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Steuer & Recht
BMF-Schreiben zu § 32 Abs. 6 Satz 6 bis 11 EStG
Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl. I Seite 2131) sind die Voraussetzungen für die Übertragung der Freibeträge für Kinder (§ 32 Absatz 6 Satz 6 bis 11 EStG) sowie des Behinderten-Pauschbetrags (§ 33b Absatz 5 Satz 2 EStG) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2012 geändert worden. Nach dem Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder gelten hierzu die nachfolgenden Ausführungen:
I. Übertragung des Kinderfreibetrags des anderen Elternteils (§ 32 Absatz 6 Satz 6 und 7 EStG)
Rz. 1 Bei nicht verheirateten, geschiedenen oder
dauernd getrennt lebenden unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Eltern wird
auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf
ihn übertragen, wenn er, nicht aber der andere Elternteil, seiner
Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen
nachkommt (Rz. 2) oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht
unterhaltspflichtig ist (Rz. 3).
Rz. 2 Ein Elternteil kommt seiner Barunterhaltsverpflichtung gegenüber
dem Kind dann im Wesentlichen nach, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt. Der
Elternteil, in dessen Obhut sich ein minderjähriges Kind befindet, erfüllt
seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege und Erziehung des
Kindes (§ 1606 Absatz 3 Satz 2 BGB).
Rz. 3 Eine Unterhaltspflicht besteht für den anderen Elternteil dann
nicht, wenn er mangels ausreichender eigener Mittel nicht leistungsfähig ist (§
1603 Absatz 1 BGB). Freiwillige Leistungen des nicht leistungsfähigen
Elternteils können die Übertragung nicht verhindern.
Rz. 4 Eine Übertragung scheidet für solche Kalendermonate aus, für die
Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden. Auf die
Höhe der Unterhaltsleistungen kommt es nicht an. Nachzahlungen sind auf die
Kalendermonate zu verteilen, für die sie bestimmt sind.
Rz. 5 Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur
Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder
Ausbildungsbedarf.
II. Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (§ 32 Absatz 6 Satz 8 und 9 EStG)
Rz. 6 Bei minderjährigen Kindern von nicht
verheirateten, geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt
einkommensteuerpflichtigen Eltern wird auf Antrag des Elternteils, bei dem das
Kind gemeldet ist, der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder
Ausbildungsbedarf des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn das
minderjährige Kind bei dem anderen Elternteil nicht gemeldet ist.
Rz. 7 Der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, kann der
Übertragung widersprechen, wenn er Kinderbetreuungskosten (Rz. 8) trägt oder
wenn er das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang (Rz. 9)
betreut.
Rz. 8 Als Kinderbetreuungskosten gelten nicht nur Aufwendungen für
Dienstleistungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 5 EStG, sondern alle
Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung des Kindes bis zur
Vollendung seines 18. Lebensjahres. Hierzu zählen beispielsweise Aufwendungen
für die regelmäßige Unterbringung an Wochenenden.
Rz. 9 Maßgebend für eine regelmäßige Betreuung in einem nicht
unwesentlichen Umfang ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind, der
erkennen lässt, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen
Nachhaltigkeit wahrnimmt, d. h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum
Kind steht. Bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt, beispielsweise
zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern, liegt eine Betreuung in
unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung
eines Kindes ist typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder
außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden
und in den Ferien vorgelegt wird.
Rz. 10 Widerspricht der andere Elternteil der Übertragung des
Freibetrags, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob dieser Einrede für das weitere
Verfahren Bedeutung zukommt. Die Entscheidung hierüber wird nicht in einem
eigenen Verwaltungsakt getroffen, sondern im jeweiligen
Einkommensteuerbescheid.
Rz. 11 Es ist ausreichend, wenn der Steuerpflichtige der Übertragung
durch Einspruch gegen seinen eigenen Steuerbescheid mit dem Ziel widerspricht,
dass bei ihm der Freibetrag neu oder wieder angesetzt wird. Ist diese
widersprechende Einrede sachlich gerechtfertigt, so ist der Steuerbescheid
desjenigen Elternteils, auf dessen Antrag zunächst der Freibetrag übertragen
wurde, nach § 175 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AO zu ändern.
III. Übertragung der Freibeträge für Kinder auf einen Stief- oder Großelternteil (§ 32 Absatz 6 Satz 10 und 11 EStG)
Rz. 12 Die den Eltern zustehenden Freibeträge für
Kinder können auf Antrag auf einen Großelternteil übertragen werden, wenn
dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder einer Unterhaltspflicht
gegenüber dem Kind unterliegt. Auf einen Stiefelternteil können diese
Freibeträge auf Antrag übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen
Haushalt aufgenommen hat. Da ein Stiefelternteil keiner gesetzlichen
Unterhaltspflicht gegenüber seinem Stiefkind unterliegt, kommt eine Übertragung
aus diesem Grund nicht in Betracht.
Rz. 13 Eine Übertragung auf einen Großelternteil, der das Kind nicht in
seinen Haushalt aufgenommen hat, ist nur möglich, wenn dieser einer konkreten
Unterhaltsverpflichtung unterliegt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
die Eltern des Kindes nicht leistungsfähig sind.
Rz.14 Die Tatsache, dass der die Übertragung beantragende Großelternteil
die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Enkelkind erfüllt, ist in
geeigneter Weise - zum Beispiel durch Vorlage von Zahlungsbelegen -
nachzuweisen. Bei einer Haushaltsaufnahme erübrigt sich der Nachweis.
IV. Aufteilung des Behinderten-Pauschbetrags eines Kindes bei der Übertragung auf die Eltern (§ 33b Absatz 5 Satz 2 EStG)
Rz. 15 Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der
Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige einen
Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG oder auf Kindergeld hat,
wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn
das Kind nicht in Anspruch nimmt. Der Pauschbetrag wird auf die Elternteile je
zur Hälfte aufgeteilt, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen
Elternteil übertragen.
Rz. 16 Bei einer Übertragung des Kinderfreibetrags ist stets der volle
Behinderten-Pauschbetrag oder der volle Hinterbliebenen-Pauschbetrag zu
übertragen. Eine Übertragung des vollen Pauschbetrags erfolgt auch dann, wenn
der Kinderfreibetrag nur für einen Teil des Kalenderjahres übertragen wird.
V. Anwendungszeitraum
Rz. 17 Dieses Schreiben ist ab dem Veranlagungszeitraum 2012 anzuwenden.
Quelle: BMF
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