt aber keine Strategie. Wenn gleichzeitig OTC Produkte weiter zunehmen und viele dieser Präparate im sensiblen Bereich von Schmerzmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln liegen, entstehen potenzielle Risiken durch Über- oder Fehlgebrauch. Der Gesetzgeber hat es bisher versäumt, das Grüne Rezept als festen Bestandteil einer gesamtgesellschaftlichen Präventionsstrategie zu etablieren. Auch die Kassen zeigen wenig Interesse, obwohl gerade sie von einer gezielten ärztlichen Steuerung profitieren könnten.
Was fehlt, ist ein verbindlicher Rahmen, der ärztliche Verantwortung nicht dem Zufall überlässt, sondern gezielt unterstützt. Dazu gehören Schulung, digitale Verordnungstools und eine klare Honorarstruktur für OTC Empfehlungen. Erst dann kann das Grüne Rezept seine eigentliche Funktion erfüllen: die Lücke zwischen Selbstmedikation und professioneller Begleitung zu schließen.
Die Rolle der HERA in der EU soll klarer definiert werden
Die Europäische Kommission hat die im Jahr 2021 gegründete Behörde für Krisenvorsorge und Reaktion HERA turnusgemäß einer umfassenden Evaluierung unterzogen. Das Ergebnis des nun vorliegenden Berichts fällt grundsätzlich positiv aus, verweist jedoch zugleich auf strukturelle Schwächen und den Bedarf an klarer Verankerung im institutionellen Gefüge der EU. Die Analyse basiert auf Anhörungen, Umfragen, externen Studien sowie Stellungnahmen europäischer Agenturen und politischer Institutionen.
HERA wird darin als zentraler Baustein der europäischen Gesundheitsvorsorge beschrieben. Die Behörde habe seit ihrer Gründung wesentlich zur Koordination im Bereich medizinischer Krisenreaktion beigetragen, Versorgungslücken geschlossen und mit Programmen wie der Allianz für kritische Arzneimittel die Resilienz der Lieferketten gestärkt. Auch international habe HERA bei der Verteilung von Impfstoffen und der Koordination europäischer Hilfsmaßnahmen eine wichtige Rolle übernommen.
Zugleich zeigt der Bericht deutliche strukturelle Probleme auf. Die Zuständigkeiten zwischen HERA und bestehenden Einrichtungen wie der EMA oder dem ECDC sind nicht eindeutig geklärt. Überlappungen und Doppelstrukturen führen zu Reibungsverlusten und mindern die Effizienz. Auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten besteht noch keine klare Kompetenzverteilung. Der sogenannte Krisenmodus der Behörde wurde bisher nicht aktiviert, sodass sich die Bewertung auf die Vorbereitungsfunktion beschränkt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die institutionelle Positionierung der Behörde. Als interner Dienst der Kommission bleibt HERA weitgehend außerhalb der parlamentarischen Kontrolle. Das Europäische Parlament fordert deshalb mehr Transparenz und Mitbestimmung. Der Bericht empfiehlt außerdem eine stabilere Finanzierung, idealerweise über einen eigenständigen Vorsorgefonds. Auch eine frühzeitigere Einbindung in strategische Entscheidungsprozesse wird als notwendig erachtet, insbesondere bei der Koordination grenzüberschreitender Gesundheitsbedrohungen.
Die Auswertung von 77 Maßnahmen aus den Jahren 2022 bis 2024 zeigt zwar einen positiven Beitrag zur europäischen Gesundheitsarchitektur, insbesondere bei Marktbeobachtung, Risikoanalysen und Beschaffung medizinischer Güter. Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, die Arbeit von HERA mit anderen europäischen und nationalen Akteuren besser abzustimmen. In einem Umfeld wachsender Risiken durch Pandemien, Klimaveränderungen und geopolitische Spannungen wird die Fähigkeit der EU zur koordinierten Krisenreaktion maßgeblich von der institutionellen Stärke dieser Behörde abhängen.
Die Evaluierung der EU-Krisenbehörde HERA liefert ein ambivalentes Bild und wirft grundsätzliche Fragen zur europäischen Gesundheitspolitik auf. Während die Kommission eigene Erfolge betont, zeigt der Bericht zugleich strukturelle Defizite, die auf ein tiefer liegendes Problem hinweisen: den fehlenden politischen Willen, Gesundheitskrisen als gesamteuropäische Verantwortung zu institutionalisieren.
HERA wurde unter dem Eindruck der COVID-19-Pandemie gegründet, doch der politische Impuls scheint bereits wieder zu verblassen. Die Behörde arbeitet unter interner Weisung, ohne eigenständige Entscheidungsbefugnis, ohne direkte parlamentarische Kontrolle und ohne stabile Finanzierungsgrundlage. Das macht sie zu einem taktischen Instrument, aber nicht zu einem strategisch eingebetteten Akteur. Diese institutionelle Halbherzigkeit ist Ausdruck eines prinzipiellen Dilemmas: Die EU ist auf Krisenreaktion angewiesen, scheut aber davor zurück, klare Zuständigkeiten zu schaffen.
Die überlappenden Kompetenzen zwischen HERA, EMA, ECDC und den Mitgliedstaaten offenbaren nicht nur Verwaltungsprobleme, sondern auch das Versäumnis, Gesundheitsvorsorge als gemeinsame Aufgabe mit einheitlicher Steuerung zu denken. In einem Raum, der durch offene Grenzen und gemeinsame Märkte geprägt ist, bleiben gesundheitspolitische Zuständigkeiten fragmentiert. Das erschwert nicht nur die Vorsorge, sondern auch die effektive Reaktion in Krisenfällen.
Hinzu kommt die demokratiepolitische Frage nach Legitimation und Kontrolle. Eine Krisenbehörde, die im Namen der gesamten Union handelt, darf nicht im Schatten interner Kommissionsstrukturen agieren. Das Europäische Parlament muss systematisch eingebunden werden, um Transparenz und Rechenschaftspflicht sicherzustellen. Wer öffentliche Gesundheit in europäischer Verantwortung absichern will, muss auch politische Kontrolle zulassen.
Die Evaluierung bietet deshalb mehr als eine Leistungsbilanz. Sie ist ein Weckruf für eine stärkere europäische Gesundheitsarchitektur, in der Zuständigkeiten nicht nur effizient, sondern auch legitim organisiert sind. Wenn HERA langfristig wirken soll, braucht sie klare Mandate, stabile Ressourcen und eine institutionelle Position, die sie handlungsfähig und rechenschaftspflichtig zugleich macht. Nur dann kann sie das leisten, was von ihr erwartet wird: Europa krisenfest zu machen.
Deutschland verliert Anschluss bei neuen Arzneimitteln
Deutschland zählt im europäischen Vergleich zu den Ländern mit der besten Versorgung mit neuen Arzneimitteln. Doch dieser Befund relativiert sich, sobald man den Blick über den Atlantik richtet. Während in der Europäischen Union viele neue Medikamente nach ihrer Zulassung relativ zügig auch in Deutschland verfügbar sind, zeigt sich im direkten Vergleich mit den Vereinigten Staaten ein auffälliger Rückstand. Darauf weist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland hin. Seit dem Jahr 2015 seien in den USA mindestens 101 innovative Arzneimittel zugelassen worden, die hierzulande bislang nicht verfügbar sind. Dabei handelt es sich nicht um geringfügige Produktentwicklungen, sondern vielfach um sogenannte Breakthrough Therapies mit erheblichen Fortschritten bei schweren oder seltenen Krankheiten.
Ein Beispiel dafür ist der Wirkstoff Revumenib, der in den USA bereits zur Behandlung einer aggressiven Form der akuten Leukämie zugelassen ist. Er steht exemplarisch für eine neue Generation zielgerichteter Therapien, die in Europa bisher weder erhältlich noch in laufenden Zulassungsverfahren sind. Der vfa sieht die Ursachen für diesen Rückstand nicht in einer generellen Innovationsschwäche der deutschen Pharmaindustrie, sondern in den strukturellen Hürden des europäischen Marktes. Zu viele und zu komplizierte Regelungen bei der Preisbildung und Erstattung sowie eine fragmentierte Nutzenbewertung auf nationaler Ebene führten dazu, dass Pharmaunternehmen vielfach vom Markteintritt absehen.
Besonders kritisch ist dabei die Situation in Deutschland, wo mit dem Verfahren zur frühen Nutzenbewertung zusätzliche Hürden entstehen. Das regulatorische Umfeld erschwert nicht nur die Planungssicherheit für Unternehmen, sondern wirkt abschreckend auf internationale Hersteller. Auch innerhalb Europas bleibt die Möglichkeit ungenutzt, Synergien durch eine koordinierte Nutzenbewertung zu heben. Statt eines integrierten Marktes erleben Hersteller ein komplexes und kleinteiliges System, das schnelle Innovationen behindert.
Der internationale Vergleich macht deutlich, wie stark der globale Arzneimittelmarkt von den Bedingungen in den USA geprägt wird. Dort profitieren Unternehmen nicht nur von schnelleren Zulassungsverfahren, sondern auch von einem weniger regulierten Zugang zu den Märkten. Der vfa sieht Deutschland im Vorteil, wenn es sich allein mit den anderen EU-Staaten misst. Doch dieser Maßstab greift zu kurz. Der tatsächliche Innovationsdruck entsteht jenseits des Atlantiks, und aus Sicht der forschenden Industrie kann sich Europa langfristig nicht erlauben, in dieser zentralen Zukunftsbranche den Anschluss zu verlieren.
Der Innovationsrückstand Deutschlands bei neuen Arzneimitteln ist mehr als eine wirtschaftspolitische Randnotiz. Er ist ein Symptom für eine strukturelle Schwäche Europas, die sich im regulatorischen Detail ebenso zeigt wie im mangelnden Mut zur Reform. Während die Vereinigten Staaten mit dem Status der Breakthrough Therapy gezielt Anreize für bahnbrechende Entwicklungen setzen und eine klare Systematik für deren Markteinführung bieten, verliert sich Europa in einem Dickicht nationaler Verfahren, Abstimmungen und Bewertungen. Diese Fragmentierung verhindert nicht nur einen schnellen Zugang zu wichtigen Therapien, sie untergräbt auch die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Pharmastandorts.
Besonders brisant ist die Tatsache, dass es sich bei den betroffenen Arzneimitteln nicht um Lifestyleprodukte oder marginale Verbesserungen handelt, sondern um substanzielle Innovationen mit potenziell lebensverlängernder Wirkung. Wenn diese Therapien deutschen Patienten jahrelang vorenthalten bleiben, weil sich Hersteller aufgrund regulatorischer Komplexität oder wirtschaftlicher Unsicherheit gegen eine Einführung entscheiden, entsteht ein eklatantes Versorgungsdefizit. Der politische Anspruch einer medizinischen Versorgung auf dem höchsten Stand der Wissenschaft wird so ad absurdum geführt.
Die Verantwortung dafür liegt nicht allein bei den Unternehmen, sondern vor allem bei den politischen und institutionellen Entscheidungsträgern. Die Nutzenbewertung ist sinnvoll, solange sie Effizienz und Patientenschutz garantiert. Wenn sie jedoch zu einem strukturellen Innovationshindernis wird, ist ihre Funktion nicht erfüllt. Deutschland kann es sich nicht leisten, diesen Zustand als gegeben hinzunehmen. Es braucht einen neuen regulatorischen Rahmen, der europaweit koordiniert ist, wissenschaftsfreundlich gestaltet wird und klare, verlässliche Verfahren etabliert. Andernfalls droht Europa dauerhaft zum Nachzügler eines pharmazeutischen Fortschritts zu werden, der längst woanders entschieden wird.
Helgoland droht Versorgungslücke bei wichtigen Medikamenten
Die Arzneimittelversorgung auf Helgoland ist massiv beeinträchtigt. Seitdem der Flugverkehr zur Insel unterbrochen ist, drohen Lücken in der medikamentösen Betreuung der Bevölkerung. Betroffen ist insbesondere die einzige Apotheke der Insel, die bisher ausschließlich über den Luftweg beliefert wurde. Die bisher eingesetzten Maschinen des Ostfriesischen Flugdienstes wurden außer Betrieb genommen. Neue Flugzeuge sind zwar bestellt, jedoch noch nicht zugelassen. Frühestens im Juli wird wieder mit regulärem Flugbetrieb gerechnet.
Für die Apothekerin Anika Schwarzmann bedeutet das eine Notlage. Sie übernahm die „Insel-Apotheke“ zu Jahresbeginn und war bisher auf regelmäßige Lieferungen von zwei Großhändlern angewiesen. Nur einer davon ist aktuell bereit, auf die Versorgung per Schiff umzustellen. Der andere verweigert eine Seelieferung mit Verweis auf die strengen Auflagen für den Arzneimitteltransport über Seewege. Die Folge ist eine drastisch eingeschränkte Versorgungssicherheit.
Das hat unmittelbare Auswirkungen auf Patientinnen und Patienten. Ein Beispiel ist der Ausfall eines Betäubungsmittels, das per Schiff nicht transportiert werden konnte. Ohne die Option auf einen zweiten Lieferanten drohen gefährliche Versorgungslücken. Medikamente können nicht einfach ersetzt oder verzögert bezogen werden, wenn es sich um spezielle Präparate für chronisch Kranke handelt.
Helgoland ist aufgrund seiner geografischen Lage auf stabile Logistik angewiesen. Die Abhängigkeit vom Lufttransport war bekannt, doch eine tragfähige Ausweichstrategie fehlt. Die Schifffahrt ist wetterabhängig, langsamer und unterliegt strikten regulatorischen Vorgaben. In der Praxis zeigt sich jetzt, dass diese strukturelle Einseitigkeit in der Versorgung ein hohes Risiko birgt.
Solange der neue Flugbetrieb nicht genehmigt ist, bleibt die Situation kritisch. Die Inselapotheke arbeitet mit begrenzten Mitteln, die Unsicherheit wächst. Die Erfahrung auf Helgoland verdeutlicht, wie fragil Gesundheitsversorgung sein kann, wenn infrastrukturelle Alternativen fehlen und Lieferketten nicht flexibel reagieren können.
Die Situation auf Helgoland offenbart ein strukturelles Versagen im Umgang mit Versorgungssicherheit im Gesundheitswesen. Dass eine Insel mit rund 1.300 Bewohnerinnen und Bewohnern vollständig vom Lufttransport ihrer Medikamente abhängt, ist nicht nur logistisch riskant, sondern politisch fahrlässig. Es zeigt sich, wie wenig Redundanz in kritischen Bereichen eingeplant wurde. Das gilt nicht nur für abgelegene Orte wie Helgoland, sondern wirft grundsätzliche Fragen zur Resilienz unseres Gesundheitssystems auf.
Der Fall belegt, wie gefährlich es ist, sich auf einen einzigen Transportweg zu verlassen. Dass einer der beiden Großhändler sich weigert, per Schiff zu liefern, verweist auf die starre Bürokratie und wirtschaftliche Kurzsichtigkeit, die das System durchzieht. Die gesetzlichen Vorgaben für Seetransporte sind wichtig für Arzneimittelsicherheit, aber sie müssen in Krisenlagen auch praktikabel anwendbar sein. Wenn Regularien den Schutz der Bevölkerung behindern, verfehlen sie ihren Zweck.
Politisch Verantwortliche dürfen sich nicht auf die baldige Wiederaufnahme des Flugbetriebs vertrösten lassen. Es braucht funktionierende Notfallpläne, verlässliche Lieferketten und eine klare Verpflichtung aller Beteiligten, auch in Ausnahmesituationen handlungsfähig zu bleiben. Die Verantwortung darf nicht auf einzelne Apothekenbetreiberinnen abgewälzt werden, die unter existenziellen Bedingungen arbeiten.
Der Staat muss sicherstellen, dass jede Apotheke in Deutschland unabhängig von ihrer Lage auf mehrere stabile Versorgungswege zugreifen kann. Dass dies auf Helgoland nicht der Fall ist, ist kein kurioses Einzelereignis, sondern ein Warnsignal. Versorgungssicherheit ist kein logistischer Luxus, sondern eine Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Gesundheitssystem. Wer das nicht erkennt, gefährdet nicht nur Inselbewohner, sondern das Vertrauen in staatliche Daseinsvorsorge insgesamt.
Medikationsanalysen in Heimen schaffen neue Versorgungsqualität
Pflegeheimbewohner erhalten häufig zahlreiche Medikamente von unterschiedlichen Fachärzten. In diesem komplexen Versorgungsumfeld kommt Apotheken eine zentrale Rolle bei der Arzneimitteltherapiesicherheit zu. Die Möglichkeit, im Rahmen pharmazeutischer Dienstleistungen erweiterte Medikationsberatungen bei Polymedikation abzurechnen, schafft neue Spielräume für eine strukturierte und patientenorientierte Versorgung. In Hamburg zeigt die Privilegierte Adler Apotheke exemplarisch, wie sich Alltagsroutine in einen standardisierten Prozess mit dokumentierten Ergebnissen und klarer Verantwortlichkeit überführen lässt. Der Fokus liegt dabei auf Neueinzügen, Krankenhausrückkehrern und Patienten mit besonderen Anforderungen wie Sondenapplikation. Grundlage für jede Analyse ist ein vollständiger Medikationsplan, der durch die patientenindividuelle Verblisterung ohnehin regelmäßig gepflegt wird.
Mit Einführung eines digitalen Workflows wurde die Analyse effizienter und nachvollziehbarer. Eine Schnittstelle zwischen der Blistersoftware und dem AMTS Analyseprogramm ermöglicht es, Medikationsdaten per QR-Code direkt zu übertragen. Dadurch entfällt die doppelte Dateneingabe und der Prozess wird für das gesamte Team transparenter. Mehrere Fachkräfte können nacheinander an einem Fall arbeiten, ohne dass Informationen verloren gehen. Die Prüfung umfasst nicht nur klassische Interaktionen, sondern bezieht auch Diagnosehintergründe, Selbstmedikation und verfügbare Laborwerte ein. Ziel ist es, arzneimittelbezogene Probleme frühzeitig zu erkennen, etwa ungeeignete Einnahmezeitpunkte, Kontraindikationen oder Überdosierungen.
Apotheken dokumentieren ihre Ergebnisse systematisch und stellen sie bei Bedarf auch den Pflegekräften digital zur Verfügung. Auf Wunsch erfolgen Rückmeldungen an behandelnde Ärzte. Auch pflegerische Einrichtungen selbst können die Dienstleistung für alle Bewohner anfordern. In einigen Fällen werden bei Stationsbesuchen ergänzende Dienstleistungen wie Inhalatorenschulungen oder Blutdruckmessungen angeboten. Der persönliche Kontakt zu Pflegekräften und Bewohnern wird gezielt genutzt, um Verständnis und Akzeptanz für die Medikationsanalyse zu stärken.
Die strukturierte Prüfung geht deutlich über den traditionellen Interaktionscheck hinaus. Apotheker identifizieren häufig bislang unentdeckte Probleme, etwa erhöhte anticholinerge Belastung, unnötige Doppelverordnungen oder das Fehlen begleitender Schutzmedikation. Auch die Erkennung sogenannter Verschreibungskaskaden spielt eine wachsende Rolle. Die konsequente Umsetzung dieser pharmazeutischen Dienstleistung steigert nicht nur die Arzneimitteltherapiesicherheit, sondern auch die Versorgungsqualität insgesamt.
Die strukturelle Medikationsanalyse bei Heimbewohnern ist kein technisches Detail, sondern Ausdruck eines tiefgreifenden Wandels in der Arzneimittelversorgung vulnerabler Gruppen. In einem Gesundheitssystem, das in Pflegeeinrichtungen zu lange auf das Nebeneinander unterschiedlich agierender Akteure setzte, zeigt sich nun, wie Apotheken durch systematische Medikationsprüfung verbindende Verantwortung übernehmen. Die Möglichkeit, pharmazeutische Dienstleistungen gezielt abzurechnen, ist dabei mehr als eine administrative Erleichterung. Sie setzt einen klaren Anreiz, gewachsene Routinen in überprüfbare Prozesse zu überführen.
Das Beispiel aus Hamburg macht sichtbar, wie Digitalisierung nicht Selbstzweck bleibt, sondern bestehende Schwächen ausgleicht. Der technische Fortschritt ersetzt nicht den Blick für das einzelne Schicksal, sondern schafft den Raum, ihn fundiert zu analysieren. Wo Medikamente bislang nur zusammengeführt wurden, entsteht heute ein kontrollierter Knotenpunkt therapeutischer Verantwortung. Dass dabei Pflegekräfte einbezogen und Ärztinnen und Ärzte informiert werden, ist nicht Folge regulatorischer Vorschriften, sondern Ausdruck eines gewandelten Versorgungsverständnisses.
Politisch wird dabei eine zentrale Schwachstelle offenbar. Der Gesetzgeber hat die pDL ermöglicht, ohne sicherzustellen, dass alle Heime systematisch daran teilnehmen. Statt die Medikationsanalyse verpflichtend vorzuschreiben, bleibt ihre Nutzung auf engagierte Einrichtungen und Apothekenteams beschränkt. Die Folge ist eine Versorgungslücke, die weder medizinisch noch ethisch tragbar ist.
Vor allem aber zeigt sich: Wo Apotheken ihre pharmazeutische Kompetenz nicht auf Logistik reduzieren, sondern aktiv in die Analyse einbringen, steigt nicht nur die Sicherheit für den einzelnen Bewohner. Es entsteht ein Gesundheitsdienst, der multiprofessionell und strukturell durchdacht ist. Dieses Modell verdient nicht nur Nachahmung, sondern politische Verstärkung. Die flächendeckende Medikationsanalyse im Heim darf nicht Ausnahme bleiben, sondern muss Standard werden.
Apotheken zeigen Gesicht für Menschen mit Multipler Sklerose
Zum 17. Mal wird am 30. Mai bundesweit der Welt MS Tag begangen. Unter dem diesjährigen Motto Tausend Gesichter und Deins stellt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft die persönlichen Erfahrungen der Betroffenen in den Mittelpunkt. Die Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose betrifft mehr als 280.000 Menschen in Deutschland. Jeden Tag kommen durchschnittlich 41 neue Diagnosen hinzu. Die Erkrankung führt zu ganz unterschiedlichen Symptomen, verläuft individuell und stellt viele Betroffene vor soziale und berufliche Herausforderungen. Ziel des Aktionstags ist es, diese Vielfalt sichtbarer zu machen und das Verständnis in der Bevölkerung zu stärken.
Die DMSG hat eine bundesweite Kampagne gestartet, die auf verschiedenen Kanälen Informationen vermittelt und Einblicke in das Leben mit MS ermöglicht. In sozialen Netzwerken, Radioformaten und Videos berichten Erkrankte, Angehörige und Fachleute über ihren Umgang mit der Krankheit. Neben der medizinischen Perspektive stehen dabei auch Lebensqualität, soziale Teilhabe und psychische Belastungen im Fokus. Für neu Erkrankte und ihre Familien bietet die Gesellschaft am 28. Mai eine kostenfreie Telefonsprechzeit an. Zwischen 16 und 19 Uhr stehen medizinische und soziale Experten unter einer bundesweit erreichbaren Telefonnummer für Fragen zur Verfügung.
Ergänzt wird die Kampagne durch einen Kreativwettbewerb, der Menschen mit MS dazu einlädt, ihre Sicht auf das Leben mit der Krankheit in Texten, Bildern, Videos oder Musik auszudrücken. Die besten Beiträge sollen ausgezeichnet und veröffentlicht werden. Damit soll die gesellschaftliche Wahrnehmung der Krankheit um persönliche Perspektiven erweitert werden. Die Aktion richtet sich gezielt an Betroffene, die häufig mit Unsicherheit, Vorurteilen oder Rückzug konfrontiert sind.
Eine wichtige Rolle können Apotheken übernehmen. Als niederschwellige Anlaufstellen im Gesundheitswesen sind sie für viele Betroffene und Angehörige erste Informationsorte. Der Bundesverband der DMSG stellt Apothekenteams kostenfreie Informationsmaterialien zur Verfügung. Diese umfassen Flyer, Plakate und Postkarten, die zur Auslage oder als Grundlage für Beratungsgespräche dienen können. So können Apotheken dazu beitragen, medizinische Aufklärung mit empathischer Beratung zu verbinden und das Thema MS stärker im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern.
Der Welt MS Tag ist mehr als ein Gedenktag. Er schafft Räume für Dialog, stärkt die Selbstwahrnehmung von Menschen mit MS und setzt ein öffentliches Zeichen gegen Unsichtbarkeit und Unwissen. Die zentrale Botschaft lautet, dass jede Form der Beteiligung zählt. Ob in der Beratung, der Kommunikation oder der persönlichen Haltung – Sichtbarkeit beginnt dort, wo man bereit ist zuzuhören, zu verstehen und gemeinsam Verantwortung zu übernehmen.
Die gesellschaftliche Wahrnehmung chronischer Erkrankungen entscheidet maßgeblich über Teilhabe, Respekt und Unterstützung. Multiple Sklerose ist ein Beispiel dafür, wie schnell Unsichtbarkeit zur zusätzlichen Bürde werden kann. Der Welt MS Tag zeigt, wie notwendig es ist, diese Sichtbarkeit nicht dem Zufall zu überlassen, sondern durch institutionelle, mediale und bürgerschaftliche Impulse aktiv herzustellen. Die DMSG verfolgt mit ihrer Kampagne einen Ansatz, der nicht nur informiert, sondern auf Augenhöhe kommuniziert. Sie setzt nicht auf medizinische Reißbretterklärungen, sondern auf die Lebenswirklichkeit der Betroffenen selbst. Das ist nicht nur richtig, sondern dringend geboten in einer Zeit, in der viele Gesundheitsthemen abstrakt bleiben und ihre menschliche Dimension verlieren.
Dass Apotheken in diesen Prozess eingebunden werden, ist ein bedeutender Schritt. Sie sind flächendeckend präsent, genießen Vertrauen und sind oft der erste medizinische Kontakt im Alltag. Ihre Rolle geht längst über das Ausgeben von Medikamenten hinaus. Wenn sie als aktive Partner in der Gesundheitskommunikation agieren, entsteht ein Netz aus fachlicher Kompetenz und sozialer Nähe. Die Möglichkeit, über Flyer oder Gespräche aufzuklären, ist keine Nebensache. Es ist ein Zeichen dafür, dass die Gesundheitsversorgung bereit ist, Verantwortung im Ganzen zu denken – nicht nur in Laborwerten und Therapieschemata, sondern auch in biografischen Brüchen und sozialen Belastungen.
Gleichzeitig bleibt eine strukturelle Lücke bestehen. Trotz aller Bemühungen liegt die Last der Aufklärung nach wie vor auf den Schultern der Betroffenen und weniger auf den Institutionen, die für öffentliche Gesundheit zuständig sind. Die politische Kommunikation zum Thema MS bleibt ausbaufähig. Es fehlt an langfristiger Unterstützung, an klarer Sprachregelung im öffentlichen Diskurs und an gezielten Maßnahmen zur Integration von Menschen mit MS in Arbeitsleben und Bildung. Hier sind nicht nur Kampagnen, sondern auch gesetzliche und infrastrukturelle Schritte gefragt.
Der Welt MS Tag ist deshalb auch ein Prüfstein für das Gesundheitssystem. Er zeigt, ob gesellschaftliche Solidarität nur aus wohlmeinenden Worten besteht oder auch in konkreten Maßnahmen sichtbar wird. Verantwortungsträger in Politik, Medizin und Medien sind gefordert, diese Gelegenheit nicht als PR-Format zu begreifen, sondern als Mahnung zu struktureller Veränderung. Sichtbarkeit darf kein Event bleiben, sondern muss Alltag werden.
Immer mehr junge Mädchen erkranken an Essstörungen
Die Zahl diagnostizierter Essstörungen unter Jugendlichen ist in den vergangenen fünf Jahren deutlich gestiegen. Besonders betroffen sind Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Nach aktuellen Auswertungen stieg die Zahl der Fälle von Magersucht, Bulimie und Binge Eating in dieser Gruppe zwischen 2019 und 2023 um fast 50 Prozent. Damit hat sich die Fallzahl je 10.000 Versicherte von 101 auf 150 erhöht. In keiner anderen Altersgruppe ist ein vergleichbar starker Anstieg zu verzeichnen.
Hinter dem Trend vermuten Fachleute eine wachsende psychische Belastung durch soziale Medien. Plattformen wie Instagram oder TikTok setzen Heranwachsende zunehmend einem Ideal aus, das sich durch schlanke Körper, makellose Haut und dauerhafte Selbstoptimierung definiert. In der Phase der Identitätsentwicklung, in der das Selbstwertgefühl noch nicht stabil ausgebildet ist, entfalten solche Botschaften eine enorme Wirkung. Jugendliche vergleichen sich ständig mit digitalen Vorbildern, deren Inhalte oft stark inszeniert sind, aber dennoch eine scheinbare Nähe und Erreichbarkeit vermitteln.
Psychologinnen sehen in diesem Umfeld ein besonders hohes Risiko für Mädchen. Sie reflektieren ihr Aussehen intensiver als Jungen und unterliegen stärker dem gesellschaftlichen Druck, bestimmten Schönheitsnormen zu entsprechen. Während Prominente früher unerreichbar erschienen, wirken Influencerinnen heute nahbar und damit umso wirkungsvoller. Viele Jugendliche erkennen nicht, dass auch diese Körperbilder bearbeitet und gestellt sind. Gleichzeitig verbreiten sich problematische Begriffe wie Cortisol Face oder Toebesity, die gezielt körperliche Merkmale stigmatisieren und so den Druck weiter erhöhen.
Daten aus dem Jahr 2023 zeigen, dass rund 460.000 Menschen in Deutschland mit einer ärztlich bestätigten Essstörung leben. Rund 7,5 Prozent davon sind Mädchen im Alter von 12 bis 17 Jahren. Während sich die Zahlen bei gleichaltrigen Jungen kaum veränderten, stieg die Zahl der betroffenen Frauen zwischen 18 und 24 Jahren um über 25 Prozent. Über alle Altersgruppen hinweg nahmen die Fälle bei Frauen um mehr als zehn Prozent zu.
Fachleute warnen davor, das Problem allein mit Aufklärung lösen zu wollen. Es brauche strukturelle Veränderungen in der Mediennutzung, eine Stärkung des kritischen Denkens und ein aktives Gegenbild zu digitalem Schönheitsdruck. Entscheidend sei es, Jugendliche für die Kluft zwischen digitaler Darstellung und realer Vielfalt zu sensibilisieren. Weniger Zeit in sozialen Netzwerken, mehr echte Begegnungen und ein stabiles Selbstbild gelten als zentrale Schutzfaktoren gegen Essstörungen. Die aktuellen Zahlen legen nahe, dass diese Maßnahmen dringlicher sind denn je.
Die Zunahme von Essstörungen unter Jugendlichen, insbesondere bei Mädchen, ist kein bloßer medizinischer Befund, sondern ein gesellschaftlicher Notruf. Was sich in den vergangenen fünf Jahren in den Statistiken zeigt, ist Ausdruck einer strukturellen Fehlentwicklung im digitalen Zeitalter. Der Körper junger Menschen wird zunehmend zum Projekt der Selbstoptimierung, getrieben von Algorithmen, Influencern und wirtschaftlichen Interessen. Die sozialen Netzwerke sind längst keine neutralen Plattformen mehr, sondern Teil eines Systems, das psychischen Druck erzeugt und davon profitiert.
Verantwortung tragen nicht allein die Familien oder Betroffenen. Vielmehr offenbart sich hier ein systemisches Versäumnis von Politik, Plattformbetreibern und Bildungseinrichtungen. Die regulatorische Untätigkeit gegenüber der toxischen Wirkung sozialer Medien auf Jugendliche wirkt wie eine stillschweigende Duldung. Plattformen, die junge Menschen mit gefilterten Bildern, Body Challenges und subtiler Werbung für Idealkörper überfluten, genießen nach wie vor weitgehende Narrenfreiheit. Dabei ist bekannt, dass algorithmische Strukturen gezielt Inhalte bevorzugen, die emotionale Reaktionen provozieren – oft auf Kosten seelischer Stabilität.
Gleichzeitig versagt die schulische Bildung in der Vermittlung digitaler Resilienz. Medienkompetenz wird nach wie vor stiefmütterlich behandelt, während die Lebensrealität junger Menschen längst vom Scrollen und Vergleichen geprägt ist. Statt kritischem Denken steht das passive Konsumieren im Vordergrund. Wer sich jeden Tag mit vermeintlich perfekten Körpern misst, verliert das Gespür für die eigene Normalität und gerät in gefährliche Selbstzweifel. Die Folgen sind längst klinisch sichtbar.
Die Gesundheitsprävention muss diesen Realitäten Rechnung tragen. Es reicht nicht, sporadisch über die Risiken von Social Media aufzuklären. Notwendig sind curriculare Programme, die jungen Menschen helfen, sich selbstbestimmt und kritisch in digitalen Räumen zu bewegen. Ebenso sind die Plattformen in die Pflicht zu nehmen, etwa durch restriktive Algorithmen, Altersbeschränkungen und mehr Transparenz über inszenierte Inhalte.
Essstörungen sind Ausdruck eines sozialen Klimas, in dem Selbstwert über Äußerlichkeiten definiert wird. Wer das ändern will, muss nicht nur Symptome behandeln, sondern die Mechanismen hinterfragen, die junge Menschen systematisch unter Druck setzen. Dazu gehört auch der Mut, Verantwortung nicht nur bei den Eltern zu suchen, sondern bei den Akteuren, die das digitale Schönheitsideal produzieren, verbreiten und ökonomisch verwerten. Solange diese Strukturen unangetastet bleiben, wird sich an der Entwicklung wenig ändern.
Der richtige Zeitpunkt entscheidet über den Therapieerfolg bei Asthma
Ein präziser Zeitpunkt für die Inhalation von Corticoiden kann die Wirksamkeit der Asthmatherapie deutlich steigern. Das legt eine aktuelle Studie nahe, in der Forscher untersuchten, wie sich die Tageszeit auf die Wirkung inhalativer Glucocorticoide auswirkt. Besonders auffällig war dabei ein signifikanter Vorteil bei einer Anwendung am späten Nachmittag.
Hintergrund der Untersuchung ist ein bekanntes Phänomen unter Asthmapatienten: Viele erleben in den Nachtstunden eine Verschlechterung ihrer Symptome. Atemnot, Husten und Engegefühl treten häufig zwischen Mitternacht und den frühen Morgenstunden auf. Die Forscher wollten deshalb wissen, ob der Zeitpunkt der Inhalation die nächtlichen Beschwerden beeinflussen kann.
In der kleinen Studie verglichen sie die Effekte einer morgendlichen und einer nachmittäglichen Inhalation von Corticoiden bei Asthmapatienten. Die Teilnehmer wurden über einen festgelegten Zeitraum beobachtet und ihre Lungenfunktion sowie die Symptomatik dokumentiert. Dabei zeigte sich, dass eine Inhalation am späten Nachmittag die nächtliche Verschlechterung der Symptome effektiver unterdrücken konnte als eine morgendliche Anwendung.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der circadiane Rhythmus, also die innere Uhr des Körpers, einen relevanten Einfluss auf die Aufnahme und Wirkung von inhalativen Medikamenten haben könnte. Dies sei besonders bei entzündungshemmenden Substanzen wie Corticoiden relevant, da ihre Wirksamkeit offenbar von biologischen Tagesverläufen mitbestimmt wird.
Zwar handelt es sich bei der Studie um eine kleine Untersuchung mit begrenzter Aussagekraft, dennoch liefert sie wertvolle Hinweise für eine potenziell wirksamere Therapiestrategie. Für Patientinnen und Patienten mit nächtlich verstärktem Asthma könnten künftig personalisierte Zeitpläne zur Inhalation ein sinnvoller Ansatz sein. Eine Anpassung der Einnahmezeit an den individuellen Symptomverlauf könnte helfen, nächtliche Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Die Erkenntnis, dass inhalative Corticoide am späten Nachmittag besonders wirksam sein könnten, wirkt auf den ersten Blick banal. Doch sie führt zu einer grundsätzlichen Frage, die in der klinischen Praxis oft vernachlässigt wird: Warum spielen zeitliche Rhythmen in der Arzneimitteltherapie bislang eine so geringe Rolle? Trotz zunehmender Erkenntnisse über die Chronopharmakologie – also die Wirkung von Medikamenten im Zusammenhang mit der inneren Uhr – orientieren sich Dosierung und Einnahmepläne in der Regel noch immer am Kalender statt am biologischen Bedarf.
Dies ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein strukturelles Versäumnis. Weder Leitlinien noch Kassenerstattungen sehen bislang vor, dass der Zeitpunkt der Einnahme systematisch evaluiert und in der Praxis berücksichtigt wird. In einem Gesundheitswesen, das zunehmend auf Evidenz pocht, bleibt ausgerechnet ein evidenznaher Aspekt wie die Tageszeit unbeachtet. Es fehlt an systematischer Forschung mit größeren Probandenzahlen, an interdisziplinärer Zusammenarbeit zwischen Pneumologie, Chronobiologie und Versorgungsforschung sowie an einer gezielten Förderung durch die öffentliche Hand.
Hier sind Politik, Krankenkassen und Fachgesellschaften gleichermaßen gefordert. Denn wenn sich durch einfache Anpassungen der Einnahmezeit relevante Therapieverbesserungen erzielen lassen, wäre es fahrlässig, diesen Effekt nicht konsequent zu untersuchen und in die Praxis zu überführen. Gerade in der Behandlung chronischer Erkrankungen wie Asthma, bei der die Adhärenz ohnehin herausfordernd ist, könnten personalisierte Zeitpläne einen echten Unterschied machen – sowohl in der Lebensqualität der Patienten als auch in der wirtschaftlichen Effizienz der Versorgung.
Die Studie sendet somit ein klares Signal: Es ist Zeit, die Zeit in der Therapie ernster zu nehmen. Und es ist höchste Zeit, dass sich Forschung und Versorgung dieser Herausforderung stellen – nicht morgen, sondern heute.
Glosse: Mitbestimmung hinter der Sichtwahl
Es war einmal ein Lagerregal, das gut gefüllt war. Schmerzmittel, Antibiotika, Fiebersäfte, Salben – alles ordentlich sortiert, beschriftet und griffbereit. Doch das war vor der Zeit der Märchen. Heute beginnt jeder Tag in der Apotheke mit einem Ritual, das einst nur die Großhändler kannten: der tägliche Lieferstatusbericht. Und der klingt selten wie ein Happy End.
„Nicht lieferbar“, sagt das System. Und meint: Such dir was anderes. Die Kollegin murmelt etwas von Verfügbarkeitsanfrage, der Kunde sagt, er habe das Medikament aber immer da gekauft, und der Apotheker tippt wie besessen auf seinem Bildschirm, als würde ein geheimer Tastencode das letzte Packungsstück herbeizaubern. Vergeblich. Das Medikament bleibt ein Phantom. Es war einmal – und kommt vielleicht nie wieder.
Lieferengpässe sind das neue Normal. Was früher Ausnahme war, ist heute Standard, und wer das Spiel nicht mitspielt, verliert. Besonders Nerven. PTA verwandeln sich in Recherchekräfte, die mit detektivischem Spürsinn Alternativen ermitteln, packungsgrößenkonvertieren und Rabattverträge entwirren. Einmal Husten, zweimal Lieferstatus, dreimal Kundenverzweiflung.
Manchmal steht da ein Kind mit Fieber am HV-Tisch, die Mutter schaut hilflos, das Thermometer piepst erbarmungslos. Und während draußen der Paketdienst ein weiteres Päckchen mit Retinolserum anliefert, gibt es drinnen kein Penicillin mehr. Prioritäten in Zeiten logistischer Schieflage.
Natürlich wird versprochen, man arbeite mit Hochdruck. Ministerien schreiben Briefe, Kassenverbände geben Empfehlungen, und Großhändler optimieren digital. Was sie nicht liefern können, listen sie jetzt einfach früher aus. Eine Art Präzisionsversagen. Weniger suchen, schneller scheitern.
Die Apotheken stehen mittendrin, ohne Werkzeugkasten. Sie müssen dämpfen, erklären, beruhigen – und nebenbei noch ein alternatives Präparat finden, das nicht 30 Euro Eigenbeteiligung kostet. Das dauert. Und wenn’s dann doch klappt, ist oft das Vertrauen beschädigt. Nicht in die Apotheke, sondern ins System. Denn wie soll man an Versorgung glauben, wenn selbst Paracetamol ein Glücksspiel ist?
Am Ende bleibt ein Kundenbon mit „nicht lieferbar“ und ein Schulterzucken hinter der Plexiglasscheibe. Kein Skandal mehr, sondern Routine. Und vielleicht ist das das eigentliche Problem: dass wir uns an den Mangel gewöhnt haben. An ein Gesundheitswesen mit Ladehemmung.
Es war einmal ein voller Schubkasten. Heute ist da nur noch Luft – und ein Zettel, auf dem steht: „Nachbestellt“.
Von Engin Günder, Fachjournalist
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